„Ich frage mich, wann wird das Ding barrierefrei gemacht“

FBAG-Sprecher Hannes Heiler über den zu langsamen Umbau von Haltestellen und was die Stadt besser machen kann.
Herr Heiler, wie weit ist die Stadt Frankfurt bei der Barrierefreiheit?
Meine Vorgängerin Petra Rieth hat mal gesagt, und ich denke, das gilt heute leider noch ganz genauso: Der öffentliche Nahverkehr in Frankfurt ist in Sachen Barrierefreiheit wie ein Schweizer Käse. Große Löcher, aber immerhin einiges an Substanz ist da. Er ist stark ausbauwürdig.
Was kritisieren sie genau?
Wenn sich an dem Tempo des Umbaus von Straßenbahn- und Bushaltestellen nichts ändert, wird es noch mindestens bis 2035 wenn nicht sogar 2040 dauern, bis alle Haltestellen barrierefrei sind. Es gab mal Zeiten, da wurden pro Jahr 20 Haltestellen umgebaut, im Moment sind wir bei unter zehn.
Woran liegt das?
Das ist eine gute Frage. Vielleicht ist es ein stückweit Gewöhnung, vielleicht ist es nicht mehr modern, vielleicht sind manchen Leuten andere Sachen wichtiger. Ich weiß es nicht. Es kommt einen so vor, als hat die Barrierefreiheit ein geringeres Gewicht im Vergleich zu anderen Dingen.
Was läuft denn aber nun konkret schief?
Sicherlich, dass es zu lange dauert. Es gibt immer häufiger Pilotphasen, Versuche, Workshops und so weiter, was unterm Strich bedeutet, dass es schon mal zwei, drei Jahre länger dauert, bis gebaut wird. Das andere ist, dass viele Planer und Designer die einschlägigen Regeln nicht kennen und es dann nicht ausreichend barrierefrei gebaut wird. Das Schlimme ist: Wenn mal hier in dieser Stadt was schlecht gebaut ist, dann kann es sehr lange dauern, bis mal für eine Nachbesserung gesorgt wird. Das ist dann abgehakt und interessiert oft nicht mehr. Da müssen wir immer hartnäckig bleiben.
Dann wäre es doch besser, man würde sie von Anfang an mit einbinden.
Das ist wahr. Der Behindertenbeauftragte der Stadt oder wahlweise wir von der FBAG sind eigentlich anzuhören bei Verkehrsprojekten. Bei Haltestellen sowieso, sonst gibt es keine Zuschüsse. Zwar muss die FBAG per Magistratsbeschluss angehört werden, doch wann der greift, ist manches Mal zu spät. Wenn man uns da frühzeitiger einbinden würde, könnte man so manche blöde Schleife vermeiden. Da möchte ich als Beispiel nur den Arbeitsplan Barrierefreiheit nennen. An dessen Überarbeitung sitzt die Stadt schon seit Jahren und will ihn der FBAG wohl erst zeigen, wenn er endgültig verabschiedet ist. Aber dann ist das Kind fast schon im Brunnen. Warum kann man nicht vorher bereits mitgestalten?
Haben Sie das Gefühl, dass nicht auf Barrierefreiheit geachtet wird?
Häufig ja. Krasses Beispiel ist der Goetheturm. Nach der geltenden Lage von Gesetzen und Verordnungen hätte der mit Aufzug neu gebaut werden müssen. Hat man nicht gemacht. Man ist eingeknickt vor den Leuten in Sachsenhausen, die ihn genau so wie vorher haben wollten. Da ist die schönste Vorschrift nichts wert. Oder nehmen wir die Haltestelle Karmeliterkloster, zwischen Willy-Brandt-Platz und Römer. Die ist eine der behindertenfeindlichsten Stationen in ganz Frankfurt. Zumindest in Fahrtrichtung Osten muss man beim Aussteigen bis aufs Asphaltniveau herunter, da ist null Bahnsteig. Und zusätzlich gibt es noch eine Reihe Poller. Ich frage mich, wann wird das Ding barrierefrei gemacht?
Da gibt es sicherlich zahllose Beispiele, die Sie nennen könnten.
Natürlich. Letztens war ich in Sossenheim unterwegs. In Sachen Barrierefreiheit ist Sossenheim eine Katastrophe. Kaum gescheite Haltestellen, wenig Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und ich habe bei meinem Besuch dort nicht eine Kreuzung entdecken können, die nach aktuellem Stand barrierefrei ausgebaut wäre. Aber dafür gab es jede Menge Poller in der Landschaft.
Poller sind eine der vielen kritischen Barrieren. Häufig werden auch E-Scooter kritisiert. Wie sehen Sie dieses Thema?
Zwar hat sich die Stadt ein Konzept für parkende E-Scooter ausgedacht, aber bei Lichte betrachtet gilt das nur in der Innenstadt. Und schon Bockenheim zählt nicht mehr zur Innenstadt. Und das Konzept ist ein Musterbeispiel dafür, dass Papier sehr geduldig ist. Es fehlt die Umsetzung. Es gibt Städte, die haben extra eine Stelle, die falsch geparkte Scooter einsammelt. Das wäre hier ein Fortschritt. Aber bitte nicht nur in der Innenstadt.
Gibt es auch positive Beispiele, bei denen Barrierefreiheit gut funktioniert?
Ein halbpositives Beispiel war in unseren Augen der Aufzug an der U-Bahnstation Alte Oper. Der wurde lange Zeit wegen der Ästhetik des Platzes abgelehnt. Irgendwann hat man einen Kompromiss für einen optisch unauffälligen und weitestgehend verglasten Aufzug gefunden. Der hat zwar doppelt so viel gekostet, wie andere Aufzüge, aber es gibt ihn. Das ist das was letztendlich zählt. Was dann wieder ein Problem ist, ist wenn so ein Aufzug einen Defekt hat. Das ist dann eine Sonderlösung und bringt die Leute bei der VGF zur Verzweiflung.
Da klang jetzt eher wieder was Negatives durch.
Weil die Aufzüge in Frankfurt ein Problem sind. Die ältesten Aufzüge ächzen so langsam und gehören ersetzt. An anderen Stellen sind die Aufzüge so überlastet, dass es höchste Zeit für einen zweiten Aufzug wäre. Macht die Stadt aber nicht, kriegt sie keinen Zuschuss für. Aber an der Konstablerwache kann man am Aufzug oben, als auch unten an den Gleisen an so manchen Tagen Schlangen stehen sehen.
Kommen wir noch mal zurück zum Positiven. Gibt es da noch weitere Beispiele?
Die Entwicklung bei den Fahrzeugen ist wirklich gut. Bei den Schienenfahrzeugen werden wir bei jeder neuen Generation frühzeitig eingebunden und können Wünsche formulieren. Auch beim Fahrgastbeirat bei Traffiq sind wir sehr gut eingebunden und tauschen uns regelmäßig aus. Ein positives kleines Beispiel, was mir noch einfällt, war das Türfindesignal an U-Bahnen für blinde Menschen. Das gab es nicht und häufig fuhr die Bahn an Tagen, wo nix los war, dann weg, bevor die blinde Person die Tür überhaupt gefunden hatte. Als das bekannt wurde, hat es kein halbes Jahr gedauert, bis die VGF angefangen hat, die Dinger nachzurüsten. Fand ich sehr positiv.