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Hohe Haftstrafe für Jugendtrainer

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Von: Stefan Behr

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Opfer mit Drogen in Süßigkeiten betäubt / Täter war kein unbeschriebenes Blatt

Das Landgericht hat einen 35 Jahre alten ehemaligen Jugendtrainer des SV Wehen Wiesbaden vor allem wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Jugendschutzkammer ordnete am Donnerstagmorgen zuddem eine anschließende Sicherungsverwahrung an.

Der Prozess, der seit gut ein halbes Jahr lang weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden war, hat nicht bloß bei der Vorsitzenden Richterin hauptsächlich eines hinterlassen: „Fassungslosigkeit“.

Die resultiert etwa aus der langen Tatzeit. Angeklagt waren 69 Einzeltaten aus den Jahren 2014 bis 2021. Im Laufe des Prozesses waren noch andere, weiter zurück liegende Fälle offenbar geworden, die mangels Erwähnung in der Anklage allerdings nicht für das Strafmaß relevant wurden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zahl der Opfer höher sein dürfte als die elf Jungen, die in der Anklage erwähnt wurden und in der Verhandlung als Zeugen aussagen mussten.

Aber auch die Art der Taten macht fassungslos. Der Trainer, dessen sexuelles Interesse sich auf Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren konzentriert, hatte die Intensität seiner Verbrechen kontinuierlich gesteigert. Angefangen hatte es mit dem Begrapschen von Übernachtungsgästen oder Miturlaubern. Später baute er mittels sozialer Medien seinen Fußballschülern gegenüber eine Drohkulisse auf und erschlich sich dann deren Vertrauen als vermeintlicher Retter. Meist meldete er sich bei seinen Opfern unter dem Tarnnamen „Musti“ und beschuldigte sie in gebrochenem Deutsch, Nacktaufnahmen von seiner Cousine oder ähnlichen Schabernack getrieben zu haben, was diese nun büßen sollten. Offenbar erkannten einige Opfer erst im Gespräch mit der Polizei, das „Musti“ nur ein Alias ihres Vergewaltigers war. Am Ende ging der so weit, seine Opfer mit in Süßkram versteckten Drogen zu betäuben.

Fassungslos macht aber auch, wie niedrig die Latte für Fußballjugendtrainer selbst bei einem Drittligisten zu hängen scheint. Im Zusammenhang mit Jugendpornos in Erscheinung getreten ist der spätere Trainer erstmals im strafunmündigen Alter von 13 Jahren. Seitdem ist er mehrfach mit den Gesetzen aneinadergeraten, nicht nur wegen Jugendpornos, sondern auch mit Betrug, Raub, Diebstahl und Körperverletzung. Gerüchte, dass er seine jungen Kicker missbrauche, gab es schon seit Jahren. Erst als sich zwei Opfer an einen Freund und Trainerkollegen des Täters wandten, informierte dieser die Polizei. Auch nur schwer zu fassen: Keines der Opfer hatte sich seinen Eltern anvertraut. Immerhin: Sofort nach Bekanntwerden der Ermittlungen hatte der SV Wehen den Jugendtrainer suspendiert und später gefeuert.

Der Angeklagte selbst war im Prozess zumindest teilgeständig, was aber angesichts der von ihm selbst gefilmten Beweismittel nicht viel war. Und nicht genug, um den Opfern eine Aussage zu ersparen, was immer strafmildernd wirkt. Einge der wenigen Dinge, welche die Kammer dem Angeklagten zugute halten konnte, war, dass zumindest körperliche Gewalt bei seinen Taten kaum eine Rolle spielte.

Das hohe Strafmaß liegt nur knapp unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 14 Jahren plus Sicherungsverwahrung. Die Verteidigung hatte auf elf Jahre ohne anschließende Verwahrung plädiert.

Der Verurteilte lauschte der Verkündung ohne erkennbare Regung - und mit seinen Händen in den Hosentaschen.

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