Daran, dass früher nicht genug Schulen und Wohnungen gebaut wurden, ist die SPD schuld (sagt die CDU) beziehungsweise die CDU (sagt die SPD). Und daran, dass heute nicht genug Wohnungen und Schulen gebaut werden, sind die Grünen schuld (sagen CDU und SPD). Interessant daran: Alle drei beteiligten Parteien regieren zusammen. Noch. Wer künftig mit wem regieren wird, darüber entscheiden die Wähler:innen in elf Tagen.
Corona und die Folgen für Frankfurt sind dabei relevant. Wie ist die Krise wirtschaftlich zu bewältigen? „Indem starke Schultern mehr tragen als schwache“, sagt Dominike Pauli (Linke) auf die erste Frage des Abends. Die Zinsen seien auf einem historischen Niedrigstand. Ihr Credo: Gewerbesteuer erhöhen. „Ich halte es für völlig falsch, jetzt auch noch weiter kaputtzusparen.“
„Der Krise nicht hinterhersparen“, sagt auch Mike Josef (SPD), will dabei aber die Gewerbesteuer in Ruhe lassen: „Es ist nicht so, als hätte die Krise keine Auswirkungen auf das Gewerbe.“ Investieren statt sparen möchte Martina Feldmayer (Grüne), in Klimaschutz und Nachhaltigkeit, während Nils Kößler (CDU) die vom Parteifreund und Kämmerer Uwe Becker angekündigten Sparmaßnahmen verteidigt: „Die Einschnitte sind nicht so hart, wie sie sich anhören.“ Die Ausgaben seien immerhin so hoch wie 2020.
Annette Rinn (FDP) überzeugt das nicht. „Was jetzt passiert, ist sparen mit dem Rasenmäher“, sagt sie und hält es etwa für falsch, den Bau eines Kinder- und Jugendtheaters zu verschieben: „Wenn das Schauspiel sowieso neu gebaut wird, könnte man das dort integrieren.“
Die Mobilität der Stadt ist eines der Themen, die die Parteien klar unterscheidbar machen. Da fordert etwa die Grüne Feldmayer einen Plan, der eine Verkehrswende hin zu mehr Rad- und Fußverkehr, weg vom Auto, in den Mittelpunkt stellt. Die Linke Pauli wirbt für eine:n Fußgängerbeauftragte:n und für den Nulltarif im Öffentlichen Personennahverkehr als „gigantisches Umweltschutzprogramm für diese Stadt“.
„Der Unterschied zwischen uns und manch anderen Diskussionsteilnehmern ist, dass wir die Verkehrsmittel nicht in gut und böse einteilen.“
„Ich glaube, das geht nicht“, hält Freidemokratin Rinn dagegen, der ÖPNV sei ohnehin schon defizitär und brauche Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Mike Josef plädiert für Autos in Parkhäusern statt am Straßenrand, mehr Platz für Radfahrer:innen und das 365-Euro-Ticket für alle – Wien habe gezeigt, dass der ÖPNV damit attraktiver werde. „Flatrate-Tickets sind der Renner“, bestätigt Feldmayer.
Nils Kößler sieht es anders: Wien habe gezeigt, dass das 365-Euro-Ticket „zu allem Möglichen geführt hat, aber nicht zu einer höheren Nutzung im ÖPNV“. Seine Überzeugung: „Diejenigen, die aufs Auto angewiesen sind, dürfen nicht durchs Raster fallen.“ Der Anteil des Autoverkehrs müsse sinken, aber Verkehrsmittel dürften „nicht in gut und böse“ eingeteilt werden. Der Straßenraum solle für schwächere Verkehrsteilnehmer:innen mehr Platz bieten, ohne Autofahrer:innen zu „bestrafen“.
„Es ist einfach nicht gut, wenn in einer Stadtregierung ständig Streit ist und wenn man nicht an einem Strang zieht.“
Viel zu langsam geht es den Oppositionsparteien im Bereich Bildung. Sowohl der Schulbau als auch die Digitalisierung kämen nicht schnell genug voran, kritisiert Rinn. Pauli sagt: „Dass wir im Westend fünf Gymnasien haben und in Nied keine einzige weiterführende Schule, finde ich unfassbar.“ Josef entgegnet, das Ausbautempo mit WLAN sei verdreifacht worden, „so dass wir jährlich bei 100 Schulen sind“, 9000 Laptops seien verteilt worden. Der SPD-Chef möchte, dass die Schulen wieder geöffnet werden, mit Corona-Tests und Hygienekonzept. Auch Kößler sieht die Stadt auf einem guten Weg bei der digitalen Ausstattung.
Feldmayer moniert dagegen schwere Versäumnisse. „Die Digitalisierung in den Schulen ist erst am Anfang – da müssen wir wesentlich schneller werden.“ Das Problem sei, dass zwei Dezernate sich darüber gestritten hätten: „Welche Farbe soll das WLAN haben, rot oder schwarz?“ So sei „nichts zustande gekommen“. Bei der digitalen Ausstattung gehe es auch um soziale Gerechtigkeit. Und: Immer noch seien überwiegend Frauen mit dem Homeschooling der Kinder beschäftigt. „Wir wollen nicht zurück in die feministische Steinzeit“, sagt sie.
„Ich bin der Meinung, dass wir mit Impfungen und Tests und ausgedünntem Unterricht wieder in den Präsenzunterricht gehen müssen.“
Besonders kontrovers: das Thema Wohnen und Bauen. Während FDP-Frau Rinn auf Sozialwohnungsbau verzichten und bedürftigen Familien dafür Wohngeld zahlen will, fordert die Linke Pauli etwa für die Günthersburghöfe im Nordend, dort solle die städtische ABG Sozialwohnungen bauen. „Das ist eine ökologisch sensible Stelle. Und der private Investor freut sich schon.“
„Sollen private Investoren in Frankfurt etwa nicht mehr bauen dürfen?“, fragt FR-Reporter Christoph Manus. „Was dabei herauskommt, haben wir in den letzten Jahrzehnten gesehen“, insistiert Pauli. „Ein Großteil der Misere kommt von diesen privaten Investoren.“ Die Firma Instone habe auf den Flächen für die Günthersburghöfe „nichts verloren“.
Grundsätzlich haben wir die größten Übereinstimmungen mit der CDU, aber er [Nils Kößler] hat ja gesagt, er will mich nicht, dann ist es halt so.“
CDU und SPD sehen es anders, wollen die Günthersburghöfe in der geplanten Form mit 1500 Wohnungen bauen, davon 30 Prozent geförderten Wohnraum, und loben die ökologischen Standards des Projekts als so hoch wie selten zuvor. Die Grüne Martina Feldmayer bleibt bei dem Beschluss ihrer Parteibasis: Nur bereits versiegelte Flächen dürfen mit den Günthersburghöfen bebaut werden.
Sympathisierende und Parteimitglieder der Spitzenleute des FR-Stadtgesprächs streiten virtuell mit.
Dafür muss sie sich nicht nur von den Koalitionspartnern Vorwürfe anhören. Mike Josef nennt es „unehrlich“, dass die Grünen für die Europäische Schule in den Mainwasen den größten Eingriff in den Grüngürtel seit 1989 mittrügen, aber Gleiches im Nordend nicht ermöglichen wollten. Nils Kößler sieht eine „Rolle rückwärts“ der Grünen beim „beispielhaften Projekt Günthersburghöfe“.
Annette Rinn spekuliert, sie sei gespannt, wann die geplanten Baugebiete Bonames Ost, Hilgenfeld und „Josefstadt“ an der A5 durch die Grünen-Parteitage gingen: „Dann bleibt davon wahrscheinlich auch nichts mehr übrig.“ Feldmayer verteidigt sich: „Wer so redet, hat nichts verstanden.“ Es sei der Krise geschuldet, dass die Gesellschaft etwas fürs Klima tun und alles vom Grün her denken müsse: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“
„Dass wir im Westend fünf Gymnasien haben und in Nied keine einzige weiterführende Schule, finde ich unfassbar.“
Letzte Runde: Was wird nach der Wahl, wer mit wem? Pauli steht bereit für eine Koalition, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen in einem sicheren Hafen Frankfurt engagiert. Feldmayer für eine Verbindung, die einen sozial-ökologischen Aufbruch ermöglicht. Rinn sieht grundsätzlich die größten Übereinstimmungen mit der CDU, aber, mit Blick auf Kößler: „Er hat ja gesagt, er will mich nicht, dann ist es halt so.“
Kößler will den Willen der Wählenden abwarten und verlangt Kurskorrekturen, besonders beim Wohnungsbau. Und Josef sagt als einziger, mit wem er definitiv nicht koalieren will: mit der AfD „und anderen Parteien, die menschenverachtend sind“. Ansonsten: „Lassen wir doch die Wählerinnen und Wähler entscheiden.“
„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“
Die Frankfurter Rundschau bietet weitere interaktive Aktionen zur Kommunalwahl in Frankfurt. Unser Wahl-Kompass, entwickelt mit der Universität Münster, ermittelt interaktiv, welche Liste den eigenen inhaltlichen Positionen nahe kommt.
Welche Positionen vertreten die Parteien in der Verkehrspolitik? Wollen sie in der Corona-Krise sparen oder investieren? Und wo stehen sie im Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Wohnungsbau? Um Fragen wie diese geht es im Wahl-Kompass. Die FR hat dafür alle Listen angeschrieben, die bei der Kommunalwahl am 14. März in Frankfurt antreten.
Insgesamt können Interessierte zu 30 Themen Stellung nehmen. Zu den Mieten in Frankfurt stellen wir etwa die Aussage auf: „Alle Mieten in der Stadt sollen in den nächsten fünf Jahren nicht erhöht werden dürfen.“ Sie haben die Wahl. Sie können vollkommen zustimmen, zustimmen, sich neutral verhalten, nicht zustimmen oder überhaupt nicht zustimmen.
Die Welche Rolle spielen Wohnen, Mobilität, Bildung, Wirtschaft, Kultur und Umwelt in der Kommunalwahl in Frankfurt? Die Frankfurter Rundschau analysiert die Positionen der Parteien in Frankfurt - und bringt dazu auch Video-Gespräche mit dem Römer-Team der FR. Dieses Infopaket bündelt wir in unserem Dossier.