Historische Fotos in Frankfurt: Erinnerungen an eine ferne Zeit

Das Frankfurter Haus am Dom schaut mit inzwischen historischen Fotografien von Andreas Varnhorn und Dirk Eisermann hinter den längst gefallenen Eisernen Vorhang.
So schnell fliegt manchmal die Zeit vorbei: Die ältesten Fotografien von Dirk Eisermann und Andreas Varnhorn, die das Frankfurter Haus am Dom in einer großen Ausstellung zeigt, sind gerade einmal 40 Jahre alt. Viele werden sich noch an die ikonischen Bilder aus den 1980er Jahren erinnern, die auf den Titeln von Zeitschriften wie „Stern“ und „Spiegel“ und in sämtlichen Tageszeitungen den Fall des Eisernen Vorhangs und das Ende des Ostblocks dokumentierten.
Es war ein Untergang mit Ansage, das erscheint heute noch viel deutlicher als damals, als Varnhorn und Eisermann unabhängig von einander Polen, die damalige CSSR und Ungarn für ihre Bildreportagen erkundeten. Und es ist schon ein eigenartiger, fast unglaublicher Zufall, dass die beiden Fotografen zeitgleich am selben Ort das selbe Ereignis festhielten, das inzwischen schon in den Geschichtsbüchern steht.
Am 19. August 1989 war an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Sopron ein „paneuropäisches Picknick“ eigentlich als kleines Fest mit Symbolcharakter angekündigt. Nur ganz wenige Fotojournalisten seien damals vor Ort gewesen, berichten beide. In Ungarn harrten zu dieser Zeit Tausende von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern aus, die ihr Land verlassen wollten. Die Bilder vom Flüchtlingstreck durch die Kornfelder in die Freiheit, die Varnhorn und Eisermann an diesem 19. August machten, sind immer noch höchst eindrucksvoll. Für die Ausstellung bilden sie einen Schlusspunkt.
Bilder aus dem Ostblock
Die Ausstellung „Aufbruch im Osten – VR Polen und CSSR in den 80er Jahren“ ist vom 2. Juni bis zum 30. August im Frankfurter Haus am Dom am Domplatz zu sehen, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr, bei Abendveranstaltungen auch länger.
Die Vernissage am Mittwoch , 1. Juni, beginnt um 19.30 Uhr mit der Podiumsdiskussion „Go West? Zur Bedeutung der EU- Osterweiterung für die polnische und tschechische Community in Frankfurt“. Die Einführung übernimmt Andrzej Kaluza vom Deutschen Polen Institut in Darmstadt. Der Eintritt ist frei, für die Vernissage ist allerdings eine Platzreservierung unter hausamdom@bistumlimburg.de erforderlich.
Andreas Varnhorn, geboren 1961 in Bremen, lebt seit 2003 in Bad Vilbel. In der Ausstellung sind Bildreportagen aus Warschau (1988), Prag (1988 und 1993) und Ungarn (1989) zu sehen.
Dirk Eisermann, geboren 1957 in Hamburg, lebt heute in Lauenburg an der Elbe. Die Ausstellung zeigt Bilder, die in den 1980er Jahren in Polen entstanden, und Bilder aus Ungarn von 1989. aph
„Ich muss gestehen, ich war damals in einer moralischen Zwickmühle“, berichtet Eisermann. „Ich war für eine Reportage mit den Grenzern Streife gegangen und wusste, wo die Löcher im Zaun waren. Das konnte ich nicht für mich behalten. Ich habe sogar Menschen im Kofferraum mitgenommen. Das habe ich aber nicht als ,Stern‘-Fotograf für eine gute Story gemacht, sondern als Mensch Dirk Eisermann. Ich hätte auch niemals jemanden zur Flucht überredet. Kein Bild in der Ausstellung ist inszeniert.“
Eine Familie, der Eisermann damals bei der Flucht in den Westen half und deren Bild auf dem „Stern“-Titel war, lebt heute in Michelstadt im Odenwald. Sie sind im Laufe der Jahrzehnte zu Freunden geworden, er hat sie natürlich auch zur Ausstellung eingeladen, wo die Bilder von damals zu sehen sind. „Leider habe ich die Leute, die ich damals in Ungarn kennenlernte, aus den Augen verloren“, sagt Varnhorn. „Ich hätte sie auch gerne wiedergesehen.“
Beide Fotografen haben – obwohl sich ihre Bilder im Haus am Dom nun bestens ergänzen – nie zusammengearbeitet, und doch kreuzten sich ihre Wege nicht nur an der ungarisch-österreichischen Grenze. „Ich war 1989 beim Sturz des rumänischen Diktators Ceaucescu in Temeschwar, das war sehr dramatisch. Unser Hotel wurde von besoffenen Soldaten vor dem Geheimdienst geschützt. Man wusste nicht, wie beide Seiten reagieren würde“, berichtet Varnhorn. „Ich war im selben Hotel“, meint Eisermann beim Gespräch mit der Frankfurter Rundschau verblüfft.
Nun zeigt die Ausstellung aber bei weitem nicht nur Katastrophen und Verzweiflung, sondern viele Bilder sind atemberaubend schön, ja, sie könnten angesichts der manchmal inmitten der sozialistischen Tristesse eingefangenen Idylle nostalgisch machen. Doch darf man auch angesichts der Schönheit nicht vergessen, wie hart die Unterdrückung in den Ländern hinterm Eisernen Vorhang war.
Überwachung, Willkür, Unfreiheit waren so selbstverständlich wie die langen Schlangen vor den Geschäften, die Reisebeschränkungen oder die verordneten Demonstrationen. Und es ist doch erstaunlich, wie sich Osteuropa seither verändert zu haben schien. „Als wir die Ausstellung 2020 konzipierten ahnten wir noch nichts von der heutigen Situation, vom Krieg in der Ukraine. Jetzt fängt wieder eine ganz neue Zeit an“, sagt Varnhorn.
Die Ausstellung „Aufbruch im Osten – VR Polen und CSSR in den 80er Jahren“ ist vom 2. Juni bis zum 30. August im Frankfurter Haus am Dom am Domplatz zu sehen, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr, bei Abendveranstaltungen auch länger. Die Vernissage am Mittwoch, 1. Juni, beginnt um 19.30 Uhr.
