Hier ist Prahlhans Jägermeister
Das Amtsgericht verhandelt den gewaltsamen Tod einer Saatkrähe in den Oberräder Feldern
Was Herr S. beruflich macht, bleibt am ersten Verhandlungstag unklar. Wahrscheinlich hat er eine führende Position im erbsenzählenden Gewerbe oder der prahlverarbeitenden Industrie. In seiner Freizeit schießt der 37-Jährige jedenfalls gerne Tiere tot und hat für dieses schöne Hobby eigens ein Jagdrevier in den Oberräder Feldern gepachtet. Und geht dort Tieren, Tierfreunden, Spaziergängern und Anwohnern nach Waidmannsart auf die Nerven. Auch den Ortsbeirat hat S. schon beschäftigt.
Am Donnerstag beschäftigt sich nun das Amtsgericht mit ihm. Weil er Einspruch gegen einen Strafbefehl über 50 Tagessätze à 50 Euro wegen Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz eingelegt hat. Er soll am 6. November 2020 in den Oberräder Feldern eine Krähe erschossen haben - wenn auch nicht gerade per Blattschuss. Allerdings keine Rabenkrähe (erlaubt), sondern eine artengeschützte Saatkrähe (verboten).
Stimmt gar nicht, sagt S. Wenn er die Krähe erschossen hätte, „dann wäre von dem Tier nicht mehr viel übriggeblieben, da hätten Sie da durchschauen können“, so ein tolles Schießgewehr habe er. Noch toller aber sei er am Abzug. „Ich bin so ein guter Schütze“, lobt sich S. Er habe seine Jagdprüfung in Hessen bestanden. Die hessische gelte als „schwerste Jagdprüfung der Welt“. Und er könne ja wohl eine Raben- von einer Saatkrähe unterscheiden, seine Augen zählten zu den schärfsten der Welt, „null, null auf beiden, ich erkenne eine Saatkrähe auf 60 Meter, bei Dämmerung auf 35“. Und er habe ein „Präzisionsgewehr“. Mit dem könnte er wohl, wenn er wollte, dem Vogel noch bei Dämmerung aus einer Distanz von 1267,5 Metern die Kippe aus dem Schnabel schießen. Aber er will nicht.
Nach all der Beweihräucherei und einem langatmigen Diskurs über Zerstörungskraft pro Kilojoule kommen dann tatsächlich auch noch Zeuginnen zu Wort. Es sind zwei Tierschützerinnen, die zu dem Kreis gehören, der schon seit langer Zeit mit dem Jägersmann - selbstlobesam - auf Kriegsfuß steht und ihn immer wieder mal anzeigt. Normalerweise haben diese Anzeigen keinen Erfolg. Diesmal schon.
Der Jäger aber ballert mit Anzeigen kräftig zurück. Und ist ein bisschen beleidigt. Statt sich zu freuen, dass der größte Jäger aller Zeiten ausgerechnet in den sonst unbedeutenden Oberräder Feldern Vögel kaputt schieße, moserten die nur rum, redeten im Internet schlecht über ihn und hätten sogar ein paarmal versucht ihn zu entwaffnen. Hat natürlich nicht geklappt.
Waidmannskeptiker behaupten, S. gefährde mit seinem Rumgeballere auch ungefiederte Arten wie Hunde und Kinder. Der Jägersmann hat zu dieser Thematik bereits im Mai 2020 der „Frankfurter Neuen Presse“ einen Satz gesagt, der von bizarrer Schönheit ist: „Solange Kinder und Hunde keine schwarzen Federn tragen und sich aus dreißig Metern Höhe die Grüne Soße von oben anschauen, wüsste ich nicht, wie ich diese Gruppe gefährden könnte.“ Nicht mit diesen scharfen Augen. Und der ruhigen Hand. Und dem trefflichen Schießprügel.
Der Prozess wird fortgesetzt.