Trotz sinkendem Absatz auf dem hessischen Biermarkt können die kleinen Brauereien in Nischen gut arbeiten.
Craft-Beer belegt eine Nische, in der sich durchaus wirtschaftlich arbeiten lässt“, sagt der Frankfurter Hotel- und Gastroberater Andreas Eggenwirth. Das Produkt Bier sei ja nicht total out, „nur weil andere glauben, damit zu wenig Profit machen zu können“. Siehe Binding. Gerade Bier mit Lokalkolorit komme gut an. „Das ist unser Bier“, sagt Eggenwirth und lacht.
So ähnlich sieht das auch Sven Weisbrich, Geschäftsführer der Frankfurter Brauunion. Wobei er sein Produkt jetzt nicht als Craft-Beer bezeichnen würde. „Wir machen nicht so etwas Kompliziertes“, sagt er. Die Brauunion setzt auf ein Helles, das mit relativ viel Hopfen gebraut ist, also geschmacklich dem Pils nahe kommt. „Es ist nicht so süß wie die aus Südbayern.“ Der Name mutet kurios an: Frankfurter Helles, heißt es nämlich. Allerdings sind die meisten Buchstaben dabei durch ein X ersetzt. Es ist zwar ein lokales Bier, wird aber noch nicht in Frankfurt gebraut.
Das soll sich ändern, sagt Weisbrich, mittelfristig. Aktuell eine Brauerei zu eröffnen, sei schwer. Erst einmal eine zentral gelegene Fläche dafür zu finden. Vorerst setze die Brauunion darauf, Biergärten und Ausschank zu erobern. Da stört Weisbrich auch nicht, dass mit dem neuen Hellen von Hassan Annouri ein Mitbewerber auf den Markt drängt. „Wir begrüßen alles, was die Bier- und die Ausgehkultur voran- bringt“, sagt Weisbrich.
Das schließt dann auch den Apfelwein mit ein. Wobei der ohnehin keine so starke Konkurrenz zum Bier sei, findet Gastrofachmann Eggenwirth. Der Apfelweinkonsum beschränke sich auf die „paar lauten Gaststätten“ in Sachsenhausen und womöglich noch Bornheim. Bier gebe es dagegen überall, in der Innenstadt, beim Italiener, beim Thailänder. Eher habe die Pandemie ein Loch in den Markt gerissen, sagt Eggenwirth. Sie hat zumindest den Absatz in der Gastronomie wegbrechen lassen, auch auf Festen, war ja alles zu oder ist ausgefallen.
„Da sind einige in Schieflage geraten.“ Etwa die Flügge-Brauerei aus Goldstein. 2018 gegründet, sei eigentlich alles nach Plan gelaufen, schreiben die Geschäftsführer Dominik Pesch und Joachim Amrhein auf ihrer Facebookseite. Als Nische haben sie sich Produkte außerhalb des ewigen Deutschen Reinheitsgebots erschaffen, haben auf interessante Zutaten und neue Geschmacksrichtungen gesetzt. Was gut angekommen sei.
Die Pandemie 2020 sei auch gerade noch zu verkraften gewesen. Die aktuellen Preissteigerungen bei Rohstoffen, Logistik, Energie und Verpackungen dann nicht mehr, zumal „zeitgleich der Absatz zurückgeht“. Tatsächlich steigt die Zahl der Brauerein in Hessen, 1995 waren noch 54 Betriebe aktiv, 2022 waren es laut Deutschem Brauereiverband ganze 75. Ein deutschlandweit zu beobachtender Trend, was allerdings auch für den Absatz gilt. Der sank von 94,6 Millionen Hektokliter 2013 auf 85,3 Millionen Hektoliter 2021.
Fachmann Eggenwirth sieht dennoch gerade die kleinen Brauereien im Vorteil. Zumindest was Geschmack und Kundenbindung angehe. Bei den großen Brauereien gehe es nur darum, günstig einzukaufen, Gerste, Hopfen, Malz und die Produktion zu verschlanken. Also Geld zu sparen. Geschmacklich hätten sie sich zum Großteil angeglichen. Da gebe es das besonders herbe und ein recht süßes Pils. Und ein dicht gedrängtes Mittelfeld dazwischen. Nicht einmal die Produzenten selbst könnten da noch Unterschiede schmecken, stichelt Eggenwirth. Er sei bei entsprechenden Blindverkostungen dabei gewesen. „Da haben die kleinen Brauereien die Möglichkeit, sich abzuheben.“
In der Gastronomie hätten es die kleinen Biere aus einem anderen Grund schwer. „Die großen Brauereien agieren oft als heimliche Banken.“ Was heißt: Sie stellen durchaus mal eine neue Theke oder Einrichtung oder Schirme für die Außenfläche. Als Darlehen, das über den Bierabsatz zurück- gezahlt werden könne.
Dennoch sieht er einen Vorteil in der Regionalität der kleinen Brauereien. Vor Ort zu sein, mit Herzblut zu arbeiten. Das Ambiente. Die gewisse Transparenz, die entsteht, wenn die Gäste das Sudhaus besuchen können und dem Brauer bei der Arbeit zuschauen. Glaabsbräu aus Seligenstadt, führt Eggenwirth noch als Beispiel an. Nicht nur habe sich die Brauerei runderneuert. Sie habe auch die Landwirte in der Umgebung überzeugt, die Gerste fürs Bier anzubauen. „Die müssen gar nicht mehr importieren.“