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Hartz 4: Strengere Prüfungen - Höhere Wartezeit

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Von: Hanning Voigts

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Bisher war es üblich, von Hartz-IV-Empfängern Kontobelege der letzten drei Monate zu verlangen.
Bisher war es üblich, von Hartz-4-Empfängern Kontobelege der letzten drei Monate zu verlangen. Dass sich das nun geändert hat, macht in Frankfurt Probleme. © imago images/Future Image

In Frankfurt führt die strengere Prüfung bei Hartz 4 bei Betroffenen zu existenziellen Problemen.

Frankfurt – Martha L. lag gerade im Krankenhaus, als ihr klarwurde, dass etwas nicht stimmte. L., die eigentlich anders heißt, schwer krank ist und schon länger von Hartz-4-Leistungen lebt, merkte nach einer Operation eher zufällig, dass ihr Geld vom Jobcenter nicht gekommen und ihr Konto leer war. Entsprechend war auch ihre letzte Miete nicht an ihren Vermieter gegangen. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, sagt L.

Noch vor dem Krankenhausaufenthalt, so schildert es L., habe sie einen Weiterbewilligungsantrag für ihr Arbeitslosengeld II gestellt und alle Unterlagen eingereicht.

Im Krankenhaus erreichte sie dann Post vom Jobcenter: Sie habe nicht ausreichend Kontoauszüge eingereicht und es gebe zudem einen unklaren Geldeingang auf ihrem Konto, hieß es. Hartz-4-Geld bekam sie erst mal keins. Und auch nach einer Anhörung gab es weiter Probleme. Sie habe große Sorgen, dass sie ihre Miete nicht regelmäßig zahlen könne, wenn sich die Auseinandersetzungen mit dem Amt hinzögen, sagt L. Ihr sei klar, wie schnell man bei Mietschulden seine Wohnung verliere. „Ich fühle mich völlig ausgeliefert.“

Erst der Traumjob, dann Hartz IV

Hartz 4: Erwerbslose in Frankfurt haben mit Problemen bei Behörde zu kämpfen

Solche Geschichten zu Hartz 4 hört Harald Rein seit September häufiger. Beim Frankfurter Arbeitslosenzentrum (FALZ) im Nordend berät er Erwerbslose bei Problemen mit den Behörden. Er erlebe seit einigen Monaten mehrfach täglich Beratungsfälle, bei denen es darum gehe, dass Menschen ihre Hartz-4-Leistungen nicht rechtzeitig bekämen. „Wir haben permanent Leute, die auf ihre Geld warten“, sagt Rein. Offenbar habe das Jobcenter Frankfurt seinen Umgang mit den Leistungsempfängern zuletzt verändert. „Es sieht wie eine Verschärfung aus, auch für die Betroffenen.“

Bei vielen der Problemfälle geht es laut Rein um die Vorlage von Kontoauszügen. Bisher war es üblich, von Hartz-4-Empfängern Kontobelege der letzten drei Monate zu verlangen, um deren Einkommensverhältnisse überprüfen zu können. Seit März wurde der Bewilligungszeitraum für das Arbeitslosengeld II allerdings auf ein Jahr verlängert. Seitdem dürfen die Jobcenter Kontoauszüge der letzten sechs Monate verlangen.

Frankfurt: Hartz-4-Empfänger kennen neue Regelungen nicht

Das Problem sei, sagt Rein, dass viele Hartz-4-Empfänger von dieser Änderung gar nichts wüssten. Sie reichten also ihre Unterlagen, gerade bei Weiterbewilligungsanträgen, wie gewohnt ein und bekämen dann Post, dass Auszüge fehlten. Viele hätten diese nicht mehr zu Hause, müssten sie kostenpflichtig neu bei der Bank ziehen – und solange nicht alles vorliege, zahle das Jobcenter kein Geld. 

Kürzlich sei eine Familie mit fünf Kindern in eine „existenzielle Krise“ geraten, weil sie die geforderten Kontoauszüge für Hartz 4 nicht rechtzeitig habe vorlegen können. Die Beratungsstelle habe der Familie letztlich Geld für Lebensmittel leihen müssen. In anderen Städten im Rhein-Main-Gebiet bestehe das Problem in diesem Ausmaß nicht.

Dazu kommt, dass Rein den Eindruck hat, dass die Auszüge beim Jobcenter schärfer geprüft werden. Bei Martha L. gab es beispielsweise ein Problem wegen 150 Euro. Die habe sie ihrer Mutter geliehen und die habe ihr das Geld dann überwiesen, sagt L. Dazu habe sie dem Amt Belege einreichen sollen, die Auszahlung ihrer Bezüge habe sich verzögert. Solche Nachfragen seien auch früher üblich gewesen, sagt Rein. „Aber bei weitem nicht in dieser Intensität.“

Hartz-4-Sanktionen sind teilweise verfassungswidrig

Hartz 4: Jobcenter in Frankfurt hat Zeiträume "angepasst"

Außerdem gebe es öfter Auseinandersetzungen um Schwärzungen bei den Auszügen. Grundsätzlich dürfen Hartz4-Empfänger Teile ihrer Auszüge schwärzen, um Details ihrer Lebensführung zu schützen. Doch immer wieder gebe es Streit mit dem Jobcenter, weil das Amt fordere, erkennen zu können, für was das Geld ausgegeben werde, sagt Rein. Datenschutzrechtlich sei das durchaus problematisch.

Das Frankfurter Jobcenter teilte der Frankfurter Rundschau auf Nachfrage mit, die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit von Antragstellern erfolge „seit jeher durch die Vorlage von Kontoauszügen“. Da das ALG II mittlerweile zwölf Monate gewährt werde, habe man den Zeitraum der vorzulegenden Kontoauszüge „angepasst“. Eine Sprecherin sagte der FR, man handle nach bundesweit gültigen Weisungen, auch bei der Überprüfung der Kontoauszüge. Wieso beim FALZ der Eindruck entstehe, Frankfurt prüfe härter als andere Städte, könne sie nicht nachvollziehen.

Susanne Ferschl, Fraktions-Vize der Partei Die Linke im Bundestag, glaubt, dass Hartz 4 für viele Menschen den sozialen Absturz bedeute. Wer arbeitslos werde, dürfe nicht länger in die Armut getrieben werden, schreibt sie in einem Gastbeitrag für fr.de.* Unterdessen kritisiert die Linke, dass immer mehr Beschäftigte trotz Job mit Hartz IV aufstocken* müssen.

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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