Frankfurt: Haftstrafe für Tod der Tochter

Landgericht verurteilt Mutter wegen Körperverletzung mit Todesfolge / Schlafmittel in der Abendmilch
Das Landgericht hat am Dienstag eine 29 Jahre alte Frau wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Sie hatte im Dezember 2021 den Tod ihrer 21 Monate alten Tochter verschuldet. Weil sie mit dem quirligen Mädchen heillos überfordert war, hatte sie ihm zuvor schon seit Monaten Sedativa in die Nachtmilch gemixt, darunter auch ein für Kinder absolut ungeeignetes Schmerzmittel, von dem sie selbst abhängig war.
Als sie am Morgen das tote Kind in seinem Bett vorgefunden und sofort die zutreffende Ahnung hatte, dass sie für den Tod verantwortlich war, täuschte sie einen Unfall vor. Sie warf die Kinderzimmerkommode um, fügte dem leblosen Körper Druckstellen zu und behauptete, das Kind sei beim nächtlichen Spielen wohl verunglückt und von der Kommode erschlagen worden. Mit dieser Behauptung kam sie auch wochenlang durch. Erst die Obduktion der Leiche brachte Hinweise auf eine Vergiftung - und die Klarheit, dass die Druckstellen am Körper des Kindes nach dessen Tod entstanden waren. Ein Geständnis hatte die Frau erst während des Prozesses abgelegt.
Ursprünglich lautete die Anklage auf Mord. Als Mordmerkmal sah die Staatsanwaltschaft Heimtücke, die vorliegt, wenn die Arg- oder Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt wird. Ein Kleinkind ist zumindest juristisch stets arg- und wehrlos, und auch das Austricksen der kindlichen Abwehrreflexe gegen die bittere Medizin durch Mischen in die süße Nachtmilch darf man als heimtückisch werten.
Allerdings ging die Kammer unter dem Vorsitz von Jörn Immerschmitt nicht davon aus, dass die Frau den Tod ihrer Tochter gewollt oder auch nur billigend in Kauf genommen habe. Sie habe damit schlicht nicht gerechnet. Ein klarer Vorsatz könne daher nur für die Körperverletzung gelten, denn das das Verfüttern von Schmerz- und Schlafmitteln an Kleinkinder gefährlich und schädlich ist, sei ihr bewusst gewesen. Der Drogencocktail, so Immerschmitt, sei selbst bei einem Kleindind nicht zwangsläufig „tödlich, aber toxisch“ gewesen.
Laut Urteilsbegründung war die Frau durchaus eine liebevolle Mutter, auch für ihre andere siebenjährige Tochter. Allerdings scheue sie auch nicht davor zurück, ihre eigenen Interessen über das Wohl ihrer Kinder zu stellen. So habe etwa die Verweigerung eines Geständnisses vor dem Prozess und die damit verbundene U-Haft eine vorübergehende Inobhutnahme der älteren Tochter durch das Jugendamt nötig gemacht, was deren ohnehin schon schlimme Situation nicht verbessert habe.
Die Jugend der Täterin war wohl auch eine miserable. Als sie sieben Jahre alt war, brach bei ihrem Vater eine schizophrene Erkrankung aus, die ihn zusehends gewalttätiger machte. Der neue Partner, den sich ihre Mutter suchte, erwies sich als unleidlicher Kontrollfreak, der Partner ihrer Stiefschwester missbrauchte sie sexuell, sie brach die Schule ab, erkrankte an Bulimie und rutschte schließlich in die Tablettensucht, deren Ausmaß sie weitgehend vor ihrer Umwelt geheimhalten konnte.
Auch zur Tatzeit war ihre Lebenssituation weniger als prekär: Ihr Partner und Vater der zwei gemeinsamen Töchter rutschte in eine Depression, wurde arbeitsunfähig und bekam Krankengeld Sie hatte Privatinsolvenz angemeldet und hielt sich über Wasser, indem sie in einer Bäckerei jobbte. Dabei erwies sich ihre zweite Tochter als belastend. Das von vielen Zeugen als „Wirbelwind“ beschriebene Kind war oft schon nachts um Drei hellwach und verlangte nach Aufmerksamkeit - die sie nicht geben konnte.