Günthersburghöfe in Frankfurt: Protest in den Bäumen

Die Besetzerinnen und Besetzer in der „Grünen Lunge“ trauen den Frankfurter Grünen nicht. Sie fürchten, dass zahlreiche Bäume für Luxuswohnungen weichen müssen.
Mitten in der Wildnis spielen Namen keine Rolle. Und so sitzen der Presse am Dienstagvormittag Alex und Philipp, Johanna und Hummer gegenüber, und manche von ihnen sagen ganz offen, dass auch diese Vornamen ausgedacht sind, Nachnamen sind eh nicht wichtig. Aber Fotos dürfen und sollen gemacht werden – wobei die meisten der Menschen, die die „Grüne Lunge“ retten wollen, weitaus mehr im Gesicht tragen als den obligatorischen Mund-Nasen-Schutz. Angesagt sind Sturmhauben – wie es eben üblich ist bei einer Aktion, die über kurz oder lang in einen rechtlichen Graubereich führen könnte.
Seit Dienstag ist die „Grüne Lunge“, jenes für das Baugebiet Günthersburghöfe vorgesehene, knapp 17 Hektar große Gelände östlich der Friedberger Landstraße im Frankfurter Nordend, besetzt. Konkret bedeutet das: Eine „zweistellige Zahl“ (auch Zahlen sind in der Wildnis nicht so wichtig) von vorwiegend jungen Leuten sind dabei, in den verwilderten Gärten Baumhäuser zu errichten und diese teils mit Seilen zu verbinden. Einige der Frauen und Männer haben Erfahrung mit solchen Aktionen und waren vor kurzem erst im Dannenröder Forst, um das Waldgebiet im Mittelhessen zu verteidigen. Das misslang, die Polizei räumte das Gebiet, die Autobahn 49 wird weitergebaut.
In der „Grünen Lunge“ soll es dazu nicht kommen. Die Besetzerinnen und Besetzer lehnen die Pläne, einen Teil des Wildwuchses für den Bau von Wohnungen zu opfern, entschieden ab. So entschieden, dass sie sagen: Wenn die Bagger anrücken, bleiben wir auf den Bäumen sitzen. Das klingt entschlossen und auch ein bisschen martialisch. Tatsächlich aber befindet sich die Planung in einem ziemlich frühen Stadium. Bis die Baumaschinen im Frankfurter Nordend anrücken, würde es vermutlich noch Jahre dauern.
Angst vor Gentrifizierung
Wenn sie überhaupt anrücken. Denn die Grünen, die die Kommunalwahl gewonnen haben, haben sich in ihrem Wahlprogramm darauf festgelegt, dass nur die versiegelten Flächen bebaut werden sollen. Zwar war der Vorstand gegen diesen Vorstoß aus der Stadtteilgruppe Nordend, zumal die Bebauung östlich der „Friedberger“ ursprünglich sogar ein Vorhaben des grünen Planungsdezernenten Olaf Cunitz (siehe nebenstehendes Interview) war. Aber die Basis setzte sich durch. Insofern dürfte die Zukunft der „Grünen Lunge“ ein entscheidender Punkt bei den Sondierungsgesprächen sein, die die Grünen derzeit mit den anderen Parteien im Römer führen.
Doch Philipp und Johanna, Alex und Hummer und auch Thea von „Fridays for Future“ trauen den Grünen nicht mehr. „Wir sind grün, was seid ihr?“, steht auf dem Transparent, das sie für die Pressekonferenz ausgerollt haben. Zu groß ist die Enttäuschung über die Rodung des Waldstücks im Dannenröder Forst, für die sie nicht zuletzt die Grünen in der Landesregierung verantwortlich machen. Und zu wichtig ist den Besetzer:innen das Gebiet im Nordend, das entscheidend für das Stadtklima sei. Frankfurt brauche die „Grüne Lunge“, sagt Alex: „Sie hören doch, wie die Vögel hier zwitschern, es ist einfach wichtig, Natur in der Stadt zu haben.“
Aber braucht Frankfurt nicht auch Wohnraum? Schon, aber doch bitte keine Luxuswohnungen, wie sie in den Günthersburghöfen geplant seien, so Alex: „Hier entstehen Häuser für Leute, die viel Geld haben.“ Die Folge wären weiter steigende Mieten im Nordend – und damit die weitere Gentrifizierung, also die Vertreibung von Menschen, die schon lange im Viertel wohnen, sich das Nordend dann aber nicht mehr leisten können.
Hätten die Besetzerinnen und Besetzer Planungsdezernent Mike Josef (SPD) zur Pressekonferenz eingeladen – er wäre spätestens an dieser Stelle aufgesprungen und hätte die Planungen sehr lautstark verteidigt. Josef kämpft für die Bebauung der Günthersburghöfe, er verweist regelmäßig auf die geförderten Wohnungen, die entstehen sollen. Doch die Menschen in den Bäumen könnte der Sozialdemokrat nicht überzeugen. Sie sehen ihren Gegner vor allem im Projektentwickler Instone, der gemeinsam mit der städtischen ABG die Wohnungen bauen will. Philipp jedenfalls spricht von einer „kapitalistischen Rechnung“, in der der Wert der Natur nicht auftauche.
Dass demnächst die Polizei an der Friedberger Landstraße vorfährt, ist nicht zu erwarten. Die Besetzerinnen und Besetzer haben ihre Hütten mit Zustimmung der Gartenpächter:innen errichtet. Wie lange sie bleiben, wird am Dienstag nicht ganz klar. Zumindest während der Koalitionsverhandlungen bleibt die „Grüne Lunge“ besetzt – doch manche der Aktivistinnen und Aktivisten können sich auch vorstellen, länger auf den Bäumen zu leben.
