Grundschulen schlagen Alarm

Frankfurts Schulleiter monieren den Lehrermangel, zu große Klassen und ein zu geringes Gehalt, um die Mieten in Frankfurt zahlen zu können.
Frankfurts Grundschulleiter begehren auf: Zu wenige Lehrer gibt es für sie an den Schulen, zu große Klassen, zu viele Aufgaben, zu wenig Gehalt. Die Arbeitsbelastung sei sowohl zeitlich als auch psychisch kaum zu bewältigen, schreiben 57 Grundschulleiter und 18 Konrektoren in einem Brief an Kultusminister Alexander Lorz (CDU) – es sind rund zwei Drittel der Frankfurter Grundschulen, die hinter der dreiseitigen Erklärung stehen. Die Situation sei für Lehrer und Schulleiter nicht mehr tragbar, sagt Benedikt Gehrling, Sprecher der Frankfurter Grundschulleiter. „Und es ist auch für die Kinder unbefriedigend. Wir können ihnen nicht so gerecht werden, wie wir uns das wünschen.“
Von einer „besonders schwierigen Gemengelage in Frankfurt“ spricht Gehrling. In dieser Stadt sei „die Herausforderung exorbitant“. In den Schulen hätten oft mehr als 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund, viele dieser Kinder kämen ohne ausreichende Deutschkenntnisse in die Schule. Dazu kämen schwer traumatisierte geflüchtete Jungen und Mädchen und behinderte Kinder mit speziellen Bedürfnissen. „Die Probleme sind so multipel, für sie brauchen wir eine bessere Versorgung“, sagt Gehrling. Doch es fehlt an Grundschullehrern, an Förderlehrern. „Derzeit werden Personen eingesetzt, die nicht als Lehrer ausgebildet sind, sagt Gehrling. Sie kämen aus allen möglichen Berufen, vom Theologen bis zum ehemaligen Lufthansa-Mitarbeiter. „Da sind tolle Leute dabei, aber es wäre uns schon lieber, sie wären für die Aufgabe ausgebildet.“
Dass es in Grundschulen an Lehrern mangelt, sieht man auch im Kultusministerium. Fürs nächste Schuljahr rechnet das Ministerium mit 200 bis 300 fehlenden Lehrern an hessischen Grundschulen. An Förderschulen könne die Zahl der unbesetzten Stellen in einer zweistelligen Größenordnung liegen. Deswegen hat Lorz kürzlich ehemalige Lehrer gebeten, ihren Ruhestand zu unterbrechen und in den aktiven Schuldienst zurückzukehren. Auch will man Haupt-, Realschul- und Gymnasiallehrer ohne Anstellung umschulen.
Bedarf war nicht abzusehen
„Das wird nicht reichen“, sagt Gehrling. Die Pensionäre seien sicher gute Lehrer, „aber ab einem gewissen Alter ist man auch erschöpft und sollte sich zurücklehnen dürfen.“ Lehrer für die Grundschule umzuschulen sei sicher keine schlechte Idee. „Sie haben Fachdidaktik gelernt und wissen, wie Schule organisiert ist und arbeitet.“ Doch er bezweifelt, dass sich für Frankfurt da besonders viele melden werden: Die hohen Mieten in der Stadt schreckten viele ab, meint er. „Und als Grundschullehrer verdient man eine ganze Gehaltsstufe niedriger als Gymnasiallehrer, das sind 350 Euro netto im Monat weniger.“
Das Gehalt der Grundschullehrer und die hohen Kosten in Frankfurt spielen für die Leiter eine entscheidende Rolle bei der Gewinnung von neuen Lehrkräften. „Früher haben wir aus benachbarten Bundesländern Lehrer herüberziehen können“, sagt Gehrling. Jetzt würde rundum besser bezahlt oder sei zumindest die Arbeitszeit niedriger. Mit der Arbeitsbelastung und den hohen Mieten in Frankfurt sei es nun schwierig, an Personal zu kommen. Lösung für die Leiter: mehr Gehalt. „Wenn man die Grundschullehrer eine Gehaltsstufe nach oben hievt, dann würde das die Türen zu den Nachbarländern wieder öffnen“, sagt Gehrling.
Im Kultusministerium hat man „nicht den Eindruck, dass es am Geld liegt“, Lehrer nicht für Frankfurt und Hessen gewinnen zu können, sagt Stefan Löwer, Sprecher des Ministeriums. Der Bedarf an Lehrern sei keine hessenspezifische Entwicklung. „Alle Bundesländer stehen vor derselben Herausforderung, alle stellen ein.“ Eine Entwicklung, die so keiner vorausgesehen habe. „Vor drei, vier Jahren noch hat niemand einen Bedarf an Grundschullehrern prognostiziert“, sagt Löwer. Frankfurt als wachsende Stadt sei da ein Sonderfall, „landesweit gesehen gab es aber bisher ausreichend Bewerber.“
Nur im kommenden Schuljahr müsse man nun kurzfristig mit Pensionären und Weiterbildungen gegensteuern. Langfristig wolle man die Ausbildungskapazitäten an den Unis ausweiten.