Großer Andrang vor türkischem Konsulat
Täglich geben tausende Menschen in der Kennedyallee ihre Stimme für Parlamentswahl und Präsidentschaft ab
Der Fahrradweg auf der Kennedyallee stadteinwärts ist teilweise gesperrt, damit keine Unfälle passieren; Tausende Menschen warten geduldig darauf, ihre Stimme für die Wahl am 14. Mai in der Türkei abzugeben. Türken, die in Deutschland leben, dürfen von hier aus seit dem 27. April an der Parlaments- und Präsidentschaftswahl teilnehmen. Allerdings nur persönlich im Generalkonsulat in Frankfurt oder in einem Wahllokal in Kassel. Der Andrang in Frankfurt ist groß.
Bis zur Eschenbachstraße um die Ecke und tief in die Waidmannstraße stehen sie Schlange. Männer, Frauen, Familien, mit Kinderwagen und Rollatoren, Rollstühlen und Handys, in Jeans oder Minirock, Anzug, Jogginghose, mit Kopftuch und ohne. Parkplätze sind in weitem Umkreis nicht zu bekommen, weil so viele von weit her anreisen, um ihre Stimmen abzugeben.
In den Straßen hinter der gegenüberliegenden Seite der Kennedyallee gibt es Dreharbeiten. Die Produktionswagen lassen ebenfalls kaum Raum zum Parken. „Eineinhalb Stunden gefahren, eine Stunde Parkplatz gesucht, 30 Minuten gewartet, bis wir reingekommen sind“, schildert ein Mann aus Fulda, der mit seiner Frau und den beiden Kindern gekommen ist. Sie sind froh, gewählt zu haben. Jetzt wollen sie in die Stadt zum Shoppen.
An einem roten Verkaufsstand vor dem Eingang des Generalkonsulats hat Pina (42) alle Hände voll zu tun. Sie verkauft Simit, traditionelle süßliche Sesamkringel, und Getränke. „Simit isst man gern zum Frühstück, und wer lange wartet, bekommt Hunger und Durst“, sagt die Frau. Sie ist extra aus Nordrhein-Westfalen gekommen, um die Kringel zu verkaufen. „Aus einer großen Produktionsfabrik werden fünf Bäckereien in Offenbach beliefert. Hier gehen jeden Tag mindestens 2000 Kringel weg“, sagt sie stolz.
„Die Fahrbahn muss frei bleiben“, tönt es aus dem Lautsprecher des Polizeiwagens. Eigentlich sorgen die Wachpolizisten Uwe C. und Réne W. für den Schutz des Generalkonsulats, jetzt sind sie gleichzeitig Verkehrspolizei, Auskunftsbüro und Erklärbären. „Manchmal ist es echt heftig“, so C. „Da laufen alte Mütterchen mit ihrem Rollator mitten auf der Straße, und Lkw müssen notbremsen. Dass noch nichts passiert ist, grenzt an ein Wunder.“ Bis zu 5000 Wartende am Tag haben sie schon gezählt. „Am Wochenende geht’s richtig ab.“
Die Straßenreiniger von der FES wollen mit einem kleinen Wagen den Bürgersteig kehren. Es geht nicht. Viel zu viele Leute stehen in der Schlange. Die Wachpolizisten reden mit dem Fahrer der FES, und gleichzeitig wollen mindestens zehn Leute wissen, wo der Ausgang des Konsulats ist, wie sie in die Innenstadt kommen, ob viel abgeschleppt wird und wie Arztpatienten abgeholt werden können. Ein Anwohner bietet den Polizisten Kaffee an. Sie lehnen dankend ab und beantworten die Fragen.
Ein Mann holt fünf Simit. Er kommt aus Eberbach und wollte wählen. „Das ging nicht“, sagt er. „Ich habe früher immer hier gewählt, jetzt habe ich aber auch einen Wohnsitz in der Türkei. Darum musste ich wieder gehen. Ich kann nur in der Türkei wählen. Es ist, wie es ist“, sagt er halb zerknirscht, halb lächelnd.
Ein Fahrer wartet auf ein Ehepaar am Bürgersteig. „Ich stehe seit einer Stunde und zehn Minuten an. Jetzt sind sie drinnen, also können wir bald weiterfahren. Wir waren gestern schon mal hier, da war die Schlange doppelt so lang“, berichtet er und geht um die Ecke, um das Ehepaar am Ausgang abzuholen. Die Stimmung ist entspannt, Fremde plaudern miteinander, zum Teil auf Deutsch, zum Teil auf Türkisch und ganz oft in einem Gemisch aus beidem.
Die Wählerinnen und Wähler kommen mit Bussen, Motorrädern, zu Fuß und mit dem Auto. Für Anwohnerin Rosi K. ist es anstrengend. „Weder mit dem Auto noch mit dem Fahrrad kommen wir aus der Einfahrt raus. Niemand macht Platz“, klagt sie. Ihr Auto hat sie längst woanders geparkt, damit zwei Kolleginnen für eine Besprechung in den Hof fahren können. „Falls sie reinkommen. Handwerker haben schon genervt abgedreht.“ Sie schüttelt den Kopf über den Müll und die Zigarettenkippen überall. „Ich verstehe nicht, warum die Stadt Frankfurt nicht einen Parkplatz außerhalb zur Verfügung stellt und Pendelbusse zum und vom Generalkonsulat einsetzt. Da wäre allen mit geholfen. Jeden Tag von 9 bis 21 Uhr geht das hier so.“
Die Leute in der Schlange nicken zustimmend. Im Konsulat haben Kranke, Alte und Familien mit Kindern Vorrang. Sie dürfen gleich an die Wahlurne. „Wir haben zwei Minuten gewartet“, sagt eine Mutter mit dreijährigen Zwillingen. Sie holt noch Sesamkringel, weil die Kids so brav waren.