„Reichsbürger“-Verein als Mieter: Betreiberfamilie von Restaurant sieht sich getäuscht
In Frankfurt vermietet eine Familie ihr China-Restaurant unwissend an einen „Reichsbürger“-Verein. Nun hofft sie, dass der Verein das Gebäude bald räumen muss.
Frankfurt - Ende Januar, spätestens Anfang Februar könnte der Spuk im Riederwald vorbei sein. Dann wird der Verein Lebensglück, der der „Reichsbürger“-Bewegung nahesteht, entweder aus den Räumlichkeiten Am Erlenbruch ausziehen – oder die ABG als Vermieterin wird eine Räumungsklage anstreben. So konkretisiert ABG-Geschäftsführer Frank Junker auf Nachfrage eine entsprechende Pressemitteilung seines Unternehmens aus der vergangenen Woche.
Bislang hatte Junker darauf bestanden, dass ihm die Hände gebunden seien. Die ABG habe nur einen Vertrag mit der Betreiberfamilie eines chinesischen Restaurants, die ihren Laden seit Oktober an den Verein untervermietet habe. Der Untermietvertrag wurde am 15. Dezember seitens der ABG fristlos gekündigt, für die Durchsetzung seien die Betreiber zuständig, so Junker.
Nun wurde deren Mietvertrag aber auch fristlos gekündigt. Ein konkretes Datum nennt Junker mit Verweis auf den Datenschutz nicht, auch die Betreiberfamilie ist sich unsicher. Im Raum stehen der 31. Januar oder spätestens der 6. Februar.
„Reichsbürger“ in Frankfurt: „Wussten selbst nicht, wer da wirklich einzieht“
Für die Familie, die ihren Namen nicht nennen möchte, hat die Situation dann hoffentlich ein Ende. Eine Situation, die die Tochter mit dem Wort „belastend“ beschreibt. Die Verunsicherung ist ihr beim Gespräch anzumerken. „Wir können nichts dafür und wussten selbst nicht, wer da wirklich einzieht“, sagt sie im Gespräch.
Kurzer Rückblick. Das Chinarestaurant Sonnenblume, das 2019 eröffnet wurde, hat die Corona-Zeit nicht überstanden. „Wir haben kaum Corona-Hilfen bekommen und somit viel Geld verloren“, sagt die Tochter der Betreiberfamilie. „Wir hatten dann keine Kraft mehr.“ Wir, das sind die Eltern, die Tochter und eine Cousine, Mitarbeiter:innen gab es nicht. Ein echter Familienbetrieb. Im Oktober 2022 entschied die Familie, die Räumlichkeiten zu vermieten. Es meldete sich schnell der Verein Lebensglück, in Person von Jens Becker. „Die haben uns gesagt, dass sie ein vegetarisches Restaurant eröffnen wollen“, erinnert sich die Tochter. Konzept, Speisekarte und eine Homepage lagen vor, wurden an die ABG weitergeleitet – und die gab dann die Erlaubnis.
„Da ging die Geschichte eigentlich schon los“, sagt Sebastian Wolff. Der Quartiersmanager steht schon lange im engen Austausch mit der Familie. Die Aussicht auf ein vegetarisches Restaurant im Stadtteil fand er zwar irgendwie seltsam („Das ist eigentlich kein passender Standort“), war aber auch gespannt. Doch eine kurze Recherche zum geplanten Restaurant führte ihn zum Betreiber David Ekwe Ebobisse, der ein solches Restaurant bereits in Frankfurt geführt hat und bekennendes Mitglied im Königreich Deutschland (KRD), einem Fantasiestaat der „Reichsbürger“-Bewegung, ist. „Auch das haben wir der ABG mitgeteilt, aber ohne eine Antwort zu bekommen.“
Frankfurter China-Restaurant: „Wir fühlen uns ziemlich hilflos“
Auch eine Begegnung vor dem Laden mache ihn stutzig. Dort sprach er drei Männer an, die im Laufe der Unterredung zugegeben hätten, das Restaurant sei nebensächlich; in erster Linie solle es um Workshops und Vorträge gehen. Wolff und andere zivilgesellschaftliche Kräfte aus dem Stadtteil recherchierten weiter, organisierten eine Infoveranstaltung für die Anwohner und Anwohnerinnen, sprachen mit Mike Josef, Aufsichtsratsvorsitzender bei der ABG, und kontaktierten mehrfach die ABG selbst. Letzteres weiter ohne Erfolg.
Auch die chinesische Familie hatte keinen Kontakt zu der städtischen Holding. Dass sie es sei, die dafür sorgen müsse, dass die Untermiete beendet werde, sei ihr so nie kommuniziert worden. „Wir fühlen uns ziemlich hilflos“, so die Tochter. „Wir wollten einfach nur untervermieten, um unsere Existenz zu retten.“ Becker, Ekwe Ebobisse und die anderen Mitglieder des Vereins seien immer nett und zuvorkommend gewesen; nie hätte sie gedacht, dass sich hinter der Fassade sogenannte Reichsbürger verstecken. „Meine Famlie und ich waren einfach nur schockiert, als wir davon gehört haben.“

Das schienen auch die Aktivist:innen gewesen zu sein, die Anfang Januar die Fassade mit Graffiti besprüht haben. „Reichsbürger!!“ und „Faschos verpisst euch“ stand seitdem an den Mauern, die Fenster waren großflächig mit schwarzem und rotem Lack bedeckt. David Ekwe Ebobisse hatte die Farbattacke in einem Video am nächsten Tag als „Brandmarkungen“ bezeichnet und diese ernsthaft mit der Verfolgung der Juden im Zweiten Weltkrieg verglichen.
Anwohner wollen „Reichsbürger“ in Frankfurt nicht haben
Zu sehen bekamen die Fassadenumgestaltung täglich zahlreiche Menschen, denn das Gebäude liegt an der vielbefahrenen Straße Am Erlenbruch, direkt vor den markanten Torbögen zur Schäfflestraße, gegenüber der gleichnamigen U-Bahn-Haltestelle. Bei Besuchen vor Ort ist oft zu sehen, wie die Menschen stehen bleiben, sich die Schriftzüge anschauen, den Kopf schütteln oder mit anderen darüber sprechen. Auf Nachfrage wissen viele gar nicht, was es damit auf sich hat. Manche aber schon.
Ihre Namen wollen sie nicht nennen. Eine Geschäftsfrau aus der näheren Umgebung sagt ganz klar: „Die wollen wir hier nicht haben.“ Eine Anwohnerin bezeichnet die Anwesenheit der „Reichsbürger“ als „Unding“ und berichtet von einem Gespräch mit einer Passantin, die sie erst einmal aufklären musste über das vermeintlich harmlose Rohkostrestaurant.
Quartiersmanager Wolff berichtet auch von Gesprächen mit Bürgern und Bürgerinnen, die immer wieder fragen, wie es sein könne, dass in einer städtischen Liegenschaft „Reichsbürger“ ein Lokal betreiben können?
Mittlerweile sind die Schriftzüge an der Fassade verschwunden, auch ein Großteil der Fenster ist wieder gesäubert. Nur rund um die Eingangstür und auf den Schaukästen sind noch Farbspuren zu finden. Betrieb im Inneren ist fast immer, das Licht brennt auch abends oft. Mal sind einzelne Personen zu sehen, die an einem Tisch sitzen und lesen, mal wird umdekoriert oder etwas Handwerkliches erledigt.
Vermieter der „Reichsbürger“ eröffnen neues Lokal in Frankfurt
Der Versuch, sich selbst ein Bild aus dem Inneren des Vereinslokals zu machen, ist derweil gescheitert. Die Anfrage zu einem Besuch wurde zwar in den Reihen des Vereins positiv aufgenommen, aber mit der Bedingung versehen, den Besuch dokumentieren – also zumindest in Teilen filmen – zu dürfen. Eine nicht akzeptable Bedingung. Per E-Mail wiederum wollte Ekwe Ebobisse keine Fragen beantworten.
Die Betreiberfamilie des Restaurants blickt mittlerweile etwas positiver in die Zukunft. Sie wird in Bockenheim ein neues Lokal eröffnen, einen Schnellimbiss. (Fabian Böker)