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Rechtspflege in Frankfurt: Mehr als nur Akten

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Von: Oliver Teutsch

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Rechtspfleger Torsten Kurz in den Gängen des Amtsgerichts, wo er sich bestens auskennt.
Rechtspfleger Torsten Kurz in den Gängen des Amtsgerichts, wo er sich bestens auskennt. © Christoph Boeckheler

Der Rechtspfleger Torsten Kurz darf bei den meist emotionalen Menschen, die ihm gegenübersitzen zwar keine Rechtsberatung leisten, muss sich aber auf sie einlassen.

Wer ins Amtsgericht kommt und klagen will, könnte bei Torsten Kurz landen. Der Rechtspfleger in Zivilsachen kümmert sich um das Publikum, das ohne anwaltlichen Beistand eine Klage einreichen oder eine solche erwidern will. Kurz muss dann schauen, ob es für eine Klage eine gesetzliche Grundlage gibt und dieses Begehren in eine für die Richterschaft verwertbare Form bringen.

Das ist bei den meist emotionalen Menschen, die ihm dabei gegenübersitzen, nicht immer ganz einfach. „Wir dürfen zwar keine Rechtsberatung leisten, müssen uns aber schon auf das Publikum einlassen“, sagt der 45-Jährige. Der Publikumsverkehr könne aber auch „eine nette Abwechslung“ zur Bearbeitung von Akten sein.

Justiz in Frankfurt: Dicke Aktenstapel erschrecken Torsten Kurz nicht mehr

Denn Akten bekommt Kurz reichlich in die Finger. Täglich bringen Wachtmeister ihm morgens neue Stapel. „Erschrecken kann einen das nicht mehr“, sagt Kurz, der über das Klischee vom geruhsamen Beamten nur milde lächelt. In vielen Fällen, die er auf den Tisch bekommt, geht es um Verfahrenskosten. Wenn etwa ein Richter verfügt, zu welchem Teil eine Prozesspartei die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, muss Kurz ermitteln, wie hoch denn die Verfahrenskosten insgesamt waren. „Häufig geht es um Reisekosten“, sagt Kurz, der dann auch prüft, ob die angegebenen Kosten der siegreichen Partei auch statthaft sind.

Kurz kümmert sich zudem um die Ordnungsgeldvollstreckung. Bleibt etwa ein geladener Zeuge ohne Entschuldigung einer Verhandlung fern, kann der Richter ein Ordnungsgeld erlassen. Kurz kümmert sich um die Vollstreckung, wenn er einen entsprechenden Erlass in der Akte findet. Die Befugnisse eines Rechtspflegers gehen so weit, dass er auch richterliche Urteile umschreiben kann. Etwa, wenn ein Titel nicht mehr vollstreckt werden kann, weil eine Partei verstorben ist. Dann kümmert sich Kurz um die Rechtsnachfolge und schreibt das dazugehörige Urteil auf einen anderen Namen um.

Rechtspflege in Frankfurt: Zwillingsschwester brachte Torsten Kurz zur Justiz

In der Justiz ist Kurz wegen seiner Zwillingsschwester gelandet. Die hatte sich zuvor schon für eine Justizlaufbahn entschieden, sodass Bruder Torsten ihr nach seinem Abitur 1997 nacheiferte und sich als Justizfachangestellter bewarb. Für den jungen Mann aus dem nordhessischen Sontra bedeutete die Ausbildung in Kassel den Umzug in eine große Stadt. Dass er nach seiner Ausbildung in eine noch größere Stadt versetzt würde, war nicht gewollt.

„Frankfurt stand nicht so auf meinem Lebensplan“, gesteht Kurz, der sich aber längst mit der Mainmetropole arrangiert hat. Über einen Versetzungsantrag habe er nie nachgedacht, schließlich hat er mittlerweile auch eine schulpflichtige Tochter, die sich hier wohlfühlt und mit der er gerne mal in einen der Kletterwälder im Rhein-Main-Gebiet geht. Ansonsten joggt er gerne oder fährt mit dem Fahrrad am Main entlang.

Allzu viel Freizeit habe er aber gar nicht, sagt Kurz, der die zivilgerichtliche Arbeit in einem Team von zehn Rechtspfleger:innen erledigt. Mit dem Begriff „Rechtspfleger“ konnte er anfangs selbst nichts anfangen. Begonnen hatte er auch als Justizangestellter und 2014 die Weiterbildung zum Rechtspfleger begonnen. Wenn er heute seinen Beruf nennt, hätten seine Gegenüber „riesige Fragezeichen in den Augen“. Das Publikum, das Kurz im Amtsgericht gegenübersitzt, fragt nicht nach seinem Beruf. Diese Menschen haben andere Sorgen.

Mehr „Gesichter der Justiz“ finden Sie hier.

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