Gemischte Tüte im Museum

Was es alles so auf sich hat mit den Frankfurter Wasserhäuschen, das haben rund 25 Uni-Absolventen für eine kleine Ausstellung im Museum für Kommunikation zusammengetragen.
Als Frankfurterinnen, ganz klar, sind sie auch Wasserhäuschen-Nutzerinnen: Da müssen Julia Heinen und Charlotte von Neubeck, beide 23, gar nicht lang drüber nachdenken. Und auch Thomas Steinforth, 27, wenngleich hörbar eingeplackt, also ein Spät-Zugezogener am Main, hat die Büdchen fest in seine Bewegungsabläufe aufgenommen: „Wenn ich mit Freunden auf eine Party gehe, machen wir gern vorher noch einen Bierstopp am Wasserhäuschen.“
Lerneffekt am Rande: Die „Trinkhalle“, wie sie auf Büdchen-Schildern und im Volksmund nicht totzukriegen ist, die hatte sich Steinforth natürlich ganz anders vorgestellt – hallenartiger. Aber das ist Teil der Sozialisation eines jeden Neu-Frankfurters.
Was es noch so auf sich hat mit den Wasserhäuschen, das haben rund 25 Uni-Absolventen für eine kleine Ausstellung im Museum für Kommunikation zusammengetragen. Die jungen Leute nehmen nach ihrem Master- oder Bachelor-Abschluss am Programm „Buch- und Medienpraxis“ der Goethe-Universität teil. Eine Herausforderung des einjährigen Kurses ist es, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Und worüber? Dazu hatte Charlotte von Neubeck den passenden Einfall. „Wir sind hier im Museum immer an den Gläsern mit den Süßigkeiten vorbeigelaufen“, sagt sie. „Da hatten alle Lust drauf. Irgendwann kam mir die Idee mit den Wasserhäuschen.“
Denn Süßes und Büdchen, das gehört zusammen. Passend dazu wird es in der Ausstellung „Main Treffpunkt – Frankfurt im Wasserhäuschen“ auch diverse Leckereien zu kaufen geben: „Eine gemischte Tüte muss sein“, sagt Julia Heinen.
Die Schau hat natürlich sehr viel mehr zu bieten als Cola-Kracher und saure Zungen. Das berühmte Klickerwasser wird zu sehen sein, jene mit einer Kugel von innen verschlossenen Flaschen, die einst den Durst der Bevölkerung stillten; man öffnete sie, indem man die Kugel in die Flasche drückte. Es gibt Vitrinen mit alten Büdchen-Schildern und Geld-Ablageschalen, es gibt auch Bierflaschen aus fünf Generationen – die Studierenden durften sich im Binding-Archiv umsehen und einige Exponate ausleihen.
Aber weil es ein Projekt im Museum für Kommunikation ist, gingen die Ausstellungsmacher besonders intensiv auf mediale Spurensuche, vor allem an drei Standorten: den Wasserhäuschen Gudes im Nordend, Limes im Gallus und Pars Kiosk in Sachsenhausen. Sie führten Interviews, die am Wochenende an drei „Fernsehtürmen“ ausgestrahlt werden, erbaut aus Getränkekisten.
In den vielen Gesprächen erfuhren die Trinkhallen-Forscher, dass die Buden in der NS-Zeit seitens der Nazis als mögliche Widerstandsnester nicht wohlgelitten waren – und dass auch heute die kleinen Verkaufsstationen ihre Probleme haben, wenn auch aus ganz anderen Gründen, vor allem wirtschaftlichen.
Und: „Die Kunden sind gut informiert und wissen oft ziemlich genau Bescheid über die schwierige Lage der Wasserhäuschen“, sagt Julia Heinen. Das Klischee vom Säufertreffpunkt fanden die Medienpraktiker jedenfalls nicht bestätigt; ihnen offenbarte sich eine bunte und vielfältige Kiosk-Kundschaft: „Ein Querschnitt der Bevölkerung, eine sehr offene Kultur“, sagt Thomas Steinforth.
Bei der Einschätzung halfen auch die Frankfurter Wasserhäuschen-Profis, etwa der unermüdliche Sammler Hubert Gloss und die Büdchen-Interessenvertretung Linie 11. Sie werden in der Ausstellung ebenfalls vertreten sein, mit Fotos, Interviews, Preziosen und dem Frankfurter Wasserhäuschen-Quartett.
Unter den Schau-Stücken sind auch unerwartete Funde: ein Gedicht von Hans Magnus Enzensberger etwa, der dem Kiosk ein ganzes Buch widmete, und sogar ein Text des irischen Schriftstellers James Joyce. Auf ein Exponat ist Charlotte von Neubeck besonders stolz: den Playmobil-Kiosk samt Zubehör, darunter ein winziger Kaugummi-Automat und eine Miniatur-Cola-Kiste. Das schmucke Spielzeug fand ihre Mutter – schon vor dem Plan einer Ausstellung. Und wenn sie vorüber ist, die Schau, was passiert dann damit? „Sie verschwindet“, sagen die Macher. Und mit einem Zwinkern: „Aber sie wird natürlich so gut, dass sie im Gedächtnis bleibt.“