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Gelungene Integration

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Von: Alisa Mahler

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Gesetzestextsammlung (Symbolbild).
Gesetzestextsammlung (Symbolbild). © imago

Mit 20 Jahren ist Qusay Z. 2015 aus seiner Heimat Syrien geflüchtet und schließlich im Frankfurter Westend gelandet. Mittlerweile arbeitet er als Azubi in einer Anwaltskanzlei.

Unbekannte Straßen, unvertraute Geräusche, Sprachfetzen, fremde Menschen: So müssen sich die ersten Monate in Deutschland für Qusay Z. angefühlt haben. Der 20-jährige ist im August 2015 mit seinem Bruder aus seiner Heimat Syrien geflohen und hat sich auf den langen Weg nach Europa gemacht. Die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich lagen auf ihrem Weg.

17 Tage waren sie insgesamt unterwegs. „Wir sind gerannt, gefahren, gelaufen – alles“, erzählt Qusay. Das ursprüngliche Ziel war Dänemark, da dort bereits Verwandte leben. In Deutschland aber seien sein Bruder und er angehalten worden und hätten anschließend ihre Asylanträge gestellt. „Zum Glück“, sagt Qusay. Vor dem Krieg hätten sie ein tolles Leben gehabt, keiner habe daran gedacht, Syrien zu verlassen. „Das kommt einem wie Schicksal vor.“ Nach dem Abitur seien ihm zwei Möglichkeiten geblieben: der syrischen Armee beizutreten oder sein Zuhause zu verlassen, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Seit Kriegsbeginn könne man als Mann der Wehrpflicht nicht mehr entgehen. „Und wenn man in der Armee ist, muss man andere umbringen. Man wird nie entlassen“, sagt Qusay. Zudem sei es sehr schwierig, in Syrien einen Arbeitsplatz zu finden, die Mieten seien hoch, Lebensmittel teuer. „Es gibt dort keine Zukunft.“

Auf seiner Reise nach Europa hätten er und sein Bruder einiges erlebt. In Serbien hätten sie auf der Straße schlafen müssen. Bei der ersten Überfahrt von der Türkei über das Mittelmeer habe der Motor versagt, sodass einige Passagiere ans Ufer zurückschwimmen mussten. „Als wir uns entschieden haben, nach Europa zu kommen, haben wir nie an den Weg gedacht“, sagt er rückblickend.

Qusays erste Monate in Deutschland waren besonders schwer. Zwei Monate hätten sein Bruder und er in einem Flüchtlingscamp in Gießen verbracht. „Wir haben nichts von Deutschland gesehen, also nichts außer dem Zimmer und dem Zelt“, sagt er. Anschließend seien sie in einem Frankfurter Hotel untergebracht worden, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert worden war.

Dort hätten sie ein Jahr lang gelebt, ohne Deutsch zu lernen. Die Sprachdefizite bereiteten Qusay große Probleme im Alltag. „Oft wollten die Leute kein Englisch sprechen“, sagt er und berichtet von einem Besuch bei der Ausländerbehörde, bei dem der zuständige Mitarbeiter ausschließlich Deutsch mit ihm gesprochen habe. „Ich habe nur ‚Ja‘ gesagt, obwohl ich kein Wort verstanden habe.“

Im Frankfurter Westend herrscht eine internationale und geschäftige Atmosphäre: Große Glasbauten reihen sich aneinander, Geschäftsmänner laufen am Messegelände entlang. Wenige Gehminuten von der Messe entfernt befindet sich die Anwaltskanzlei 2K Patentanwälte. Dort macht Qusay seit August 2017 eine Ausbildung zum „Patentanwaltsfachangestellten“. Patentanwaltsfachangestellter. Bis er dieses Wort aussprechen konnte, habe es einige Zeit gedauert, sagt er und lacht. Die Aktenstapel und Gesetzesordner stapeln sich auf seinem Schreibtisch.

Betreut wird er von seinem Ausbilder Johannes Schultenkämpfer, einem Ingenieur und Fachanwalt. Man müsse sich für Technik interessieren und sich in das Patentrecht einarbeiten, sagt Schultenkämpfer.

Gerade das juristische Vokabular habe Qusay zu Anfang große Schwierigkeiten bereitet. „Damit haben ja schon wir Deutsche unsere Probleme.“ Er bewundere den jungen Syrer für dessen Leistungen in der Berufsschule und dafür, dass er sich so gut eingearbeitet habe. Seine Deutschkenntnisse hat Qusay in einem Sprachkurs sowie bei Besuchen im Café One World im Frankfurter Ostend verbessert. In dem offenen interkulturellen Treff habe er sich oft mit Rentnern unterhalten, die dort ehrenamtlich aktiv seien. Sprache ist für ihn der Schlüssel zu erfolgreicher Integration: „Sie ist der erste Schritt, den man machen. Ohne Sprache kann man sich nie integrieren.“

Mittlerweile hat Qusay sich in Deutschland eingelebt. „Ein neues Leben, eine neue Zukunft müssen aufgebaut werden. Von Anfang an.“ Auf die Frage, was er an Deutschland nicht möge, antwortet er lachend: „Das Wetter. Man hat Frühling und Sommer und Winter an einem Tag, es ist sehr wechselhaft.“ Qusay betont, er fühle sich sehr. „Jetzt sage ich, dass Deutschland mein zweites Zuhause ist.“ Auch Ausbilder Johannes Schultenkämpfer blickt optimistisch in Qusays Zukunft: „Wir setzen große Hoffnungen in ihn.“

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