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Porträt der Woche
Gegen die Furcht predigen
- vonSteven Mickschschließen
Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers leitet an Heiligabend den Gottesdienst in der Frankfurter Paulskirche. Geboten wird etwa Musik - auch mit Gesang.
Das letzte Mal, dass es einen Weihnachtsgottesdienst in der Paulskirche gab, liegt mittlerweile 77 Jahre zurück. Am Heiligen Abend 1943 kamen die Gemeindemitglieder der evangelisch-lutherischen St.-Pauls-Gemeinde zusammen – inmitten des tobenden Zweiten Weltkriegs. Drei Monate später wird die Kirche bei Bombenangriffen zerstört. Seit ihrem Wiederaufbau nutzt die Stadt die Paulskirche für bedeutende Anlässe, die Kirchengemeinde kommt seit 1949 in der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg zusammen. Doch 2020 ist durch die Corona-Pandemie solch ein ungewöhnliches Jahr, dass auch ein besonderer Weihnachtsgottesdienst nicht verwundern dürfte. Zum ersten Mal seit dem Wiederaufbau wird es einen Gottesdienst an einem 24. Dezember in der Kirche am Paulsplatz geben.
Genau genommen sind es sogar zwei. Um 15.30 Uhr findet eine Christvesper statt. Der evangelische Stadtdekan Achim Knecht wird die Predigt halten. Um 18 Uhr wird eine weitere Christvesper folgen. Diesmal geleitet von Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers, die sich bei der ersten Christvesper bereits um die Liturgie kümmern wird. „Seit dem ersten Advent konnte man sich für beide Termine anmelden, und seit einigen Tagen ist alles ausgebucht“, erzählt Braunberger-Myers. Die gebürtige Bad Homburgerin ist seit mehr als 30 Jahren in der St.-Pauls-Gemeinde. Zuvor war sie Pfarrerin in Eschborn, studierte in Frankfurt, Heidelberg und im schottischen Edinburgh. Dass die ungewöhnlichen Weihnachtsgottesdienste etwas Besonderes sind, lässt sie sich im Gespräch nicht anmerken. Vermutlich weil in diesem Jahr fast jeder Gottesdienst etwas Besonderes ist.
„Seit Mai dürfen wir wieder Gottesdienste mit Präsenz abhalten“, sagt sie. Durch Abstandsregeln und Hygienevorschriften dürfen aber nur 32 Menschen einen Gottesdienst in der Alten Nikolaikirche besuchen. Genau deshalb fragte man bei der Stadt nach, ob an Heiligabend die Paulskirche genutzt werden könne. Dort dürfen nun jeweils 180 Menschen plus die Beteiligten hinein. Es gibt sogar eine Warteliste, falls jemand absagt. Zwischen den beiden Vespern wird gelüftet und gereinigt.
Mund-Nase-Bedeckung ist Pflicht
Wie gewohnt darf die Gemeinde in der Kirche nicht singen, und es muss die ganze Zeit eine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden. Ein Bläsertrio soll für musikalische Untermalung sorgen, und ein kleines Ensemble wird für Gesang zuständig sein. Auf ein Krippenspiel wurde dieses Jahr verzichtet. „Unter Corona-Bedingungen hätten wir es nicht gut hinbekommen“, glaubt die Pfarrerin. Dafür wird es am 27. Dezember um 9.30 Uhr in der Alten Nikolaikirche einen Gottesdienst für Familien mit Kindern geben. „Dort wird es dann Mitmachgelegenheiten am Platz geben“, verrät Braunberger-Myers.
Doch zurück zum 24. Dezember. Was gibt man den Menschen an solch einem Tag in dieser Zeit mit auf den Weg? „Ich bin noch dabei, die Predigt zu schreiben“, sagt die Pfarrerin. Passend wäre in diesem Jahr der Ausspruch aus dem Lukasevangelium: „Fürchtet euch nicht!“ Das sagen die Engel zu den Hirten, bevor sie verkünden, dass Christus geboren wurde. Ob Braunberger-Myers es erwähnt, müsse sie beim Schreiben schauen.
Ihr eigenes Weihnachtsfest wird wie jedes Jahr von den Gottesdiensten geprägt sein. „Heiligabend ist ein Arbeitstag“, sagt die Pfarrerin. Aber sie werde auch kochen und gemeinsam mit ihrem Mann Jeffrey Myers und Sohn Marc zu Abend essen.
Dass die Kirche und der Glaube den Menschen in dieser Zeit Halt gibt, weiß Andrea Braunberger-Myers mit Sicherheit. „Ich erlebe es immer wieder.“ Die 32 Plätze in der Alten Nikolaikirche seien sonntags immer belegt, und auch aus anderen Gemeinden höre sie, dass der Bedarf da sei – vor allem an Weihnachten.
Wer sich keinen Platz in der Paulskirche sichern konnte, hat am 24. Dezember um 22 Uhr die Möglichkeit, einer Weihnachtsandacht mit Prodekanin Ursula Schoen beizuwohnen. Diese ist in der Alten Nikolaikirche. 32 Menschen werden eingelassen. Ein frühzeitiges Erscheinen wird da fast zur Voraussetzung. Auch am 25., 26. und 27. Dezember wird es mehrere Gottesdienste in der Kirche auf dem Römerberg geben. „Wir wollen möglichst vielen Menschen die Gelegenheit geben, an Weihnachten in die Kirche zu gehen.“