- 0 Kommentare
- Weitere
Gallusviertel
Zwölf Bilder zeigen Identität des Gallusviertels
- vonGernot Gottwalsschließen
Der Stadtteilkalender 2021 der Geschichtswerkstatt hält allerlei Skurriles bereit. Dabei sind unter anderem Fotos von spielenden Kindern oder des Flugplatzes auf dem Rebstockgelände.
Was sind eigentlich Bettschoner? In der Familie von Günter Bürger, der als im Stadtteil engagierter Seniorchef von „Zweirad Ganzert“ das Foto aus den 20er-Jahren für den Galluskalender 2021 aufstöberte, mag man den Ausdruck vielleicht noch kennen. Immerhin: Zu sehen ist eine fröhliche Männerunde samt Stammtisch-Schild; ganz rechts ist übrigens Bürgers Großvater Wilhelm Ganzert zu erkennen.
„Oft gesehene Gäste der Restauration ,Zum Neuen Rebstock‘" ist auf dem Titelblatt des neuen Stadtteilkalenders über die Bettschoner zu lesen. „Ihr Name ist Programm. Sie hielten lange durch und traten den Heimweg nicht vor Mitternacht an.“ In Hessen mag der Begriff „Bettschoner“ nicht allzu geläufig sein. „Doch in Bayern oder Baden-Württemberg kommt er als Name für Karnevalsvereine vor“, hat Helga Roos von der Geschichtswerkstatt Gallus recherchiert.
Doch es sind nicht die einzigen Überraschungen, die die neue Ausgabe bereithält. Wer hätte etwa gedacht, dass zu den Industriepionieren westlich des Güterplatzes eine „Krystall-Eis-Fabrik“ von August Motsch gehörte? Oder dass die Adlerwerke früher Fahrräder für bis zu sieben Personen herstellten, genannt Septuplets?
Roos jedenfalls fand die seltsamen Fahrzeuge, die früher zur Erzeugung von Windschatten bei Radrennen eingesetzt wurden, durchaus spannend. Zu sehen ist ein Sechserfahrrad auf einer farbigen Postkarte für den April – in Erinnerung an das 100 000. bei den Adlerwerken im Jahr 1932 produzierte Fahrrad.
Bereits zum Ende des ersten Quartals begann das Team der Geschichtswerkstatt mit der Sichtung der Fotos aus dem eigenen Archiv: Fotos, die die Identität des Gallus ausmachen und zu den Lieblingen im Stadtteil gehören, sollten ebenso dabei sein wie solche, die sich mit den historischen Wohnsiedlungen als Schwerpunktthemen der Geschichtswerkstatt beschäftigen.
Kalender bestellen
Der Stadtteilkalender kann per E-Mail an gwgallus@gmail.com bestellt werden. Außerdem ist er beim Quartiersmanagement Gallus, Frankenallee 166-168, und beim Sportkreis Frankfurt, Fischbacher Straße 24, erhältlich.
Der Blick in die Historie startet im Januar mit einem Luftbild der Friedrich-Ebert-Siedlung, die 1930 bis 1939 zunächst als Tornow-Siedlung von Ernst May errichtet und nach dem Krieg wiederaufgebaut wurde. Passend dazu zeigt der Mai spielende Kinder in der neuen Hellerhof-Siedlung. Im August lachen dem Betrachter oder der Betrachterin 1981 fotografierte spielende Kinder vor der Fernheizungsanlage der Hellerhof AG entgegen.
Die Hellerhofschule in der Idsteiner Straße kommt dafür im September mit dem Geländezaun in der Idsteiner Straße zum Zug. Dabei kommt auch ein Wunsch zum Ausdruck: „Wir wollen das Stadtteilfest wieder feiern!“
„Denn auf dem Stadtteilfest, dass dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste, startete immer unser Verkauf der Stadtteilkalender“, sagt Roos. Und zeigt sich umso dankbarer, dass sich dafür verschiedene Stellen und Institutionen im Gallus zum Kalenderverkauf bereiterklärten.
Doch auch die dunklen Seiten der Stadtteilgeschichte spart der Kalender nicht aus: So zeigt das Bild für den Februar eine Aufnahme der Adlerwerke mit dem KZ Katzbach im dritten und vierten Stock.
Das März-Kalenderblatt erinnert mit einem Foto des Flugplatzes auf dem Rebstockgelände von 1912 an das Luftschiff LZ 11 „Viktoria Luise“, das für Rundflüge in die nähere Umgebung Frankfurts eingesetzt wurde.
Passt das Bild der Krystall-Eis-Fabrik zum Monat Juli, so staunt man zunächst über die Abbildung eines Kohlewagens auf dem Juni-Kalenderblatt. Doch das hat einen Grund: „Im Frühsommer fuhren die Wagen werbend durch den Stadtteil, um Bestellungen aufzunehmen, die im Herbst ausgeliefert wurden“, weiß Roos.
Im Oktober wird Karl Feick geehrt, der mit einer Lebensmittel- und Schreibwarenhandlung sowie Leihbücherei in der Idsteiner-/Lorsbacher Straße bis in die 50er-Jahre eine Institution war. Der November erinnert mit einem Panorama der Galluswarte von 2009 an eine der wenigen Gelegenheiten, die Warte zu besteigen. Und der Dezember zeigt schneebedeckte Radachsen von Zugwagen, die 1985 im Ausbesserungswerk der Deutschen Bundesbahn aufgearbeitet wurden.