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„Früher war die Zeil gemütlicher“

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Von: Kathrin Rosendorff, Thomas J. Schmidt

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Ziemlich entspannt lässt es sich während der Woche tagsüber über die Zeil laufen.
Ziemlich entspannt lässt es sich während der Woche tagsüber über die Zeil laufen. © Renate Hoyer

Immer noch ist die Frankfurter Einkaufsstraße sehr beliebt. Doch vieles verändert sich. Einige Kund:innen bedauern, dass Karstadt schließt, andere wünschen sich mehr Cafés und Sauberkeit.

Anders als an Samstagen ist es Anfang der Woche um die Mittagszeit kein Problem, zügig über die Frankfurter Zeil zu laufen. Viele Leute versuchen, in den Woolworth, der in den ehemaligen Elektroladen Conrad an der Konstablerwache eingezogen ist, hineinzukommen, stellen aber so schnell wie erstaunt fest, dass die Glastür noch geschlossen ist. Erst am Donnerstag um 9 Uhr eröffnet der Laden. „Für Kleinkram ist der sensationell“, sagt eine Frankfurterin. Darüber hinaus ist die 59-Jährige von den Einkaufsmöglichkeiten auf der Zeil wenig begeistert. „Es ist schrecklich, hier einzukaufen“, platzt es aus ihr heraus. „Ich war eben nach langer Zeit wieder im C&A und war so enttäuscht. Der hatte früher bessere Qualität und war irgendwie aufgeräumter.“

Überhaupt fühle sie sich als Frau mit fast 60 in vielen Geschäften modisch nicht mehr willkommen. „H&M oder Läden wie Reserved sind eher was für jüngere Frauen. P&C ist mir zu teuer. Die Goethestraße und die Luxuslabel sowieso. Aber vielleicht habe ich beim Kaufhof Glück.“

Die Zeil selbst findet sie schmuddelig. Sie zeigt auf den seit langem leerstehenden Zara an der Konstablerwache, Punks sitzen davor. Auf den Bänken in der Mitte der Einkaufsstraße sitzen Männer, trinken Bier und grölen. Vor den leeren Läden wie dem ehemaligen Esprithaus oder unweit davon dem ehemaligen Samsung-Laden rauchen in Schlafsäcke gehüllte Obdachlose.

Auf dem Boden liegt viel Müll verteilt. „Früher war die Zeil gemütlicher und es gab mehr Geschäfte für die Mittelklasse“, sagt die Frankfurterin. Das Attraktivste hier sei der Wochenmarkt donnerstags und samstags. „Da kaufe ich gerne regional ein. Ich würde mir schönere Cafés auf der Zeil wünschen.“

Eine 27-Jährige sagt, sie arbeite unweit der Zeil und finde hier alles, was sie brauche. „Es ist alles kompakt hier. Ich probiere lieber Sachen an, als online zu kaufen. Denn ich bin mit 1,57 Meter sehr klein.“ H&M an der Konstablerwache wirbt im Schaufenster damit, dass am 17. März Vor-Ort-Bewerbungsgespräche laufen. Eine 26-jährige Frankfurterin, die gerade mit einer neuen Hose herauskommt, sagt: „Ich gehe nicht gerne einkaufen. Nur wenn ich vorher genau weiß, was ich will, gehe ich direkt in den Laden und kaufe es. Aber freitags und samstags meide ich die Zeil, da ist es mir zu voll.“ Ein 27-jähriger Mainzer steht mit seiner Freundin und vollen Einkaufstüte vor dem P&C. „Wir sind nicht extra nach Frankfurt gefahren, weil hier das Shoppen besonders toll wäre“, sagt er. „Wir waren eh in der Stadt. Wir gehen gerne in Läden einkaufen, aber online ist die Auswahl oft größer.“

Einen Tag nachdem bekanntwurde, dass Karstadt unweit der Konstablerwache Ende Januar 2024 schließen muss, steht Aslan (33) draußen vor der noch geschlossenen Tür; die Filiale öffnet erst um 11 Uhr. Der Warenhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof plant, von seinen bundesweit noch 129 Häusern weitere 52 zu schließen.

Aslan sagt, er habe schon einige Schließungen auf der Zeil beobachtet. „Es ist ziemlich kritisch. Karstadt ist nicht das erste Geschäft, das aufgeben muss.“ Für Stefanie Boller aus Frankfurt ist Karstadt stets einen Besuch wert gewesen. „Ich kaufe immer hier ein, wenn ich auf der Zeil bin. Heute zum Beispiel einen Rucksack“, sagt sie und bedauert, dass dies bald nicht mehr möglich sein soll.

Marya Minjkovic ist ebenfalls überzeugt Karstadt-Kundin. „Vor allem für die Küche haben sie sehr schöne Sachen. Töpfe und so“, sagt die Frankfurterin. Das große Sortiment schätzt auch eine Frau, die eigens aus Mainz angereist ist. Ein älterer Herr möchte wissen: „Was wird denn aus der Postfiliale, wenn Karstadt schließt?“.

Die Stimmung bei den Karstadt-Mitarbeiter:innen ist gedrückt, die Redebereitschaft eingeschränkt. Keine Namen, keine Fotos. Wenn überhaupt, dann ein, zwei schnell hingeworfene Sätze. Im Untergeschoss, wo Lebensmittel verkauft werden, sagt eine fassungslose Verkäuferin: „Wir haben gerade erfahren, dass für uns schon am 30. Juni Schluss ist. Die oberen Stockwerke schließen erst am 31. Januar, das Untergeschoss eben schon ein halbes Jahr früher.“ Wie es jetzt für sie beruflich weitergeht, weiß sie nicht. Laut der Gewerkschaft Verdi sind 240 Beschäftigte betroffen plus die Mitarbeiter:innen der kleineren Shops, die nicht zu Galeria gehören – wie der Asialaden. Auch sie verlieren ihre Jobs.

Eine junge Frau läuft mit einer alten Karstadt-Tüte über die Zeil. „Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal da einkaufen war. Klar, finde ich es traurig für die Menschen, die dort ihren Job verlieren. Aber ich selbst verbinde damit meine Kindheit. Es ist so ein Kaufhaus aus den 90ern. Ein Stück Nostalgie, das verlorengeht.“

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