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„Frauen müssen zur Priesterin geweiht werden können“

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Von: Peter Hanack

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Marianne Brandt, 56 , (links) ist seit März 2020 Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholiken. Die Personalleiterin gehört der Diözesanversammlung des Bistums Limburg an und ist stellvertretende Vorsitzende des Stadtsynodalrats. Brandt ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 19 und 16 Jahren. Sie ist Gründungsmitglied der Frauenrechtsbewegung Maria 2.0 in Frankfurt.
Marianne Brandt, 56 , (links) ist seit März 2020 Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholiken. Die Personalleiterin gehört der Diözesanversammlung des Bistums Limburg an und ist stellvertretende Vorsitzende des Stadtsynodalrats. Brandt ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 19 und 16 Jahren. Sie ist Gründungsmitglied der Frauenrechtsbewegung Maria 2.0 in Frankfurt. © Peter Jülich

Marianne Brandt und Monika Humpert engagieren sich bei Maria 2.0 und sind auch sonst gute Katholikinnen. Genügen ihnen die Reformen des Synodalen Wegs? Und was heißt das für die Kirche in Frankfurt? Ein Interview von Peter Hanack

Frau Brandt, Sie haben in einem Interview mit der FR vor gut zwei Jahren beklagt, Ihre Kirche, die katholische, sei sehr lebensfremd. Dabei ging es auch um die Sexualmoral. Nun gab es dazu beim Synodalen Weg Reformen. Ist die katholische Kirche jetzt etwas lebensnäher?

Marianne Brandt: Ja, ich denke schon. Immerhin können jetzt ehemalige Tabu-Themen wie gleichgeschlechtliche Liebe oder außerehelicher Sex angesprochen werden. Ich erlebe es als großen Fortschritt, dass queere Menschen als vollwertige Mitglieder der Kirche anerkannt werden.

Segensfeiern für homosexuelle Paare sollen jetzt offiziell erlaubt sein. Bisher war dies nur in einem Graubereich möglich.

Brandt: Es ist eine Riesenerleichterung, dass homosexuelle Menschen ganz offen um den Segen bitten können.

Ist das gerade für eine Stadt wie Frankfurt, in der eine große queere Community zu Hause ist, besonders wichtig?

Monika Humpert: Der Impuls dazu kam ja ganz stark aus Frankfurt. Der Stadtdekan hat sich schon früh hinter diese Segensfeiern gestellt. Es hat auch bisher schon jeder einen Pfarrer gefunden, der ihn oder sie segnet. Aber es geht dabei ums Prinzip. Wir wollen es schwarz auf weiß, dass dies nun erlaubt ist. Und wir wollen keine Mogelpackung.

Brandt: Es geht um Glaubwürdigkeit. Deshalb wollen wir es schwarz auf weiß.

Die Praxis in Frankfurt ändert sich dadurch aber nicht?

Humpert: Doch, ich denke schon. Ich habe am Donnerstag, als ich vor dem Tagungsgebäude des Synodalen Wegs an der Messe stand, um für unsere Anliegen zu demonstrieren, einen Mann gesprochen, der seit 20 Jahren mit einem Mann verheiratet ist. Und der hat mir gesagt, dass es ihm ganz wichtig ist, dass die Segensfeiern offiziell erlaubt werden. Es ist ein Bekenntnis der Anerkennung der Würde.

Ist auch für Frauen ein großer Schritt erreicht worden?

Humpert: Kirche hat ein anderes Gesicht bekommen. Man hat uns als engagierte Frauen gesehen, hat uns wahrgenommen. Kirche hat in der öffentlichen Wahrnehmung jetzt auch das Gesicht von Frauen bekommen. Mir tun aber weiterhin jene Frauen leid, die in der Kirche diskriminiert werden, und das sind alle in professionellen Positionen, seien es Ordensfrauen, Ordensoberinnen, Theologinnen, Pastoralreferentinnen. Die haben in der Kirche immer noch keine Stimme. Das passt nicht mehr.

Predigen aber sollen Frauen jetzt ja dürfen?

Brandt: Uns sagen Frauen, dass sie auch bei einer Frau beichten können möchten. Das ist jetzt einfach vom Tisch gewischt worden, soll es nicht geben. Auch Ordensfrauen, die die Gemeinschaft betreuen, die Sterbende begleiten, die brauchen für den letzten Schritt, die Krankensalbung oder auch die Beichte, einen Mann, einen Priester an ihrer Seite. Ich hoffe, dass es jetzt wenigstens bei der Taufe noch Veränderungen gibt. Aber gerade auch Beichte wäre wichtig.

Ist da Enttäuschung auf Frauenseite spürbar?

Humpert: Die ganze Veranstaltung war ein Wechselbad der Gefühle. Man hat gezittert, dass es ein Desaster wird, wir uns völlig zerstreiten und auseinanderfallen.

Brandt: Das Glas ist halbvoll.

1989 gab es in Frankfurt rund 190 000 Katholiken und Katholikinnen, das waren 31 Prozent der Stadtgesellschaft. 2018 nur noch 151 000, obwohl die Stadt doch deutlich gewachsen ist. Und trotz der Zuwanderung auch aus katholischen Ländern wie Italien, Spanien oder Kroatien machen die katholischen Gläubigen nun gerade noch 20 Prozent aus. Können die Reformen an diesem Trend etwas ändern?

Brandt: Es ist sicher eine Investition in die Zukunft. Es sind Reformen auf den Weg gebracht, aber Kirche öffnet sich ja nun auch nicht völlig. Es bleibt der Stachel im Fleisch, weil Frauen weiterhin nicht gleichberechtigt sind, weil sie diskriminiert werden. Wir haben uns auch deshalb so bei Maria 2.0 engagiert, weil klar wurde, wir können so nicht weitermachen. Partizipation ist ein Riesenthema unserer Zeit. Es ist Zeit, dass das auch in der Kirche Raum gewinnt. Wenn ich mit meinen beiden Töchtern spreche, wird das ganz deutlich, weil die das genauso sehen.

Der Synodale Weg

Angestoßen durch den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche haben die Bischöfe in Deutschland im März 2019 den so- genannten Synodalen Weg beschlossen.

Synode stammt aus dem Griechischen und bedeutet Versammlung oder beratende Zusammenkunft. Bischöfe und Laien haben auf diesem Weg miteinander beraten, diskutiert und Beschlüsse gefasst. Sie haben sich dazu zu fünf Vollversammlungen getroffen, die in Frankfurt bzw. coronabedingt teilweise online stattgefunden haben. Die letzte Versammlung fand von Donnerstag bis Samstag vergangener Woche auf dem Frankfurter Messegelände statt.

Segensfeiern für Homosexuelle sollen möglich sein, lautet einer der Beschlüsse. Auch die geschlechtliche Vielfalt in der Kirche soll anerkannt werden. Dazu muss unter anderem das kirchliche Arbeitsrecht geändert werden. Im Bistum Limburg, zu dem auch Frankfurt gehört, ist dies bereits geschehen.

Der Pflichtzölibat , die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester, soll überprüft werden. Eine entsprechende Bitte soll an Papst Franziskus gerichtet werden.

Frauen sollen in Gottesdiensten predigen dürfen. Von Sakramenten wie Beichte oder Krankensalbung bleiben sie jedoch weiterhin ausgeschlossen. pgh

Das ist für Ihre Töchter wichtig?

Brandt: Ja, ganz klar. Sie sind auch kirchlich engagiert, als Ministrantinnen oder Teamerin in der Jugendarbeit. Die finden das sehr ungerecht. Es gibt da eine Riesenlücke, solange Frauen nicht geweiht werden sollen. Es müssen alle Ämter geöffnet werden.

Humpert: Päpstin!

Brandt: (lacht) Es muss sich noch viel mehr ändern, und da kann Rom auch nicht auf Dauer die Schotten dicht halten.

Humpert: Wir sind jetzt schon viel zu spät, wir sind Jahrzehnte hinterher. Und ausgelöst hat das der Missbrauchsskandal und nicht die plötzlich aufgetretene Erkenntnis der Bischöfe, dass es an der Zeit wäre, die Kirche zu erneuern. Dieser Missbrauchsskandal ist die Schande jener, die in der Kirche Verantwortung tragen. Ich kann bis heute nicht fassen, wie das geschehen konnte.

Was wäre das Thema Ihrer ersten Predigt?

Brandt: Die ist längst gehalten.

Wie das?

Brandt: Es gibt seit einiger Zeit Offenheit dafür und die Möglichkeit für die Laienpredigt.

Humpert: Es ist ja auch wichtig, dass die Leute nicht mehr erschrecken, wenn da eine Frau nach vorne tritt.

Brandt: Ich habe gepredigt, als es darum ging, neue Formate auszuprobieren. Thema war, Veränderungen zuzulassen und nicht alles so eng zu fassen. Beim Stadtkirchenfest durfte ich auch schon mit Stadtdekan Johannes zu Eltz zusammen predigen. Und demnächst an einem Sonntag in St. Bonifatius. Dann wird es um die Schöpfungsverantwortung gehen.

Das ist kein spezifisches Frauenthema.

Humpert: Nur weil wir Frauen sind, reden wir ja nicht immer über Frauen. Wir wollen ja auch keine Frauenrechte, sondern einfach das Menschenrecht auf rechtliche Gleichheit.

Sind Sie in Frankfurt in einer privilegierten Position?

Humpert: Ja, Frankfurt ist liberal und wunderbar ökumenisch. Dem konnte sich nicht einmal die katholische Kirche entziehen. Wir sind im Bistum Limburg in einer besonderen Lage. Es gab auch hier früher eine Blase des blinden Vertrauens. Bischof Tebartz-van Elst hat dieses Vertrauen missbraucht, und er hat damit die Blase zum Platzen gebracht. Seitdem sind wir in einem therapeutischen Prozess der Erneuerung.

Sind Limburg und gerade auch Frankfurt Keimzellen der Modernisierung?

Brandt: Auf jeden Fall.

Hätte es einen besseren Ort für den Synodalen Weg gegeben als Frankfurt?

Brandt: Nein. In Frankfurt kommt vieles zusammen. Wir sind sehr heterogen und divers, Frankfurt ist ein Ort, an dem sich Wege kreuzen, ein Marktplatz, wo Neues beginnt.

Humpert: Wir hatten hier nie einen herrschenden Adel, nie einen Bischof im Ort. Hier weht ein freier Geist, und das tut uns gut. Ob der uns als Kirche rettet, das weiß ich nicht. Aber es bleibt nichts anderes übrig, als einfach anzufangen.

Drei Jahre Diskussionen, Arbeitsgruppen, Vollversammlungen: Der Synodale Weg ist mit einigen Beschlüssen zuende gegangen. Aber reicht das für die Reform der Katholischen Kirche?
Drei Jahre Diskussionen, Arbeitsgruppen, Vollversammlungen: Der Synodale Weg ist mit einigen Beschlüssen zuende gegangen. Aber reicht das für die Reform der Katholischen Kirche? © dpa

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