Frankfurts Sozialdezernentin Voitl: „Es fehlt an Unterkünften, die wir längerfristig nutzen können“

Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) über den Flüchtlingsgipfel und Forderungen an Land und Bund.
Frau Voitl, kürzlich fand der Flüchtlingsgipfel im Land statt. Wie bewerten Sie den Ausgang der dortigen Debatte für die Stadt Frankfurt?
Wir hätten uns mehr konkrete Zusagen gewünscht. Die Kommunen brauchen zum Beispiel eine höhere finanzielle Beteiligung durch den Bund und die Länder.
Über welche Summen sprechen wir da?
Das ist komplex und nicht in einer konkreten Summe darstellbar. Ich wünsche mir insgesamt, dass wir die Form der Finanzierung und Rückerstattung durch Land und Kommunen im Bereich Geflüchtete auf den Prüfstand stellen und schauen, ob diese noch der derzeitigen Situation angemessen sind. Beispielsweise bekommen wir keine Kosten erstattet, wenn wir Plätze in Unterkünften vorhalten, das müssen wir als Kommune komplett alleine stemmen.
Was benötigen Sie außerdem?
Es geht um eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren damit die einzelnen Menschen viel schneller ausländerrechtlich Klarheit haben, damit sie wirklich ankommen können. Und wir brauchen mehr Unterstützung bei den Integrationsmaßnahmen.
Hat die Stadt Frankfurt ausreichend Personal, um die 10 000 kommunal untergebrachten Menschen zu betreuen?
Wir machen das mit den Wohlfahrtsverbänden und den Trägern zusammen. Wir sind in der Dauerausschreibung mit Stellenangeboten im Jugend- und Sozialamt. Bei den Trägern ist das genauso. Wir können es noch leisten, aber es herrscht überall Personalmangel. Das wird definitiv eine der Herausforderungen in den nächsten Jahren.
Bekommt Frankfurt aktuell noch Geflüchtete zugewiesen?
Wir bekommen momentan keine Menschen mehr zugewiesen, weil wir über der offiziellen Quote für Frankfurt Geflüchteten Schutz geboten haben. Aber es gibt immer Härtefallregelungen wie Familiennachzug, oder wir bekommen Anfragen aus ganz Hessen für unser Safe House für queere Geflüchtete. Wenn wir da Plätze freihaben, nehmen wir auch Menschen auf. Im Moment sind es insgesamt drei bis zehn Personen die Woche.
Welche Folgen hatte der Ausbruch des Kriegs vor einem Jahr für die Stadt?
Wir mussten kreativ werden und haben bewiesen, dass wir es können. Wir haben manchmal über Nacht Unterbringung für Menschen aus der Ukraine geschaffen. Alleine die Bahnhofsmission hat bis heute rund 250 000 Menschen beraten und betreut. Wir haben immer das Ziel gehabt, dass kein Geflüchteter am Bahnsteig übernachten muss. Das ist uns gelungen.
Zur Person
Elke Voitl ist Frankfurter Sozialdezernentin. Die Grünen-Politikerin ist unter anderem für Jugend- und Sozialamt sowie die Stabsstelle Unterbringungsmanagement und Geflüchtete verantwortlich. Sie sieht die Stadt in der Pflicht, Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, zu helfen. tim
Die Menschen waren lange auch in Turnhallen untergebracht. Aktuell wird nur noch eine Schulturnhalle vorgehalten, falls doch wieder Geflüchtete in der Stadt ankommen sollten. Warum?
Für Menschen, die dort untergebracht werden, muss eine ganz andere Infrastruktur aufgebaut werden wie Strom, Wasser, Lüftung und oder ein neuer Fußboden. Das rückzubauen und wieder aufzubauen wäre viel zu teuer. Es ist wirtschaftlicher eine Halle vorzuhalten, so leid es mir für die Schule und die Sportvereine tut. Wir müssen schauen, wie der Winter in der Ukraine ist. Da ist in vielen Landesteilen die Infrastruktur zusammengebrochen. Wir haben die Halle definitiv bis Ende März und werden dann im Krisennetzwerk entscheiden, wie wir damit weiter umgehen.
Welche Perspektive haben die geflüchteten Menschen in der Stadt?
Wir haben eine gute Infrastruktur für Beratung, aber auch Integrationsmaßnahmen. Das ist ein großer Schatz. Den sehen die Geflüchteten auch, die hier Wohnungen, Sprachkurse, Integrationskurse, Schul- und Kitaplätze finden müssen. Abgesehen davon sind die Geflüchteten uns zugewiesen. Wir sind verpflichtet, die Menschen zu versorgen.
Ein Thema ist ja auch, dass einige Geflüchtete keine Deutschkurse besuchen können, weil ihre Kinder nicht betreut werden. Wie wollen Sie das lösen?
Bei den Integrationskursen ist die Kinderbetreuung derzeit nicht ausreichend mitfinanziert. Das ist ein Riesenproblem. Wenn ich weiß, dass ganz viele Frauen mit Kindern aus der Ukraine hierherkommen und das brauchen, muss der Bund das finanzieren. Egal, woher die Menschen kommen – sie haben nach einem langen Fluchtweg immer eine wahnsinnig große Sorge um ihre Kinder. Dass Frauen nicht sofort ihre Kinder in eine Ganztagsbetreuung geben, finde ich absolut nachvollziehbar.
Gibt es überhaupt genügend Integrationskurse?
Wir sind jetzt im Aufbau. Das kommt drauf an, wie viele Mittel wir vom Bund bekommen. Nur durch den Wechsel in das SGB II haben Geflüchtete den Anspruch darauf. Beachtlich ist, dass 93 Prozent der ukrainischen Geflüchteten über 25 Jahre schon in Integrationskursen sind. Es gibt keine Wartelisten, aber wir wollen auch weiter ausbauen.
Wäre die Stadt auf eine ähnliche Fluchtbewegung wie im vergangenen Jahr noch einmal vorbereitet?
Es gibt natürlich Notfallszenarien, die wir in der Schublade haben. Das heißt, dass wir die Sporthallen wieder in den Blick nehmen müssten. Parallel dazu bauen wir unsere Infrastruktur dahingehend aus, dass wir unsere bestehenden rund 120 Unterkünfte erweitern, und wir werden auch in den nächsten Wochen weitere eröffnen. Leider fehlt es uns noch an Unterkünften, die wir längerfristig nutzen können. Deshalb sind wir weiterhin auf der dringenden Suche nach geeigneten Flächen und Gebäuden.
Interview: Timur Tinç
