Frankfurts Masterplan Mobilität zeigt Wege in die Zukunft

Masterplan verankert verbindlich Nachhaltigkeitskriterien in der Stadt- und Verkehrsplanung. 3000 Bürgerinnen und Bürger haben an dem Strategiepapier mitgewirkt.
Den Verkehr in Frankfurt bis 2035 klimaneutral zu machen, ist ein ambitioniertes, fast unmögliches Ziel. Hat sich die Stadt aber gesetzt. Fast so unmöglich, wie ein 200-seitiges Strategiepapier in nur 90 Minuten zu präsentieren. Das ist das Verkehrsdezernat am Mittwoch aber schon mal mutig angegangen. Der aktuelle und der designierte Verkehrsdezernent, Stefan Majer und Wolfgang Siefert (beide Grüne), haben mit weiteren Fachleuten den Masterplan Mobilität präsentiert. Der soll künftig den Rahmen bilden für die langfristige und nachhaltige Entwicklung von Mobilität und Verkehr in der Stadt. Und das verbindlich.
Der Plan bündelt eine Reihe von Teilstrategien (siehe nebenstehende Texte). Als Erstes springen manchen dabei natürlich die Mittel ins Auge, wie der Autoverkehr zu reduzieren wäre. So wünscht sich die Stadt eine Citymaut. Die Möglichkeit, selbst über Tempolimits zu entscheiden. Will den Autos weniger Raum geben. Parkplätze verknappen oder teuer anbieten.
Die Verantwortlichen betonen dabei aber lieber den Umkehreffekt. Es gehe darum, die anderen Verkehrsmittel zu stärken. Oder, ganz neu: allen Verkehrsmitteln die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, die Stadt nicht mehr alleine für die Autos zu planen.
Die sind nämlich nicht effizient, zeigt etwa Verena Zeidler von der Planungsagentur PTV auf. Bei der Frage, welches Verkehrsmittel wie viele Menschen in 20 Sekunden über eine Kreuzung bringt, schneidet das Auto ziemlich mies ab. Das Fahrrad doppelt so gut und der Bus „deutlich“ besser, wie Zeidler ausführt.
Das Rad hat als Verkehrsmittel ja bereits zugelegt. Während die Menschen 1998 noch sechs Prozent ihrer Wege durch die Stadt per Pedale zurücklegten, waren es 2018 bereits 18 Prozent. Tendenz steigend. Was stagniert: der Klimaschutz. 1990 hat der Verkehr in Frankfurt 1,39 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen, 2017 schon 1,67 Millionen Tonnen. Tendenz steigend. Kein Wunder, schwillt die Bevölkerungszahl doch täglich dank Pendlerinnen und Pendlern von 764 000 auf 1 050 000 Menschen an, 387 000 Menschen pendeln täglich ein, 101 000 aus. Viel zu viele davon mit dem Auto.
Als wäre das nicht Grund genug für eine Verkehrswende, hat sich die Stadt noch eine besondere Legitimation für ihr Strategiepapier gesucht. Nicht externe Fachleute haben es am Schreibtisch entworfen. Also, nicht nur. Sondern in einem aufwendigen Beteiligungsprozess auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt selbst. „Wir reden über eine Bürgerbeteiligung, die so breit noch nie da war“, sagt Heiko Nickel aus dem Verkehrsdezernat dazu.
Ein Fachbeirat mit Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verkehrsplanung, Verbänden habe mitgewirkt. Die Region sei eingebunden. „Der Verkehr endet ja nicht an der Stadtgrenze“, sagt Nickel. Außerdem haben die Planer etliche Mobilitätsforen mit Bürgerinnen und Bürgern angeboten, mit Dialogen online und in Präsenz. 780 Kinder und 890 Jugendliche haben mitgeredet.
Insgesamt waren 3000 Menschen beteiligt. Sie durften etwa entscheiden, welchen Weg zur Klimawende die Stadt bevorzugt beschreiten soll, also den Grundtenor des Masterplans. Soll sie den Umstieg weg vom Auto, hin zu den anderen Verkehrsmitteln priorisieren? Oder soll sie vermehrt auf Effizienz durch technische Neuerungen setzen? Das Publikum wählte Umstieg.
Wobei auf technische Effizienz nicht verzichtet werde, führt Wolfgang Siefert aus. Etwa die digitale Steuerung der U-Bahn-Signale, das schaffe 15 Prozent mehr Kapazitäten, ganz ohne Ausbau des Netzes. Apropos Ausbau. Nirgendwo in Deutschland fließe derzeit mehr Geld in den Ausbau des Nahverkehrs als im Rhein-Main-Gebiet, sagt Majer. Die Kosten dafür, der städtische Haushalt, werden kein Hindernis darstellen, versichern Siefert und Majer. Es gebe hohe Zuschüsse von Land und Bund. Woran es zuweilen eher hake, seien die Ressourcen: zu wenig Planerinnen und Planer, zu wenige Baufirmen.
Wobei so ein Handwerker, der in seinem Wagen durch die Stadt kurve, sich wenigstens als „effizient“ bezeichnen dürfe, versichert Heiko Nickel. „Handwerker transportieren ihre ganze Werkstatt mit sich.“ Im Gegensatz zu den Menschen, die einfach nur vier leere Sitze spazieren fahren.