Frankfurter Verein: Langfristige Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine

Der Verein Perspektive Ukraine hat sich direkt nach Kriegsbeginn in Frankfurt gegründet und sammelt Geld für verschiedene Projekte. Am Sonntag ist ein Transporter mit Equipment für ein Geburtshaus in Charkiw aufgebrochen.
Oksana Pavliuk hält eine Liste in der Hand und kontrolliert ganz genau, was gerade in einen weißen Sprinter eingeladen wird. Die Vorsitzende des Vereins Perspektive Ukraine steht am Sonntag auf dem Hof der Viktor-Frankl-Schule im Stadtteil Dornbusch. Um sie herum hieven Unterstützer:innen des Vereins sowie der Initiative Frankfurt for Ukraine, die in der Schule ihr Spendenlager hat, Kartons in das Fahrzeug. Darunter sind Medikamente, Kompressen, Hygieneartikel.
Der davorstehende Transporter ist schon fertig beladen. Er beinhaltet unter anderem einen Infusomaten und ein Narkosearbeitsplatz für Neugeborene für ein Geburtshaus in Charkiw. „Das ist alles finanziert aus Spenden und gebraucht gekauft worden. Der Gesamtwert beträgt rund 32 000 Euro“, berichtet Pavliuk. Sie ist am Sonntag mit ihrem Freund Sascha Engelbrecht und dem befreundeten Fotografen Daniel Kubirski losgefahren.
Der Transporter wird von zwei Männern gefahren, die aus Charkiw für die Hilfslieferung über die ukrainische Grenze fahren durften. „Ich werde bei der Übergabe dabei sein“, sagt Pavliuk. Ein mulmiges Gefühl hat sie trotz der zahlreichen Bombardierungen auf Charkiw durch russische Bomben in den vergangenen Tagen nicht. „Wenn meine Eltern in Kiew leben können, kann ich auch hinfahren“, findet sie.
Den Verein hat Pavliuk am 18. März mit sechs weiteren Personen gegründet. Einige ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat sie am Tag des Kriegsausbruchs kennengelernt. So wie Iusef Dzhakh-Dzhakh. Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Frankfurt kam er am 24. Februar zur Mahnwache vor das Russische Konsulat im Oeder Weg. „Oksana kam mit einem Megafon. Ich habe geschrien“, erzählt Dzhakh-Dzhakh, der aus Charkiw stammt. Noch am gleichen Tag gab es die erste Demonstration an der Hauptwache. Kurz darauf wurde eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, um eine tägliche Mahnwache vor dem Konsulat zu organisieren. Diese hat bis heute Bestand.
„Wir haben uns gedacht, dass wir uns institutionalisieren müssen“, sagt Pavliuk. Immer wieder seien sie auf der Mahnwache gefragt worden, wohin man Geld spenden kann oder ob sie Spendenquittungen ausstellen können. Zusammen mit sechs weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, darunter ihrem Freund Sascha Engelbrecht wurde der Verein innerhalb weniger Wochen gegründet. „Wir sind 14 Mitglieder, die mal mehr und weniger aktiv sind“, sagt Pavliuk. Aber wenn es darum gehe zu helfen oder zu mobilisieren, gäbe es ganz viele, die Perspektive Ukraine unterstützen. Die Sitzungen finden dabei meistens in ihrer Wohnung statt. Ann-Christin Damm ist mit Pavliuk befreundet, die sie aus ihren gemeinsamen Tagen an der Uni in Passau kennt. Sie hilft seit Kriegsausbruch beim Netzwerken, aber auch dabei, Firmen anzuschreiben für Spenden.
Der Verein
Der Verein Perspektive Ukraine hat sich zum Ziel gesetzt, Wiederaufbauarbeit in der Ukraine zu leisten. Dafür sammelt der in Frankfurt gegründete Verein Spenden. Er organisiert unter anderem Benefizkonzerte und die nächste Demonstration am 24. Februar um 15 Uhr an der Alten Oper gegen den russischen Angriffskrieg.
Das Spendenkonto lautet Perspektive Ukraine e. V.
IBAN: DE76830654080005242983
Paypal: @perspektiveukraine
Weitere Informationen zum Verein gibt es unter: perspektive-ukraine.de
„Der Vorteil ist, dass wir viele Mitglieder haben, die Leute vor Ort kennen, und so wissen, dass die Spenden ankommen“, sagt Damm. Allerdings sei es auch schwierig, einige Erwartungen zu managen. Viele Gruppen oder Initiativen seien bereits auf den Verein zugekommen, die um Mithilfe bei ihren Projekten gebeten haben, berichtet Damm. Dabei ist der Verein mit seinen eigenen Projekten, wie Benefizkonzerte, die Organisation von Demonstrationen und Hilfslieferungen, mehr als ausgelastet.
„Schon während der Zeit an der Mahnwache haben wir zwei-, dreimal humanitäre Hilfe geschickt“, erzählt Oleksandra Savchenko. Sie ist seit dem ersten Tag mit dabei, weil sie wie die anderen nicht tatenlos zu Hause sitzen kann, während ihre Landsleute in der Ukraine leiden. „Vor allem morgens hat man Angst“, sagt Savchenko. Jedes Mal, wenn sie nach dem Aufstehen auf ihr Handy schaue, schwinge die Befürchtung mit, dass die Ukraine plötzlich zu Russland gehöre. Sie wisse, dass das nicht so schnell passieren kann, aber unterdrücken kann sie den Gedanken auch nicht. Savchenko kümmert sich um die Social-Media-Arbeit des Vereins. Sie ist in ukrainischen Telegram-Gruppen und postet da von geplanten Aktionen oder Demonstrationen.
Pavliuk ist direkt nach Kriegsbeginn schon an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um Hilfsgüter abzugeben. Einmal ist sie mit Engelbrecht, der Pilot ist, sogar nach Uschgorod geflogen, um Spenden ins Land zu bringen. Die erste große Hilfsaktion des Vereins ging nach Berschad für Binnenflüchtlinge und deren Kinder. Der Kontakt kam über eine Freundin von Pavliuks Mutter. Gesammelt wurde alles, was zum Schulstart gebraucht wurde. „Viele der Kinder hatten einfach gar nichts“, sagt Pavliuk.
Das Ziel des Vereins ist es, langfristig beim Wiederaufbau des Landes Hilfe zu leisten – auch wenn noch nicht absehbar ist, wann der Krieg zu Ende sein wird. Als Nächstes will Perspektive Ukraine kleine Wasserkraftwerke in das Land bringen, damit sich Schulen, Krankenhäuser oder andere Einrichtungen autark versorgen können. „Wasserkraftwerke haben den riesigen Vorteil, dass sie das ganze Jahr über verlässlich Energie bringen“, erklärt Sascha Engelbrecht.
Zunächst will er mit Oksana Pavliuk die Spenden in Charkiw übergeben und dann heil nach Frankfurt zurückkehren. Für den 24. Februar organisiert der Verein dann die nächste Demonstration um 15 Uhr an der Alten Oper anlässlich des Jahrestags des russischen Angriffs. Auch danach wird weiter viel zu tun bleiben.



