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Frankfurter Stadtteil der Quartiere: „Das ist eine Irreführung“

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Von: George Grodensky

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Wolf Rüdiger Hansen ist Vorstandsmitglied im Frankfurter Kreisverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland.
Wolf Rüdiger Hansen ist Vorstandsmitglied im Frankfurter Kreisverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland. Bund © BUND

Rüdiger Hansen vom BUND hält auch die abgespeckten Pläne für nicht klimatauglich.

Herr Hansen, ist die neue Planung für den sogenannten Stadtteil der Quartiere aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes ein akzeptabler Kompromiss?

Nein. Man hat zwar die Einwände der Umlandkommunen berücksichtigt und die große Ackerfläche westlich der Autobahn als Fläche zur Kaltluftentstehung erhalten. Das reicht aber nicht.

Wieso nicht?

Erstens wird die Kaltluftfläche östlich der Autobahn auch nach neuem Plan völlig versiegelt. Zweitens wird für den Lärmschutz entlang der Autobahn ein zehn Meter hoher Wall angelegt. Sogar noch höher, weil die Autobahn zum Teil auf einem ungefähr sechs Meter hohen Damm verläuft. Das bedeutet, dass die Kaltluft, die von Westen kommt, von einer zehn bis sechzehn Meter hohen Wand ausgebremst wird. Die Kühlung fehlt dann in den anliegenden Vierteln, in der Nordweststadt, in Heddernheim und Praunheim. Das ist schmerzhaft angesichts der zunehmenden Zahl tropischer Nächte.

Die Planerinnen und Planer sagen, dass auf der östlichen Seite Grünflächen bleiben, auf denen Kaltluft entsteht, und dass zwischen den Bauten Platz für Luftzug bleibt.

Das ist eine Irreführung. Wenn der Boden im Lachgrabenquartier versiegelt wird, dann entsteht da keine Kaltluft mehr. Dafür reichen die Grünflächen zwischen Häusern und Straßen nicht. Auch der Verweis auf die breiten Korridore, durch die der typische Westwind weht, hinkt. Diesen Wind gibt es nicht in tropischen Nächten, weil sie durch ein riesiges Hochdruckgebiet gekennzeichnet sind. Da herrscht Windstille. Jedoch führt die Kaltluftentstehung zu lokalen Winden. Mit der Versiegelung durch das Lachgrabenquartier fiele die Kaltluftentstehung dort ganz weg; und die Kaltluft von der westlichen Fläche würde vom Lärmschutzwall blockiert.

Die Stadt sollte also ganz auf das Baugebiet verzichten?

Jedenfalls auf dieses Ausmaß. Das entspricht ja auch dem regionalen Flächennutzungsplan, in dem das Gelände vor Bebauung geschützt ist, weil es eben eine Klimaschneise ist, ein Grünzug, ein landwirtschaftliches Vorzugsgebiet. Dabei geht es nicht nur um den regionalen Flächennutzungsplan.

Sondern?

In der ursprünglichen Grüngürtelplanung der Stadt ist festgehalten, dass radiale Verbindungen zu den Grünflächen im Umland bestehen müssen, um den Artenaustausch zwischen Grüngürtel und grünem Umland zu ermöglichen. Das wird auch im Arten- und Biotopschutzkonzept der Stadt hervorgehoben.

Planungsdezernent Mike Josef sagt, er müsse neue Baugebiete ausweisen, weil die Stadt an Wettbewerbsfähigkeit verliere, weil sie zu wenig günstigen Wohnraum anbieten könne, für Familien oder für Studierende.

Ja, die Darstellung kennen wir. Im Zweifelsfall bekommt man die Frage zu hören: Wollen Sie denn nicht, dass Wohnungen gebaut werden? Natürlich wollen wir, dass alle Menschen eine Wohnung haben, aber wir halten die Forderung, dass die Stadt Frankfurt unbedingt so viele Wohnungen bieten muss, für zu kurz gefasst.

Wo sollen die Menschen denn wohnen?

Erstens gibt es das allgemeine Planungskonzept des Regionalverbands. Das sieht vor, dass 200 000 Wohnungen in der Metropolregion rund um Frankfurt gebaut werden. Und darüber hinaus gibt es das Förderprojekt „Frankfurter Bogen“ des Wirtschaftsministeriums. Das gibt Zuschüsse zum Bau der Infrastruktur für Baugebiete im Umland in der Nähe von S-Bahn-Stationen, mit denen Menschen in 30 Minuten zum Frankfurter Hauptbahnhof kommen können. Das ist kürzer, als wenn jemand im Norden von Frankfurt wohnt und im Süden von Frankfurt arbeitet.

Aber Frankfurt wächst eben.

Da stellt sich die Frage, ob Frankfurt nicht zu schnell auf Kosten des Umlands wächst. Das betrifft auch die Wasserversorgung. Da zeichnen sich gravierende Probleme ab, weil Frankfurt immer mehr Wasser aus dem Umland bezieht und sich das Umland dagegen stemmt. Das Problem könnte der Stadtteil der Quartiere noch verschärfen.

Inwiefern?

Ungefähr drei Viertel der Planfläche liegt im Wasserschutzgebiet Praunheim II. Als vor fünf Jahren die Planung anfing, ging man wohl davon aus, das Wasserwerk schließen zu können. Das Regierungspräsidium hält es aber für systemrelevant. Wir fürchten, dass das Grundwasser gefährdet ist, wenn das Gelände so zugebaut wird. Wenn aber die dort geförderte Wassermenge reduziert würde, müsste die Stadt noch mehr Wasser aus dem Umland beziehen.

Was sagt die Stadt dazu?

„Wir bauen so, dass das kein Problem wird“, heißt es dazu. Technisch ist das möglich. Man kann die Häuser, Straßen und Schienen in Wannen setzen. Es ist Vorschrift im Wasserschutzgebiet, dass Abwasser, Oberflächenwasser, nicht seitlich von der Straße fließen oder durch den Schotter der Schienen in die Erde sickern darf. Es muss aufgefangen werden und aus dem Wasserschutzgebiet herausgeleitet werden. Dies sowie die Maßnahmen für Lärmschutz und für die Verlegung der 380 KV-Leitung auf die Westseite der A5 verursacht zusätzliche Kosten. Die schlagen sich am Ende auf die Mieten nieder. Wie sollen dann noch „bezahlbare Wohnungen“ entstehen?

Interview: George Grodensky

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