Frankfurter Sparkasse-Chef: „Wir stellen uns der Geschichte“

Der Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse, Ingo Wiedemeier, spricht im FR-Interview über die umstrittene Aufarbeitung der NS-Zeit seines Hauses.
Um die Chronik zum 200- jährigen Bestehen der Frankfurter Sparkasse gibt es Ärger: Der Historiker Ralf Roth, vom Institut für Bank- und Finanzgeschichte (IBF) mit der Festschrift beauftragt, kritisierte, er sei an der gründlichen Aufarbeitung der NS-Zeit behindert worden. Teile der verbrecherischen Bankgeschäfte zwischen 1933 und 1945 hätten verschwiegen werden sollen. Das sei keineswegs beabsichtigt, sagt Sparkasse-Vorstandschef Ingo Wiedemeier im Interview.
Herr Wiedemeier, war Ihnen eigentlich bewusst, wie sehr die Frankfurter Sparkasse in die Verbrechen des Nationalsozialismus verwickelt war?
Dass dieses ein düsteres Kapitel in der Geschichte unserer Sparkasse war, ist doch jedem klar. Wir haben entschieden, wenn wir zum Jubiläum eine Chronik erstellen lassen, können und wollen wir nicht ganze Jahrzehnte, die traurigsten zumal, ausblenden. Wenn wir das hätten versuchen wollen, hätten wir sicherlich keine Chronik beauftragt. Wir wollten und werden diese Zeit gründlich aufarbeiten.
Andere Unternehmen haben große Untersuchungen über ihre eigene NS-Geschichte vorgelegt – das wurde von der Öffentlichkeit honoriert. Warum nicht die Frankfurter Sparkasse?
Ich bin jetzt eineinhalb Jahre hier im Haus und kann nur für diese Zeit sprechen. Ein Jubiläum ist immer eine gute Gelegenheit, so etwas aufarbeiten zu lassen. 2019 den Auftrag für diese Arbeit anhand der Festschrift zum 200-jährigen Bestehen zu erteilen, war die richtige Entscheidung.
Ist eine Jubiläumsfestschrift das geeignete Medium, um diese dunkle Phase gebührend aufzuarbeiten?
Die Chronik soll 200 Jahre beinhalten. Dass es da auch dunkle Zeiten gab, ist klar. Wir können und wollen uns nicht nur mit den guten Jahren beschäftigen. Die NS-Zeit ist ein Schatten, der nicht nur die Frankfurter Sparkasse, sondern viele Einrichtungen aller Art betroffen hat. Chronik heißt 200 Jahre, von der Gründung bis heute, und selbstverständlich ist die NS-Zeit ein Teil davon. Dass dieser Abschnitt so umfangreich wird und nachgearbeitet werden muss, hat sich aus der Arbeit an der Chronik ergeben. Dem werden wir uns stellen.
Es gibt jetzt den Plan, diese Phase auszulagern und zum eigenen Thema zu machen.
Das ist die logische Konsequenz, die wir nach den Diskussionen der letzten Wochen gezogen haben. Die NS-Zeit wirklich gründlich untersuchen zu lassen, dafür reicht eine 200 Seiten-Chronik nicht aus. Daher beabsichtigen wir eine parallele Aufarbeitung der Zeit von 1933 bis 1945.
Wie beurteilen Sie aktuell das öffentliche Bild der Sparkasse und des Umgangs mit ihrer NS-Vergangenheit? Es steht der Vorwurf im Raum, es hätten Details unterdrückt werden sollen.
Das Ganze war natürlich sehr schade! Aber wir haben uns für eine Zusammenarbeit mit dem Institut für Bank- und Finanzgeschichte entschieden, dessen Kompetenz wir schätzen. Wir hätten es natürlich lieber gesehen, wenn sich das IBF und Professor Roth verständigt hätten. Aber wir können es inhaltlich nicht bewerten und vertrauen auf die Fertigstellung der Chronik. Mich schmerzt der Eindruck, dass wir Inhalte vorenthalten wollten. Dies liegt mir fern.
Nun soll statt des unabhängigen Historikers Ralf Roth ein Mitglied des wissenschaftlichen IBF-Beirats den Abschnitt über die NS-Zeit in der Chronik verfassen.
Dafür hat sich das IBF entschieden, wir akzeptieren das. Wir haben übrigens seinerzeit keinen Einfluss auf die Auswahl der Autoren genommen, das tun wir jetzt auch nicht. Wir stellen inhaltlich auch nichts infrage – wir sind keine Historiker, wir sind Banker. Dass das IBF zu anderen Ergebnissen gekommen ist, war nicht unsere Entscheidung.

Das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem IBF besteht aber weiterhin?
Das IBF hat ein umfangreiches Netzwerk an Historikern. Der Auftrag für die Chronik ist nach wie vor erteilt und muss noch vollendet werden.
Wann könnte das soweit sein? Das Jubiläumsjahr läuft …
Das Jahr ist schon zu einem Viertel vorbei. Wir hoffen, dass die Chronik noch vor dem Jahresende erscheinen wird. Der Jubiläumstermin ist der 12. Juni 2022, bis dahin wird es nicht zu schaffen sein. Wir haben für uns die Konsequenz gezogen, dass die NS-Zeit gesondert aufgearbeitet werden muss und wollen damit nicht warten, bis die Chronik vorliegt. Deshalb wird das parallel laufen. Wir befinden uns derzeit mit möglichen Partnern im Gespräch, um eine gründliche und transparente Aufarbeitung auf den Weg zu bringen.
Zur Person
Ingo Wiedemeier (50) ist seit September 2020 Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse. Zuvor war er in gleicher Position bei der Sparkasse Hanau tätig gewesen.
Die Frankfurter Sparkasse zählt mit einer Bilanzsumme von 21,5 Milliarden Euro zu den größten in Deutschland. Das Institut, das der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) gehört, betreibt 54 Geschäftsstellen, davon 39 in Frankfurt. cm
Die Sparkasse hat 2021 mit einem großen Filialabbau begonnen. Bis 2024 sollen 17 Geschäftsstellen in Frankfurt entfallen. Wieso halten Sie das in so großen Umfang für nötig?
Corona hat dazu beigetragen, dass noch mehr Kundinnen und Kunden Online-Banking nutzen und die Frequenz in den Filialen weiter gesunken ist. Um einen Standort wirtschaftlich betreiben zu können, brauchen Sie eine bestimmte Zahl an Kunden. Wenn die Filialen zu dicht aneinander liegen, wie das in Frankfurt bisher der Fall war, gibt es Anpassungsbedarf – analog dem veränderten Kundenverhalten. Wir müssen ja auch unsere Innovationen in Apps und andere moderne Technik zahlen. Neues zu entwickeln und zugleich das Alte komplett zu bewahren, ist nicht möglich.
Im Frankfurter Norden gibt es parteiübergreifend Protest gegen die Schließungen. Ältere Menschen, die kein Online-Banking nutzen, würden abgehängt.
Ja, natürlich gibt es ältere Kunden, die uns sagen: „Ich mache kein Online-Banking. Was mache ich nun?“ Beratung und Wertpapiergeschäfte sind aber auch telefonisch möglich. Unser Ziel ist, bei den Schließungen so ausgewogen vorzugehen, dass es überall nicht zu weit zur nächsten Filiale ist. Wir haben übrigens immer noch so viele Filialen in der Stadt wie die Frankfurter Volksbank, die Commerzbank, die Hypo Vereinsbank und die Postbank zusammen.
Welche Rolle werden die Geschäftsstellen für die Sparkasse in Zukunft noch spielen?
Eine große. Die Entwicklung wird aber nicht nur bei uns zu größeren Einheiten gehen, zu Beratungscentern mit Fachberatung zu verschiedenen Themenfeldern. Der Kunde muss davon ausgehen können, dass er vor Ort kompetent beraten wird.
Für den Neubau der Oper hat die Stadt Frankfurt das Sparkassenareal an der Neuen Mainzer Straße in den Blick genommen. Wie gefällt Ihnen das eigentlich?
Die Stadt Frankfurt klopft jetzt offiziell an. Sie glauben aber gar nicht, wie oft wir gefragt wurden und werden, ob es Interesse gibt, das Areal zu verkaufen.
Die Stadt will mit der Helaba bereits über einen Erwerb des Areals sprechen. Wenn dort eine Oper errichtet wird, müssten Sie sich neue Räume suchen.
Dazu können wir aktuell wenig sagen. Es gibt ja offenbar drei Standorte mit Vor- und Nachteilen, die für die Bühnen in Frage kommen. Die Stadt Frankfurt wird sich sicher mit den unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die jeweiligen Standorte zunächst intensiv beschäftigen.
Interview: Christoph Manus und Thomas Stillbauer