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„Der Frankfurter Weg ist ein Stück weit überholt“

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Von: Georg Leppert

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Annette Rinn will die Stadtpolizei in Frankfurt stärken.
Annette Rinn will die Stadtpolizei in Frankfurt stärken. © Boris Roessler/dpa

Die neue Frankfurter Sicherheitsdezernentin Annette Rinn (FDP) spricht im FR-Interview über Drogenpolitik, Partys in Grünanlagen und Straßenmusik in der Innenstadt.

Seit Anfang September ist Annette Rinn Sicherheitsdezernentin der Stadt Frankfurt. Zum Interview kommt die FDP-Politikerin zu Fuß. Auf den Dienstwagen, der ihr zusteht, verzichtet sie. „Mit dem ÖPNV ist man in Frankfurt doch zumeist viel schneller unterwegs“, stellt sie fest. Dann nimmt sich die 61-Jährige Zeit, um mit der FR die einzelnen Aspekte der Sicherheitspolitik zu besprechen.

Frau Rinn, eine Ihrer ersten Amtshandlungen war, die Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes voranzutreiben, die das Stadtparlament Ende September beschlossen hat. Wie fielen die Reaktionen aus?

Es gab überraschend wenig Reaktionen. Klar, die Opposition hat diese Entscheidung kritisiert. Das war zu erwarten. Doch darüber hinaus blieb es weitgehend ruhig.

Hat sich die Polizei nicht bei Ihnen beschwert?

Nein. Es gab Gespräche, aber niemand hat gesagt, wir müssten unbedingt am Freiwilligen Polizeidienst festhalten. Und die Polizeigewerkschaft war ohnehin immer dagegen. Für echte Sicherheit können nur professionelle Kräfte sorgen, etwa die Stadt- und die Landespolizei.

Mit dem Geld, das durch die Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes frei wird, soll die Stadtpolizei unterstützt werden. Tatsächlich spart die Stadt Frankfurt aber doch so gut wie nichts, oder?

Zumindest reicht es nicht, um der Stadtpolizei substanziell zu helfen. Ausrüstung und Ausbildung im Freiwilligen Polizeidienst hat das Land Hessen übernommen, die Stadt hat nur die Aufwandsentschädigung bezahlt. Bei sieben Euro pro Stunde und zuletzt 1500 Streifenstunden pro Jahr ist das nicht viel. Es ist aber unstrittig, dass die Stadtpolizei personell verstärkt werden muss. Und sie braucht endlich Digitalfunk. Das ist nicht billig, aber dafür werde ich kämpfen.

Bürgerinnen und Bürger haben sich zuletzt wieder über laute Partys mit viel Müll in Parks und Grünanlagen beschwert. Dagegen sei die Stadtpolizei machtlos, beklagen sie. Stimmt das?

Ein Stück weit schon. Zum einen hat die Stadtpolizei in der Regel nur zwei Streifen für derartige Einsätze in Bereitschaft. Sie kann nicht überall sein. Und dann ist auch die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage sie eigentlich einschreiten soll. Klar, wenn da junge Leute mit Verstärkern hantieren, dann kann die Stadtpolizei einschreiten. Das tut sie auch sehr regelmäßig. Aber wenn Menschen in einer Grünanlage sitzen und sich unterhalten, dann ist das nicht verboten. Da kann auch die Stadtpolizei nichts machen.

Also müssen Sie den Anwohnerinnen und Anwohnern letztlich sagen: Der Krach gehört zu einer Großstadt, damit muss man hier leben?

Klar können Menschen in Frankfurt keine Umgebung wie auf dem Land erwarten. Ich denke aber, dass man gerade jungen Leuten, die sich halt irgendwo treffen wollen, andere Angebote machen sollte. Da sind wir ämterübergreifend auch dran, ich kann aber noch nicht konkret werden.

Bleibt das Problem des Mülls.

Das ist etwas, was wir mit ordnungspolitischen Maßnahmen alleine nicht in den Griff bekommen werden. Eine echte Verbesserung wird es erst mit einem Pfandsystem auf Verpackungen geben.

Annette Rinn ist seit September Sicherheitsdezernentin.
Annette Rinn ist seit September Sicherheitsdezernentin. © peter-juelich.com

Zur Person

Annette Rinn (FDP) ist die neue Dezernentin für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz in Frankfurt. Damit folgt sie auf Markus Frank (CDU), der dieses Amt seit 2011 innehatte. (Peter Jülich)

Also 50 Cent Pfand auf Pizzakartons?

Ja, aber nicht nur auf Pizzaschachteln. Es müssen Anreize geschaffen werden, dass die Menschen ihren Abfall mitnehmen.

Mit Beginn der Weihnachtszeit wird es wieder um Betteln und Straßenmusik auf der Zeil gehen. Werden Sie an der Haltung der Stadtregierung etwas ändern?

Nein. Wir können das Betteln nicht grundsätzlich verbieten, und das wollen wir auch nicht. Es gibt aber klare Regeln, die müssen durchgesetzt werden. Und das tut unsere Stadtpolizei auch. Ich bekomme jeden Tag den Lagebericht, und da lese ich ständig, dass die Stadtpolizei wegen aggressiven Bettelns eingeschritten ist. Das ist aus gutem Grund verboten. Und für die Straßenmusik gilt das Gleiche ...

Darüber hatten sich ja vor allem die Geschäftsleute auf der Zeil beschwert ...

Es gibt auch da Regeln. Keine Verstärker, nach einer gewissen Zeit müssen sie den Platz wechseln. Das wird die Stadtpolizei durchsetzen, darauf können sich die Geschäftsleute verlassen.

Wie schätzen Sie die Situation im Bahnhofsviertel ein?

Es gibt dort mehrere Probleme – nicht nur die Suchtkranken. Ein Teil der Partyszene hat sich dorthin verlagert und sorgt für Müll und Krach. Bezüglich der Drogenabhängigen hat die Schließung von Hilfseinrichtungen wegen Corona die Situation verschlechtert. Im Moment gelten dort noch bestimmte Hygieneregeln, die unter Umständen zu Zugangsbeschränkungen führen. Wenn hoffentlich bald wieder alle regulär öffnen, wird sich die Lage verbessern. Aber in jedem Fall braucht die Stadtpolizei mehr Personal, um im Bahnhofsviertel eingreifen zu können.

Am Frankfurter Weg werden Sie aber auf jeden Fall festhalten?

Ich denke, der ist ein Stück weit überholt. Wir werden da über Reformen nachdenken müssen. Wir müssen uns mehr am Züricher Modell orientieren. Da werden Drogenabhängige viel stärker in die Pflicht genommen und auch offensiv angesprochen, damit sie sich an die Regeln halten. Gleichzeitig ist klar: Auch Drogenabhängige haben ein Recht, in Frankfurt zu leben. Sich vor den Einrichtungen Heroin zu spritzen, geht aber nicht.

Sie plädieren schon länger für die Freigabe von Cannabis, die jetzt kommen dürfte ...

In jedem Fall sollte sich Frankfurt für ein Pilotprojekt bewerben, um Cannabis kontrolliert abgeben zu können. Das hat mehrere Vorteile: Die Konsument:innen bekommen reinen Stoff, der nicht etwa mit Heroin gestreckt ist. Zum anderen verschwindet damit ein großer Teil der Dealerszene. Dadurch hat die Polizei mehr Möglichkeiten, den übrigen Teil zu überwachen.

Interview: Georg Leppert

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