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Frankfurter Personalratschef: „Wir können nicht mehr mit der Privatwirtschaft konkurrieren“

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Von: Christoph Manus, Georg Leppert

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Christian Barthelmes ist seit 15 Jahren Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Stadt Frankfurt.
Christian Barthelmes ist seit 15 Jahren Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Stadt Frankfurt. © Monika Müller

Der Frankfurter Gesamtpersonalratschef Christian Barthelmes spricht im FR-Interview über Fachkräftemangel, Korruption in der Stadtverwaltung und die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst.

Herr Barthelmes, allein in der Kernverwaltung der Stadt Frankfurt sind mehr als 1500 Stellen unbesetzt. Der Krankenstand ist hoch. Ist die Stadt noch arbeitsfähig?

Die Belastung ist sehr hoch, die Situation wird immer schwieriger. Natürlich sind wir arbeitsfähig. Wir haben hoch motivierte Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag ihre Arbeit tun, wenngleich rechtmäßiges Verwaltungshandeln schwierig geworden ist.

Der Anspruch muss doch sein, dass die Verwaltung funktioniert und die Bürgerinnen und Bürger nicht unter Problemen wie der Unterbesetzung leiden. In der Ausländerbehörde aber blieben Tausende E-Mails liegen, mit zum Teil gravierenden Folgen.

Das hat mit dem eklatanten Personalmangel zu tun. Es ist allgemein schwierig, Fachkräfte zu finden, um die offenen Stellen zu besetzen. In Bereichen mit Bürgerkontakt, wie zum Beispiel der Ausländerbehörde, ist es noch etwas komplexer. Auch gerade deshalb, weil sich solche Bereiche häufig an rechtliche Veränderungen anpassen müssen.

Aber sollte es nicht für städtische Beschäftigte selbstverständlich sein, dass sie sich weiterbilden und auch mit dem Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern gut umgehen können?

Ja, das ist es für die Beschäftigten in der Ausländerbehörde auch, sowie für alle anderen Kolleginnen und Kollegen. Die Frage ist aber doch, warum sich nicht mehr Menschen bei der Stadt bewerben. Und auch dieses Problem gibt es ja nicht nur in der Ausländerbehörde, sondern in der gesamten Stadtverwaltung.

Der von Kämmerer und Personaldezernent Bastian Bergerhoff eingebrachte Stellenplan sieht ein Plus von 230 Stellen vor. Dass diese schnell besetzt werden könnten, ist allerdings kaum zu erwarten …

Wir halten den Stellenplan für keinen Fortschritt. Bei den 230 Stellen handelt es sich zu einem großen Teil um eine Umwidmung von Stellen, die es bereits gibt, etwa aus der Stellenreserve. Aber Sie haben recht: Die Besetzung der tatsächlich neu geschaffenen Stellen wird eine Herausforderung. In sehr vielen Bereichen der Stadtverwaltung müssen Stellen mehr als einmal ausgeschrieben werden.

Allein im Amt für Bau und Immobilien sind mehr als 100 Stellen unbesetzt. Wieso fällt es der Stadt so schwer, offene Stellen zu besetzen? Eigentlich ist sie doch ein attraktiver Arbeitgeber, sie bietet sichere Jobs, Tariflöhne und Extras wie das Jobticket, künftig das Deutschlandticket.

Wir bemühen uns um attraktive Arbeitsbedingungen. Doch beim Entgelt kann der öffentliche Dienst nicht mehr mit der Privatwirtschaft konkurrieren. Das betrifft sehr viele Bereiche, zum Beispiel das Amt für Bau und Immobilien, das Stadtplanungsamt oder das Vermessungsamt. Auch in sozialen Berufen und im handwerklichen Bereich ist es schwierig. Stellen für Gärtnerinnen oder Gärtner müssen oft zwei, drei oder vier Mal ausgeschrieben werden.

Sie fordern als Gesamtpersonalrat seit Jahren eine Ballungsraumzulage für die städtischen Beschäftigten. Der designierte Oberbürgermeister Mike Josef will nun einen Frankfurt-Zuschlag für Erzieher:innen einführen. Die Rede ist von 200 Euro im Monat. Was halten Sie davon?

Ich finde, das ist ein guter erster Schritt. Wir werden Mike Josef aber daran erinnern, dass es nicht nur bei Erzieherinnen und Erziehern einen Fachkräftemangel gibt, sondern in nahezu allen Bereichen der Stadtverwaltung. Die Menschen müssen von ihren Löhnen gut leben können. Für viele im Ballungsraum reicht das Geld aber nicht mehr für den ganzen Monat. Und dann weichen sie unweigerlich in die private Wirtschaft aus.

Verdi hatte in der laufenden Tarifrunde deshalb 10,5 Prozent mehr Gehalt für die Angestellten von Bund und Kommunen gefordert. Wie bewerten Sie das Verhandlungsergebnis?

Sie sprechen mich als Mitglied der Verdi-Bundestarifkommission an. Jetzt haben erst einmal unsere Mitglieder das Wort, die sich bis zum 12. Mai zum Ergebnis äußern können. Das Ergebnis entspricht nicht meinen Vorstellungen. Uns war ein Mindestbetrag von 500 Euro wichtig, da wir uns vor allem für unsere Kolleginnen und Kollegen der unteren und mittleren Einkommen einsetzen wollten. Der erzielte Kompromiss ist an dieser Stelle enttäuschend, auch wegen der überragenden Beteiligung unserer Kolleginnen und Kollegen an den Arbeitskampfmaßnahmen. Außerdem reicht er bei weitem nicht aus, dem Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst wirksam entgegenzutreten.

Welche Rolle spielen die Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Leiter des städtischen Hauptamts im Alltag der Beschäftigten?

Zur Person

Christian Barthelmes (62) ist seit 2008 Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Stadt Frankfurt. Der Techniker und Meister im Garten- und Landschaftsbau arbeite zuvor für den Palmengarten.

Der gebürtige Franke gehört der Verdi-Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst an, die am Samstag im Potsdam, über die Annahme des Schlichterspruchs verhandelte.

Mehr als 15 000 Menschen sind derzeit für die Stadt Frankfurt tätig. Die Kernverwaltung hatte Ende März 11 159 Beschäftigte im Dienst. Bei den städtischen Eigenbetrieben, zu denen etwa Kita Frankfurt gehört, arbeiteten zum Stichtag 3957 Menschen. cm

Eine große. Viele Kolleginnen und Kollegen sehen sich unter Generalverdacht gestellt. Das finde ich sehr schwierig. Es gab in den vergangenen zehn Jahren nicht viele Fälle von Korruption in der Stadtverwaltung. Ich denke, da sollte man jetzt auch mal den Ball flach halten.

Die Ermittlungen gegen Tarkan Akman liefen seit fast einem Jahr, bevor sie öffentlich wurden. Haben Sie vorher davon etwas mitbekommen?

Nein, das habe ich nicht.

Ist das nicht seltsam? Da wird gegen einen wichtigen Amtsleiter ermittelt. Und kaum jemand in der Stadtverwaltung bekommt davon etwas mit.

Der Personalmangel in der Frankfurter Ausländerbehörde hat zum Teil gravierende Auswirkungen.
Der Personalmangel in der Frankfurter Ausländerbehörde hat zum Teil gravierende Auswirkungen. © Christoph Boeckheler

Ich kann dazu nur wenig sagen. Ich bin überzeugt davon, dass die Kolleginnen und Kollegen im Hauptamt jederzeit nach Recht und Gesetz gehandelt haben. Ich stelle mich ausdrücklich vor sie. Natürlich begrüße ich jede Form der Aufklärung, aber mit dem Generalverdacht muss einfach Schluss sein.

Kommen Sie gut mit Bastian Bergerhoff klar?

Ja, aber darum geht es ja nicht. Wir haben auf einer Ebene mit ihm zu tun, auf der so etwas keine Rolle spielt.

Was meinen Sie damit?

Ich habe in den vergangenen 15 Jahren mit vielen Dezernentinnen und Dezernenten zusammengearbeitet. Dabei ging es nie um die Frage, ob man sich nett findet oder nicht. Ich kam mit allen klar. Wichtig ist aber, was man mit ihnen für verbindliche Vereinbarungen für die Beschäftigten erzielen kann. Und dafür spielt übrigens die Parteizugehörigkeit keine Rolle. Wir haben als Personalrat mit Boris Rhein gute Vereinbarungen getroffen, aber auch mit Stefan Majer oder Peter Feldmann. Mit Bastian Bergerhoff sprechen wir gerade über neue Formen des Konfliktmanagements, die auch dazu führen könnten, den Krankenstand zu senken. Das ist ein spannendes Projekt.

Können Sie da konkret werden?

Überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, kommt es auch zu Spannungen und Konflikten. Das ist ganz normal. Entscheidend ist der Umgang mit den schwierigen Situationen. Es geht darum, wie man sie moderiert und im besten Fall löst. Dabei sind nicht nur Führungskräfte gefragt, sondern alle handelnden Personen. Ziel ist ein professioneller Umgang mit Konflikten, damit diese nicht zu dauerhaft belastenden und krank machenden Arbeitssituationen führen.

Was müsste noch geschehen, um die Stadt als Arbeitgeberin attraktiver zu machen?

Luft nach oben haben wir unter anderem noch bei der Beteiligungskultur. Wir hätten gerne, dass Entwicklungs- und Veränderungsprozesse stärker mit den Betroffenen zusammen angegangen werden.

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