Frankfurter Grüne gewinnen die Wahl

Das Jahr 2021 in Frankfurt: Seit März gibt es im Römer eine neue Koalition – es ist seit vielen Jahrzehnten die erste ohne die CDU. Auch viele andere Ereignisse haben das Jahr geprägt.
Es ist eine merkwürdige Siegesfeier. In der Wahlkampfzentrale der Frankfurter Grünen an der Berliner Straße spielt am Abend des 14. März eine kleine Band. Aber kaum jemand hört zu. Zumindest steht kaum jemand vor der Bühne. Das Konzert wird allerdings im Internet übertragen. Ob die Mitglieder der Grünen (die Zahl wächst im Laufe des Jahres auf 1800) vor dem Computer tanzen, ist nicht bekannt. Ihre Stimmung dürfte aber prächtig sein. Denn die Grünen sind bei der Kommunalwahl stärkste Kraft in Frankfurt geworden. Mal wieder.
Dass viele politische Beobachter:innen noch kurz vor Schließung der Wahllokale unsicher sind, ob die Grünen nach der Landtagswahl und der Europawahl auch die Kommunalwahl in Frankfurt gewinnen, hängt wie so vieles mit dem Coronavirus zusammen. Es fällt unglaublich schwer, ein Gefühl für eine Wahl zu entwickeln, wenn es keinen richtigen Wahlkampf gibt. Fast alle Parteien verlagern ihre Aktivitäten komplett ins Internet. Doch was man da mitbekommt, hat mit klassischem Wahlkampf nichts zu tun. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) macht seiner Partei Mut. Nur rund 100 Leute schauen zu – oder haben zumindest den Rechner eingeschaltet. Die politische Konkurrenz macht ganz ähnliche Erfahrungen. Und Nico Wehnemann, Spitzenkandidat der Partei „Die Partei“ tut, was Satiriker:innen eben tun müssen. Er wählt den ironischen Weg, um mit der Situation umzugehen. Bei seiner Wahlkampfveranstaltung auf You Tube isst er minutenlang einen Döner. Hinterher stellt er fest, er hätte lieber Knoblauchsoße nehmen sollen.
Auch nach 18 Uhr steht noch lange nicht fest, wer diese Wahl gewonnen hat. Das liegt am enorm hohen Anteil der Menschen, die nicht im Wahllokal, sondern per Brief abgegeben haben. Und so zieht sich der Abend. Erst gegen 23 Uhr sagt Bastian Bergerhoff, der gemeinsam mit Martina Feldmayer die Liste der Grünen anführte: „Ja, wir haben gewonnen“. Am Ende landet seine Partei bei knapp 25 Prozent und damit fast drei Punkte vor der CDU. Die SPD stürzt auf 17 Prozent ab. Ein Trend, der auch landesweit zu beobachten ist. Gleichwohl wird die CDU in Hessen stärkste Kraft.
Doch mit dem Wahlsieg der Grünen wächst auch die Verantwortung der Partei in Frankfurt. Plötzlich kann sie nicht mehr abwarten, wer für Gespräche über eine Regierungsbeteiligung auf sie zukommt. Die Grünen müssen selbst eine Koalition im Römer bilden – und geraten schnell in interne Konflikte, die schon längst überwunden geglaubt waren. Gerade wichtige und einflussreiche Grüne wie Gesundheitsdezernent Stefan Majer hatten in der Zusammenarbeit mit der CDU durchaus gute Erfahrungen gemacht. Doch die Parteibasis, die zuletzt durch sehr engagierte Klimaschützer:innen Zulauf bekommen hat, kann mit den Christdemokraten wenig bis gar nichts anfangen. Warum sollen wir eine Koalition mit einer starken und in Klimafragen zögerlich agierenden CDU eingehen, wenn wir auch ein Linksbündnis haben können? Die Frage steht über allen Kreismitgliederversammlungen im Frühjahr, die ebenfalls digital abgehalten werden.
FDP verhandelt nach
Am Ende gibt es einen Kompromiss. Die Grünen gehen eine Koalition mit der SPD ein, holen sich aber nicht die Linke dazu, sondern die FDP und die Neulinge von Volt. Dennoch wird es Spätsommer, bis die neuen Dezernentinnen und Dezernenten und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) gewählt sind. Denn es gibt Irritationen. In einer turbulenten Mitgliederversammlung in Zeilsheim lehnt die FDP den Koalitionsvertrag zunächst ab und fordert Nachverhandlungen. So entsteht ein Zusatzpapier, dem die Partei kurze Zeit später dann auch zustimmt. Derweil weist die Basis der Grünen die Pläne für die Besetzung der Posten im Magistrat zunächst zurück. Die Parteiführung hatte das Frauenstatut etwas eigenwillig ausgelegt.
Doch schließlich steht die Frankfurter Koalition, die Vampel, wie sie recht umständlich genannt wird. Inhaltlich soll der Klimaschutz fortan an Bedeutung gewinnen, es soll mehr geförderten Wohnraum geben, die FDP soll die Wirtschaft und Volt die Digitalisierung vorantreiben. Ob das alles finanzierbar ist? Die CDU ist skeptisch – aber die ist ja nun in der Opposition. Zum ersten Mal seit 25 Jahren.





