Frankfurter Eltern wollen keine verpflichtende Ganztagsschule

Eine Umfrage des Stadtelternbeirats zeigt: Eltern wünschen eine flexible Nachmittagsbetreuung. An der Umfrage nahmen allerdings vor allem Eltern aus Stadtteilen wie Sachsenhausen, Nordend und Bornheim teil.
Eines ist nach der Umfrage des Stadtelternbeirats klar: Frankfurter Eltern wünschen sich eine Ganztagsbetreuung. Etwa 91 Prozent möchten ihre Grundschulkinder auch außerhalb der Unterrichtszeiten betreut wissen. Aber: Die Mehrheit bevorzugt eine weitgehende Freiwilligkeit der Nachmittagsbetreuung. 84 Prozent der Eltern wünschen eine verpflichtende Teilnahme am Schultag nur bis spätestens 15 Uhr. „Eltern wollen ab 14 oder 15 Uhr ein Mitspracherecht“, sagt Alexander Kohen vom Stadtelternbeirat. Bei einer rhythmisierten und verpflichtenden Ganztagsschule bis 17 Uhr wie in Frankreich „schlagen viele die Hände über dem Kopf zusammen“.
Befragt wurden Eltern von Kindern in den Grund- und Förderschulen zwischen Ende Januar und Ende Februar dieses Jahres. Insgesamt nahmen 2582 Eltern an der Umfrage teil. Der Stadtelternbeirat hatte sie vorgenommen um herauszufinden, wie der Betreuungsbedarf tatsächlich aussieht. Inhaltlich wünschen sich Eltern laut Umfrage, dass die Hausaufgabenbetreuung sichergestellt ist und auch Musik- und Sportangebote in den Ganztag eingebaut werden. Die meisten Eltern sind bereit, zwischen 100 und 200 Euro für die Betreuung zu zahlen.
Die Bedürfnisse der Eltern wollte der Stadtelternbeirat vor dem Hintergrund der Novelle des hessischen Landesschulgesetzes und der beginnenden Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ermitteln. Im Sommer 2026 tritt der Rechtsanspruch in Kraft – schrittweise. Zunächst für Erstklässler:innen, danach kommt jährlich ein weiterer Jahrgang hinzu. Mit Beginn des Schuljahres 2029/30 gilt der Rechtsanspruch für alle Grundschulkinder.
7900 Plätze schaffen
Bis dahin ist in Frankfurt noch einiges zu tun. Laut einer Berechnung des Wuppertaler Instituts für bildungsökologische Forschung müssen bis 2029/2030 – ausgehend vom Stand 2020/2021 – noch rund 7900 Plätze in Horten und Grundschulen geschaffen werden. Kohnen nennt den Rechtsanspruch „die größte Veränderung der vergangenen 70 Jahre in der Bildungslandschaft“. Die wilhelminische Grundschule mit vier Stunden Unterricht werde modernisiert. Doch wie genau der Ganztag für die Kinder aussehen soll, ist nicht vorgeschrieben.
Die Umfrageergebnisse des Stadtelternbeirats zeigen, dass viele Eltern die Möglichkeit einer Frühbetreuung und freiwillige Angebote an allen Wochentagen bis 16 oder 17 Uhr wünschen. Verpflichtend soll der Schultag aber nur bis 15 Uhr gehen. Denn – auch das zeigt die Umfrage – viele Kinder sind nachmittags bereits verplant. Sie machen etwa Sport, Musik oder Kunst.
An der Umfrage beteiligten sich vor allem Eltern aus Stadtteilen wie dem Nordend, Sachenhausen und Bornheim „mit vielen bildungsnahen Haushalten“, sagt Kohnen, in denen am Nachmittag leichter Geld für den Musikunterricht hingelegt werden könne. Die Tendenz in bildsungsfernen Haushalten gehe eher in Richtung eines vollständig organisierten Schultags. Kohnen sieht einen verpflichtenden Ganztag auch als „Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit“.
Ein Ganztagsmodell daher einheitlich über ganz Frankfurt zu stülpen, hält Kohnen nicht für sinnvoll. Es müsse individuelle Lösungen für die Schulen geben. Mit der Umfrage wolle man mit Bildungsdezernat, Stadtschulamt und Staatlichem Schulamt in den Dialog gehen, damit „der Ganztag gemeinsam entwickelt wird“. Auch habe der Stadtelternbeirat beim Stadtschulamt angeregt, „die Kinder zu befragen, was sie eigentlich wollen“.