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Frankfurter Ärztin Elke Jäger: Kämpferin gegen den Krebs

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Elke Jäger, Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie im Frankfurter Krankenhaus Nordwest.
Elke Jäger, Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie im Frankfurter Krankenhaus Nordwest. © Thorsten Jansen

Die Frankfurter Chefärztin Elke Jäger engagiert sich seit Jahrzehnten für die Weiterentwicklung der Onkologie.

Elke Jäger liegt über dem Durchschnitt – in mehrfacher Hinsicht. Das beginnt schon damit, dass die Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie seit 30 Jahren im Nordwestkrankenhaus tätig ist. Die durchschnittliche Verweildauer bei ein und demselben Arbeitgeber liegt bei knapp zwölf Jahren. Wer nicht wechselt, ist entweder hochzufrieden oder hatte keine Möglichkeit zum Wechseln – denken viele. Doch Möglichkeiten hätte Jäger gehabt, und zwar reichlich. Viele Türen standen ihr im Lauf ihres Berufslebens offen.

Unter den Angeboten war beispielsweise eine der renommiertesten Positionen in der internationalen Krebsmedizin. 2005 hätte sie die Direktorin des ersten Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen an der Heidelberger Universitätsklinik werden können – doch sie blieb in Frankfurt. „Es gibt kaum einen besseren Ort in Deutschland, an dem man onkologische Versorgung betreiben kann. Und einen solchen Ort verlässt man natürlich nicht gerne“, sagt die 61-Jährige. Diesen Ort – die Kliniken für Onkologie und Hämatologie am Nordwestkrankenhaus – hat sie mit aufgebaut. Und das zu einer Zeit (von 1992 an), in der es das Fach Onkologie so noch gar nicht gab.

Vor 30 Jahren habe man onkologischen Patientinnen und Patienten quasi keine Behandlungsoptionen anbieten können. „Es gab zwei, drei Chemotherapeutika, und dann war Schluss und sie sind gestorben. Ich empfand es als zwingende Herausforderung, mich darum zu kümmern“, sagt Jäger. Und ergänzt: „Wir haben hier Dinge aufgebaut, weil sie gebraucht wurden, und ich hatte immer Gesprächspartner, die das verstanden haben. Darin liegt ein Geschenk, darin, mich und meine Pläne zu unterstützen.“

Den eigenen „Mikrokosmos“ nutzte sie, um Bestehendes zu hinterfragen und Behandlungsmöglichkeiten voranzubringen. Die erfolgreiche Ärztin sieht sich bescheiden als Motor von Entwicklungen.

Jäger suchte nach Mechanismen, wie der Körper selbst gegen den Krebs kämpfen kann. Sie habilitierte 1997 über das tumorimmunologische Thema: „Welche Rolle spielt das Immunsystem bei der Kontrolle von Krebserkrankungen?“ „Ich war sicher, dass Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung, die sich nicht mehr am Leben freuten, durch Bewegungstherapie profitieren können.“

Damals herrschte die Ansicht, man müsse sich bei einer Krebserkrankung und während einer Chemotherapie schonen. In einer Pilotstudie mit dem sportmedizinischen Institut der Goethe-Universität stellte sich dann heraus, dass Ausdauersport auf moderatem Niveau die Kondition schnell stärkt, neue Lebenskraft verleiht und die Motivation fördert, gegen die Krankheit zu kämpfen.

Seitdem denkt man anders: Sporttreiben verringert Nebenwirkungen onkologischer Behandlungen und begünstigt den therapeutischen Erfolg. In der Folge entstand das Institut für onkologische Bewegungstherapie. Elke Jäger gründete die Aktion „Beweg Dich gegen Krebs“. „Und im Moment hoffen wir, dass wir einen Forschungsantrag bei der Deutschen Krebshilfe durchbekommen, um Sport als verordnungsfähige Leistung für die Kostenträger zu definieren.“

Ihr ist es mit zu verdanken, dass 2010 das in Deutschland einmalige Onkologiekonzept verabschiedet und im Hessischen Krankenhausgesetz festgeschrieben wurde, um eine „bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung zu sichern“. Damit entstanden auch die Tumorkonferenzen, in denen ein interdisziplinäres Ärzteteam gemeinsam jeden einzelnen Fall bespricht.

Bis dahin saßen die Behandelnden allein mit dem Befund und der Entscheidung da. Jäger weiß: „Wenn eine Konferenz über einen Patienten spricht, kommt in mehr als 50 Prozent der Fälle eine andere Entscheidung heraus, als wenn ein einzelner Arzt allein entscheidet.“

Schon in den 1990er Jahren begann eine Forschungskooperation mit dem Ludwig-Institut für Krebsforschung in New York, die es der Frankfurter Klinik für Onkologie und Hämatologie ermöglichte, ein eigenes klinisch-immunologisches Forschungslabor zu betreiben, das Elke Jäger leitet: „Wir haben zahlreiche Studien zum Thema Krebsimpfungen gemacht“. All das sind die Grundlagen für die heutigen Immuntherapien.

Und dann wären da noch die vielen, vielen Patientinnen und Patienten, die Elke Jäger in 30 Jahren begleitet hat, deren Genesung sie erleben durfte, und deren Sterben sie erleben musste. Beschönigen helfe nicht, sagt sie: „Wenn es so ist, dass ein zum Tode führender Krankheitsverlauf unausweichlich erscheint, dann ist es gut, wenn man den Patienten möglichst gut kennt und weiß, wovor er Angst hat, was er sich wünscht. Es ist wichtig, nicht wegzuschauen, sondern die Sterbephase als wichtigen Teil des Lebens anzuerkennen“, weiß sie. Und: „Es ist auch wichtig, dass man sich als Arzt, der mit seiner Therapie nicht erfolgreich war, nicht abwendet, sondern sich zuwendet und sich selbst auch eingesteht: hier bin ich am Ende meiner schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten“. Überhaupt: Den Menschen sehen und ihn nicht hinter immer komplexeren Computeranalyseausdrucken vergessen.

Es hätte alles ganz anders kommen können. Drei Kinder hat Elke Jäger bekommen, das erste noch in der Ausbildung, und stets gab es männliche Chefs, die meinten, dass Kinder und Job nicht zusammenpassen. „Wenn Sie damals als Ärztin in einer Klinik bleiben wollten, mussten sie so tun, als hätten sie kein Kind – und sie mussten mehr arbeiten. Ich wollte unbedingt meinen Facharzt für Medizin schaffen, wollte immer Ärztin werden“, erinnert sich Jäger.

Schon als Kind hatte sie Hausbesuche begleitet: Alle in ihrer Familie waren Ärzte. Hätte sie sich damals einschüchtern lassen, dann wäre nicht nur ihr Leben anders verlaufen, sondern auch das unzähliger Menschen mit Krebs, die sie betreut hat, und derer, die indirekt von ihrer Arbeit profitieren.

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