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Frankfurt: Zehn Jahre Güterichterverfahren

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Von: Oliver Teutsch

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Güterichterin Myriam Gruß in einem der Sitzungszimmer des OLG, Foto: Monika Müller
Güterichterin Myriam Gruß in einem der Sitzungszimmer des OLG, © Monika Müller

Richterin Myriam Gruß vom Oberlandesgericht Frankfurt versucht Streitparteien ohne Urteilsspruch zu helfen.

Am Anfang sei sie „ein bisschen geschubst worden“, erinnert sich Myriam Gruß. Vor zehn Jahren hat der Gesetzgeber die Einrichtung von Gütegerichtsverfahren eingeführt. Auch am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt galt es, geeignetes Personal dafür zu finden. „Meine Vorsitzende hat gesagt, das sei doch das Richtige für mich“, so Gruß. Seitdem ist sie Güterichterin und findet die Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung „eine ganz wunderbare Alternative neben der Rechtsprechung“.

Güterichterverfahren werden im Zivil- und im Familienbereich angestrebt. Häufig sind die streitenden Parteien emotional miteinander verbunden oder auf längere Sicht aufeinander angewiesen, etwa Nachbarn, oder geschiedene Eheleute. Wer vor dem OLG landet, hat schon eine gerichtliche Instanz erfolglos hinter sich gebracht. Die Erfolgsquote von Gruß und ihrem zehnköpfigen Güterichter-Kollegium ist dennoch beachtlich. Von rund 800 Güterichterverfahren, die seit 2012 am OLG Frankfurt angestrengt wurden, führten mehr als die Hälfte zu einer gütlichen Einigung. Für Gruß ist der Erfolg im zweiten Anlauf nicht außergewöhnlich. „Manchmal sind die Parteien vorher einfach noch nicht so weit.“

Für die Verfahren gibt es im OLG einen eigenen Güterichter-Raum mit einem runden Tisch. „Das muss schon ein anderes Ambiente als im Gerichtssaal sein, sonst fällt man in den Modus zurück“, findet Gruß, die mittlerweile etwa 200 solcher Mediationen am runden Tisch hinter sich hat und gelassener geworden ist: „Wenn jemand aufspringt und die Tür zuschlägt, dann weiß ich mittlerweile, der kommt auch wieder zurück.“ Ohnehin sei es kein Drama, wenn ein Verfahren mal keine Lösung bringe. In den meisten Fällen zeigen die Streitparteien trotzdem Dankbarkeit. „Da habe ich mich am Anfang drüber gewundert, aber sie sind einfach dankbar, dass sich jemand die Zeit nimmt und man das mal in Ruhe besprechen kann.“

Häufig aber ist Gruß erfolgreich. Quasi ihr Meisterstück hat sie im März gemeinsam mit einer Richterin für Familiensachen gemacht. Mehr als acht Stunden wurde getagt, um die Besitztümer vermögender Ex-Eheleute zu entflechten. Die beiden hatten gemeinsame Unternehmen, Immobilien und Verbindlichkeiten, waren sich auch in Sachen Erbschaften nicht einig und hatten deswegen vier Verfahren am OLG und fünf weitere an Amts- und Landgerichten laufen. Gruß und ihrer Kollegin gelang es, die Verbindlichkeiten neu zu ordnen und die Besitztümer zu entflechten, womit neun Gerichtsverfahren zu den Akten gelegt werden konnten. Kein Wunder also, dass OLG-Präsident Roman Poseck die Güterichterverfahren zum zehnjährigen Jubiläum als „Erfolgsmodell“ bezeichnet.

Am kommenden Montag treffen sich mehr als 50 hessische Güterichterinnen und Güterichter im Landesarbeitsgericht zu einer Jahrestagung. „Das dient dem Erfahrungsaustausch“, so Gruß. Neue Erfahrungen mache sie bei jedem der Güterichterverfahren: „Das ist wie eine laufende Fortbildung.“ Das Erfolgsmodell hat sich allerdings noch nicht überall rumgesprochen, viele kennen die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung noch gar nicht. „Es ist besser geworden, aber wir können noch etwas Werbung vertragen“, findet Gruß.

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