Wut und Enttäuschung über Karstadt-Aus an der Zeil

Nachdem der frühere Karstadt in Frankfurt ein Jahr früher schließen soll sprechen Beschäftigte von Wortbruch. Der Eigentümer der Immobilie plant bereits einen Neubau auf dem Gelände.
Frankfurt - Das vorherrschende Gefühl bei den Galeria-Beschäftigten am Tag nach Bekanntwerden der vorzeitigen Schließung der Filiale auf der Frankfurter Zeil beschreibt die Betriebsratsvorsitzende Kati Strack mit einem Wort: Enttäuschung. „Eigentümer Benko und die Signa-Gruppe haben ihr Wort gebrochen“, ergänzt sie. Die Unterschrift, die sie für die Frankfurter Filiale auf der Zeil geleistet hätten, sei nichts wert gewesen.
Im September 2020 hatte sich der Konzern nach massiven Protesten der Beschäftigten mit dem Vermieter der Liegenschaft, Sahle-Wohnen, und der Stadt Frankfurt geeinigt, dass es beim Warenhaus, das damals noch als Karstadt firmierte, zumindest bis Januar 2025 weitergehen werde. Sahle reduzierte die Pacht auf die Hälfte. Die Stadt versprach eine wohlwollende Prüfung von Bauprojekten von Signa in der Frankfurter Innenstadt, etwa am Opernplatz und an der Hauptwache. Am Montag wurde bekannt, dass das Warenhaus dennoch schon Anfang 2024 schließen wird.
Betriebsratchefin von Galeria an der Frankfurter Zeil hofft auf Übernahme des Standorts
Eine ein Jahr längere Öffnung hätte auch mehr Zeit für Verhandlungen über eine mögliche Weiterführung bedeutet, sagt Strack. „Die Hoffnung war da.“ Sie selbst war an den Verhandlungen beteiligt und bestätigt, dass es ein Interesse gegeben habe, den Standort weiterzuführen. Dies war allerdings vor der Insolvenz 2019. Strack hätte nie gedacht, so abserviert zu werden – auch weil die Zahlen nach ihrer Aussage gut waren.
Die Hoffnung haben sie und die Frankfurter Beschäftigten aber noch nicht verloren. Es gebe immer noch einen Interessenten, der einige Standorte übernehmen wolle, darunter auch den Frankfurter. Auf diesen Verhandlungen liegt nun Stracks Fokus.
Auch im früheren Kaufhof an der Hauptwache ist die Stimmung gedrückt
Dass es in der Filiale an der Hauptwache (ehemals Kaufhof) weitergehe, sorge nicht für Freudentaumel bei den dortigen Beschäftigten, berichtet Strack. Auch diese seien bedrückt angesichts der Entwicklung und fühlten mit den Kolleginnen und Kollegen mit. Hinzu komme, dass auch in den weiter bestehenden Filialen Stellen wegfallen sollen. „Wer Personal einspart, zeigt, dass er kein Konzept hat“, sagt Strack.
Genau auf so ein „tragfähiges Zukunftskonzept“ hofft aber Marcel Schäuble, Verhandlungsführer bei Verdi und Teil der Bundestarifkommission Galeria-Karstadt-Kaufhof. Denn eigentlich befinden sich der Konzern und die Gewerkschaft gerade in Tarifverhandlungen. „An der Ausgangslage ändert sich nichts“, versichert Schäuble am Dienstag der Frankfurter Rundschau. Man fordere weiterhin eine sofortige Rückkehr zum Tariflohn.
Frankfurter Galeria-Betriebsratschefin: „Die Betroffenen kommen sich verarscht vor“
Nach der Insolvenz 2019 hatten die Beschäftigten auf rund 5500 Euro jährlich verzichtet – im Glauben, dass das Unternehmen dadurch wieder auf die Füße komme. Mindestens 4000 Menschen hätten jetzt im doppelten Sinne das Nachsehen: Sie hätten zwei Jahre lang auf Geld verzichtet und verlören nun ihren Job. Dass Galeria den Betroffenen anbiete, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, die ihnen helfen solle, sich weiter zu qualifizieren und eine neue Stelle zu finden, sei ein schwacher Trost. „Das Vertrauen in das Management ist bei den Beschäftigten so gut wie gar nicht mehr vorhanden“, sagt Schäuble. Strack findet, dies sei ein Tritt in den Hintern: „Die Betroffenen kommen sich verarscht vor.“
Der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef (SPD) hatte einst maßgeblich am Rettungsdeal für Karstadt an der Zeil mitgewirkt. Nun sei die Vereinbarung einseitig aufgekündigt worden. „Das geht so nicht“, sagt Josef der FR. Rechtlich bindend sei diese aber nicht gewesen. Die Entscheidung von Signa für das Aus sei intransparent und nicht nachvollziehbar, kritisiert Josef. Sie zeuge zudem von einer mangelnden Wertschätzung für die Beschäftigten. Schließlich sei die Filiale auf einem gutem Weg.
Frankfurter Wirtschaftsdezernentin will Gespräch mit Geschäftsleitung suchen
Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP) nennt die Nachricht auf Anfrage sehr bedauerlich. Anfang des Jahres habe sie sich gemeinsam mit Josef an die Geschäftsführung von Galeria gewandt, „um für die gute Position der Frankfurter Innenstadt zu werben“. Auch jetzt werde sie mit Josef, Wirtschaftsförderung und Bundesagentur weiter das Gespräch mit der Geschäftsleitung suchen.
„Es hat mich schon gewundert, dass sie den Standort vorzeitig schließen“, sagt Unternehmer Albert Sahle im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Er sei bereits mit einem Interessenten in Gesprächen über eine Zwischennutzung und die Übernahme von Beschäftigten des Warenhauses. Wenn diese nicht gelänge, drohe aber ein mindestens zweijähriger Leerstand, sagt der Vermieter.
Grundstückseigentümer Sahle will auf Karstadt-Areal ein Gebäude mit Läden und Hotel bauen
Schon früher hat Sahle deutlich gemacht, dass er den Karstadt-Komplex gerne durch einen gemischt genutzten siebengeschossigen Neubau ersetzen würde. Doch weil die Stadt beim Bebauungsplanverfahren zögerlich agiere, sei ein Baubeginn vor Anfang 2026 nicht realistisch.
Die Pläne für das Areal sind schon ziemlich konkret. Im Erdgeschoss soll es nach seinen Plänen Nahversorgung geben, ins Erdgeschoss „Flagshipstores“ ziehen, etwa aus dem Modebereich. Die Etagen darüber sollen teils als Serviced Apartments und Hotels dienen. Schon jetzt sei das Interesse an den Flächen groß, sagt Sahle. Auch das zeige: „Die Zeil ist nicht tot.“
Josef widerspricht dem Vorwurf, die Stadt agiere langsam. Der Bebauungsplan könne relativ zügig erstellt werden. Noch müssten Sahle und die anderen Eigentümer im Gebiet aber offene Fragen klären. (Christoph Manus/ Steven Micksch)