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OB-Wahl in Frankfurt: Lasst Blumensamen sprechen

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Von: Stefan Behr

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Für immer Junge Union: Die CDU setzt optisch auf Politik ohne Falten. Reante Hoyer (3)
Für immer Junge Union: Die CDU setzt optisch auf Politik ohne Falten. Reante Hoyer (3) © Renate Hoyer

Der OB-Straßenwahlkampf erweist sich für Parteitinnefschnäppchenjäger als wenig lukrativ.

Frankfurt - Manchmal kann der Wahlkampf auch einer gegen den inneren Schweinehund sein. Am Samstagmittag etwa ist das Klima kalt und nieselig und demokratiefeindlich. Aber es hilft ja nichts, eine Frankfurter OB-Wahl ist nur alle sechs Jahre, vorausgesetzt, die Amtsinhaberin reißt sich am Riemen, und erst recht der Amtsinhaber. Aber da kann man den Parteien nicht verdenken, dass sie sich für den Wahlkampf den meteorologischen Widrigkeiten zum Trotz auf der Zeil die Orte aussuchen, die politischen Safe Spaces am nähesten kommen.

Die FDP etwa hat in der Freßgass, einer Art freidemokratischem Freigehege, klares Heimspiel. Dennoch ist das Interesse eher mäßig, gegen Mittag scheinen sich nicht einmal fünf Prozent der Freßgassgänger für den Stand zu interessieren, und den Wahlkämpfern bleibt Zeit für ein fröhliches Selfie.

OB-Wahl in Frankfurt: FDP lernt von den Grünen

Entscheidend für den ordnungsgemäßen Ablauf einer demokratischen Wahl sind natürlich die Wahlgeschenkgimmicks, und hier hat die FDP von den Grünen gelernt: Es gibt ein Tütchen mit Pflanzensamen und dem frommen Wunsch „Heute säen, was morgen gedeiht“.

Leider handelt es sich nicht um Hanf-, sondern nur um Wildblumensamen. Und es gibt einen FDP-Teebeutel. Dessen Geheimnis ist allerdings nicht, wie man das erwarten dürfte, dass man den gebrauchten Teebeutel von der Steuer absetzen kann. Dafür erzeugt er laut Etikett „Energie“, und zwar aus den nachwachsenden Rohstoffen Ingwer und Holunder.

Aber auch der Spaß kommt bei der On/Off-Spaßpartei nicht zu kurz. Es gibt einen FDP-Frisbee mit Parteicharakteristika: Dreht sich, ohne dabei den Kurs zu wechseln. „Wir haben auch noch ein Quietscheentchen, aber das ist noch nicht da“, bedauert ein Wahlkämpfer. Die Frage, ob Christian Lindner denn nachher noch käme, wird als Affront missinterpretiert, ist aber gar nicht böse gemeint. Lindner kommt übrigens nicht.

Die CDU schießt im OB-Wahlkampf in Frankfurt den Vogel ab

Vor dem Markt an der Konstablerwache, mit dem die Grünen in Wahlkampfzeiten fest verbunden sind, diskutieren Wahlkämpfende Parteiinterna. „Ich finde nicht, dass das eine 360-Grad-Wendung von der Annalena ist“, kommentiert ein Parteifreund irgendeinen politischen Vorgang im Außenministerium. Das ist schade, denn eine 360-Grad-Wendung beweist ja sowohl Beweglichkeit wie Positionstreue, ähnlich dem FDP-Frisbee. Aber vielleicht geht es auch um einen krassen Trampolin-Move.

Die FDP hat auch Quietscheentchen im Angebot. Aber nicht ausschließlich.
Die FDP hat auch Quietscheentchen im Angebot. Aber nicht ausschließlich. © Renate Hoyer

Die Wahlgeschenke sind hier eher mau. Eine Tüte Blumensamenmischung, „Mischung Bienenwiese“, Import aus Berlin, mit Konterfei von Manuela Rottmann und dem Versprechen „Frankfurt blüht auf“. Dazu Bierdeckel mit angeblichen und kryptischen Rottmann-Zitaten wie „Barcelona oder Milano, Hauptsache Frankfurt“, „Machen ist wie wollen, nur krasser“ oder „For future statt gestern“, die auch dann nicht sinniger werden, wenn man sie um 360 Grad wendet.

In Sachen Knauserigkeit aber schießt die CDU, die fest und treu an der Hauptwache steht, den Vogel ab. Hier gibt es Uwe-Becker-Kugelschreiber und Gummibärchen. Wechselwählermagnete sind das nun nicht gerade. Lieber wäre einem die Anti-Aging-Zaubercreme, die Uwe Becker vor seinem Wahlplakatshooting aufgetragen haben muss. Aber die Wahlkämpferin versteht die aufgeregte Debatte um die beckerschen Kindskopfplakate nicht so recht: „So viel haben wir da gar nicht verändert.“

Wer nach ewigem Leben trachtet, ist vermutlich am Nachbarstand besser aufgehoben, da werben junge Männer für Jesus Christus. Aber der tritt nicht zur OB-Wahl an, und ohnehin hätte man ja auch Skrupel, ausgerechnet bei ihm ein Kreuz zu machen.

Die CDU beschäftigt eher Irdisches. Etwa das noch optimierbare Publikumsinteresse. Das liege aber vor allem daran, mutmaßt eine Wahlkämpferin, dass die meisten Menschen auf der Hauptwache Besucher aus anderen Städten seien, die der Frankfurter Kommunalpolitik eher desinteressiert gegenüberstünden.

Das beweise aber auch, wie wichtig es sei, weiterhin auf den Autoverkehr zu setzen, denn die meisten kämen mit dem Auto nach Frankfurt - in der Hoffnung, hier einen Parkplatz zu finden. Diese Hoffnung dürfe nicht sterben.

Klarer wirds nicht. Wer die Botschaften auf den Bierdeckeln der Grünen versteht, sollte sein Trinkverhalten hinterfragen.
Klarer wirds nicht. Wer die Botschaften auf den Bierdeckeln der Grünen versteht, sollte sein Trinkverhalten hinterfragen. © Renate Hoyer

Und die SPD? Die macht sich im OB-Wahlkampf in Frankfurt rar

Zu der Bemerkung, dass die Hauptwache erheblich an Attraktivität gewonnen habe, seit der grüne Verkehrsdezernent Lutz Sikorski, Gott hab ihn selig, sie für den Autoverkehr habe sperren lassen, sagt sie, sie sei ja auch für mehr Grün in der Stadt, aber eben auch für mehr Parkhäuser. Auf den Wahlslogan „Mehr Grün! Mehr Autos! Mehr Alles! Mit der CDU!“ darf man für kommende Wahlkämpfe zumindest hoffen.

Die Einzigen, die sich ein wenig rar auf der Zeil machen, sind die Sozialdemokraten mit ihrem Mike Josef. Aber der hat dafür einen eigenen Artikel in Spiegel online. Hinter der Bezahlschranke, verschenkt wird da gar nix, aber das ist ja auch mal ganz erfrischend. (Stefan Behr)

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