Frankfurt: Ukrainische Studierende an der Goethe-Uni wollen helfen

Medizinerinnen und Mediziner sammeln Medikamente und Material. Viele junge Menschen melden sich auch als Übersetzer:innen für Kommunen und Aufnahmeeinrichtungen.
Mariana Shumliakivska sammelt für die Ukraine. Medikamente, Verbandsmaterial, Hygieneartikel. Auch Babynahrung. Die medizinische Doktorandin an der Goethe-Uni hat die Aktion auf dem Campus Niederrad „ganz spontan“ ins Leben gerufen. Zusammen mit drei Kommiliton:innen. So bilden zwei junge Frauen aus der Ukraine und zwei junge Männer aus Deutschland die „Mediziner für die Ukraine“.
„Wir haben den Hausmeister gefragt, ob wir einen Raum nutzen dürfen“, sagt Shumliakivska. Auch den Arbeitgeber, die Unikliniken. Rastlos fühle sie sich, sie müsse einfach etwas unternehmen. Shumliakivska stammt aus Schytomyr, das liegt rund 140 Kilometer ab von Kiew. „Im Krisengebiet“, sagt sie. Ihre Mutter arbeitet als Ärztin, „sie kann ihr Land nicht verlassen“. Sie schickt der Tochter Listen von Dingen, die vor Ort benötigt werden.
Dafür, dass die vier ihre Aktion nicht groß beworben haben, nur über Mundpropaganda und ein bisschen in den sozialen Medien, ist die Spendenbereitschaft hoch. Nicht nur die Mitstudierenden und die Ärzteschaft helfen, auch ein paar Nachbarn bringen Sachen. „Jeden zweiten Tag packen wir 15 bis 20 Kisten.“ Über die ukrainische Gemeinde und den ukrainischen Ärzteverein gelangen die Hilfsgüter nach Lemberg und von dort weiter. Die Aktion wollen die Studierenden fortsetzen, bis niemand mehr etwas bringe. „Fast jeder macht das gerade privat“, sagt Shumliakivska.
Der Schock über Putins Überfall auf die Ukraine sitzt tief. „Grundsätzlich merken wir, dass bei vielen Studierenden nicht die Auswirkungen auf ihre Studienbedingungen im Vordergrund stehen, sondern die Ängste um Familie, Verwandte und Freund:innen.“ Das hat Daryoush Danaii beobachtet, vom Vorstand des Freien Zusammenschlusses der Student:innenschaften in Deutschland.
An der Goethe-Uni in Frankfurt studieren 250 Menschen aus der Ukraine. Aus Belarus 40. Aus der Russischen Föderation 325, die drittgrößte Gruppe ausländischer Studierender nach der Türkei und China. Von Konflikten zwischen den Nationalitäten ist noch nichts bekanntgeworden. Die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta), Kyra Beninga, hat eher das Gegenteil beobachtet. „Erschüttert“ seien die russischen Studierenden. Und putinkritisch.
Wie und wo
Mediziner für die Ukraine sammeln täglich, 9-17 Uhr, an der Sandhöfer Allee 2, Universitätsklinikum, Haus 25 B.
Das Studentenwerk ist zu finden unter www.studentenwerkfrankfurt.de
Hilfsangebote der Goethe-Uni unter: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/anlaufstellen-fuer-studierende-aus-der-ukraine/
World University Service (WUS) vermittelt Übersetzer:innen unter Email: info@wusgermany.de) oder Telefonisch: 0611-44 66 48 sky
Verschiedene Anlaufstellen
Der Asta wolle nun im Senat der Hochschule vorfühlen, inwieweit sich die Universität helfend für ukrainische Studierende engagieren könne, etwa über Stipendien. Die Goethe-Uni hat auf ihrer Website eine Reihe von Anlaufstellen veröffentlicht, an die sich Studierende zwecks Beratung wenden können. Die evangelische und katholische Hochschulgemeinde zum Beispiel. Oder die psychosoziale Beratungsstelle des Frankfurter Studentenwerks.
„Aktuell haben wir sehr wenige Anfragen von ukrainischen Studierenden“, sagt Nina Müller, Teamleiterin in der Psychosozialberatung. Das sei aber nicht unüblich. „In der Akutsituation geht es oft erst einmal darum, sich zu orientieren und handlungsfähig zu bleiben.“ Also Hilfe zu organisieren oder Kontakt mit der Familie zu halten. Erst dann folge die Frage nach dem Studium. So sei es auch zu Beginn der Corona-Pandemie gewesen.
„Die wenigen Studierenden, die sich bisher gemeldet haben, sind sehr verzweifelt, hilflos und fühlen sich teils auch schuldig, da sie als einzige ihrer Familie in Sicherheit sind“, berichtet Müller. In der Beratung gehe es dann auch darum, die Betroffenen zu unterstützen und herauszufinden, was sie konkret tun können. Gibt es Unterstützung von der Hochschule, die Möglichkeit, Prüfungen zu verschieben? Wo gibt es finanzielle Unterstützung? Sind die Grundbedürfnisse erfüllt – essen, trinken, schlafen? Wer ist als soziale Unterstützung in Deutschland vor Ort, Freunde, Verwandte, Vereine?
„Wenn die Studierenden Halt und Unterstützung vonseiten der Hochschule erfahren, vielleicht auch erleben, dass es hier ganz normal weitergeht und sie in Sicherheit sind, ist dies schon eine gute Basis“, sagt Müller. Innerhalb der offenen Sprechstunde könnten sich Studierende auch kurzfristig an die Stelle wenden und ein Gespräch mit einem psychologischen Berater oder einer Beraterin bekommen. Auch Einzelberatungen mit Termin sind jederzeit möglich.
Derweil haben mehrere ukrainische Studierende an hessischen Hochschulen auf einen Aufruf des World University Service aus Wiesbaden reagiert und spontan ihre Bereitschaft mitgeteilt, bei Übersetzungen in hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen und in Kommunen zu helfen. „Es ist überwältigend“, würdigt Vorsitzender Kambiz Ghawami. Auch Studierende aus anderen Ländern hätten sich gemeldet, die Ukrainisch oder Russisch sprechen.