Frankfurt: Dauerthema Mainkai-Sperrung

Über Mobilitätspolitik wird in Frankfurt heftig gerungen - die nördliche Mainuferstraße ist da nur ein Beispiel.
Es war ein kluger Satz, den Daniela Mehler-Würzbach (Linke), promovierte Politikwissenschaftlerin und an der Goethe-Universität zuständig für Berufungen, am Montag im Verkehrsausschuss äußerte. Man dürfe die Menschen bei politischen Prozessen nicht überwältigen, sagte sie. Bei der Mainkai-Sperrung, die sie befürworte, würden die Bürger:innen derzeit überwältigt, die Politiker:innen auch.
Kurz zum Hintergrund: Der Mainkai wird vom 11. Juli bis zum 5. September für den motorisierten Verkehr gesperrt. Zu Beginn der Sperrung nutzt die Fahrradmesse Eurobike die Straße. Dann finden das Mainfest (5. bis 8. August) und das Museumsuferfest (26. bis 28. August) statt. Mit Auf- und Abbau wird die Fläche damit an 28 Tage in Anspruch genommen – das ist die Hälfte der achtwöchigen Sperrzeit. Über das städtische Veranstaltungsprogramm „Sommer am Main“ will das Verkehrsdezernat kurz vor dem Sommerferien (25. Juli bis 2. September) informieren.
Das sei viel zu spät, sagte Mehler-Würzbach. Die Infos hätten jetzt präsentiert werden müssen. Zu spät veröffentlicht worden sei auch der Abschlussbericht zur ersten, 13 Monate langen Mainkai-Sperrung ab Sommer 2019, monierte Sascha Vogel (CDU). Der Bericht, 72 Seiten lang, trägt das Datum Dezember 2020. Veröffentlicht wurde er am 24. Juni 2022. Viel Lektüre kurz vor der Ausschusssitzung.
Umleitungen in Navis eingebunden
Etwa drei Stunden lang wurde im Ausschuss über die erneute Sperrung gesprochen. Die Debatte erinnerte an die Diskussion über die Sperrung der Hauptwache für den motorisierten Verkehr 2009. Oder die Debatte über Radwege und den Wegfall einer Fahrspur auf der Friedberger Landstraße 2020, mit entsprechend verhärteten Positionen. Die eine Seite lobte den Gewinn für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen. Die andere Seite sprach von einem drohenden Verkehrschaos. Bewahrheitet hat sich Letzteres nicht.
Eingangs stellte Dorothee Allekotte vom Straßenverkehrsamt im Ausschuss das Umleitungskonzept für die Mainkai-Sperrung vor (siehe Grafik). Autos werden per Beschilderung über den Cityring, den Anlagen- und Alleenring umgeleitet. Lastwagen, die laut Allekotte im Wesentlichen zwischen West- und Osthafen unterwegs sind, fahren über die Friedensbrücke und die Stresemannallee auf die Mörfelder Landstraße und weiter etwa zur Lindleystraße. Ein solches Umleitungskonzept gab es während der ersten Mainkai-Sperrung nicht.
Die Umleitungen würden an die Navigationsdienstleister weitergegeben. Die betroffenen Straßen seien leistungsfähig genug, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Zumal in den Sommerferien etwa 20 Prozent weniger Fahrzeuge unterwegs seien, sagte sie.
Bürgerinnen und Bürger aus Sachsenhausen sowie Vertreter:innen des zuständigen Ortsbeirats reagierten enttäuscht, weil Lastwagen durch den Stadtteil geleitet werden. Auch seien Fahrer:innen von Autos und Lastwagen schlau genug, den direkten Weg zu fahren und nicht ihrem Navi zu folgen. Zumal auf dem Mainkai vornehmlich Binnenverkehr unterwegs sei, etwa 20 000 Fahrzeuge am Tag. Der direkte Weg führe in der Regel über den Schaumainkai.
Bei der Argumentation zeigte sich ein Bruch zwischen den Fraktionen im Ortsbeirat und im Stadtparlament. Während Daniela Mehler-Würzbach die erneute Sperrung als Teil der Mobilitätswende begrüßte, sprach Knut Dörfel von der Linken im Ortsbeirat 5 von einer drohenden „Verslumung“ Sachsenhausens. Katharina Knacker, Stadtverordnete der Grünen, warb für die weitere Neuverteilung des Straßenraums zugunsten von Fuß- und Radverkehr. Angelika von der Schulenburg, Grüne im Ortsbeirat 5, fragte, wie die Stadt den motorisierten Verkehr reduzieren wolle. „Was passiert, wenn die Innenstadt verkehrsberuhigt wird, ohne den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren? Dann parken mehr Menschen in Sachsenhausen und es gibt mehr Suchverkehr.“
Frankfurt könnte Verkehr härter steuern
Von der Schulenburg sprach damit den Kern des Problems an. In Frankfurt, der Verkehrsmetropole, gibt es zu viele Fahrzeuge. Wenn die Stadt deren Zahl verringern will, hat sie zwei Möglichkeiten, Pull-Maßnahmen und Push-Maßnahmen. Pull-Maßnahmen sind freundlich – etwa die Verbesserung des Angebots bei Bus und Bahn, für den Rad- und Fußverkehr. Das Neun-Euro-Ticket fällt darunter. Ein 365-Euro-Ticket zählte dazu. Wenn Arbeitgeber Homeoffice zulassen, wirkt sich das ebenfalls auf die Mobilität aus.
Push-Maßnahmen sind härter: die Sperrung von Straßen wie dem Mainkai, die Verteuerung der Parktickets und der Bewohnerparkausweise, Tempolimits, Pförtnerampeln, eine Citymaut.
Die Beispiele zeigen: Frankfurt entfaltet weder bei Push noch bei Pull das volle Potenzial. Auch am Mainkai nicht. Die Koalition hatte im Januar beschlossen, die nördliche Mainuferstraße nachts von 22 bis 6 Uhr sowie an den Wochenenden für den motorisierten Verkehr zu sperren. Das hat der Magistrat gekippt.
Umnutzungen an Wochenenden, Feiertagen und nachts entsprächen nicht dem Straßenverkehrsrecht, teilte der Magistrat mit. Sie seien nur möglich, wenn die Flächen für Veranstaltungen benötigt würden.
Die Koalition ist nun von der Realität des Faktischen überwältigt. Der Mainkai wird nur in den Sommerferien gesperrt. Zum Ende der Wahlperiode, also 2026, soll es zu einer dauerhaften Umwidmung kommen.
