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Frankfurt: Tollkühne Männer im fliegenden Porsche

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Von: Stefan Behr

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Ein Überraschungssieg beim Europa-Allee-Grand-Prix im Jahr 2020 beschäftigt das Frankfurter Amtsgericht. Die Angeklagten wollen nichts von einem Rennen wissen.

Am 6. Juni 2020 haben sich in Sergiu S. und Tom N. zwei gesucht und gefunden. Beide sind mit ihren Autos gegen 19.30 Uhr auf der Europa-Allee unterwegs: Der 26 Jahre alte S., Minijobber in einer Autoreinigung, in seinem Audi A4 (177 PS), der gleichaltrige Investmentbanker N. in seinem Porsche 718 Boxster (350 PS). Laut Anklage „erkennen sich beide am Fahrverhalten“ als Brüder im Bleifuß. Als eine rote Ampel auf Grün springt, starten beide durch.

Es wird ein tolles Rennen. S. hat trotz Untermotorisierung den besseren Start, aber N. holt auf. Beide sind etwa bei Tempo 90, N. liegt jetzt knapp vorne, als sich zum einen die Straße von zwei Spuren auf eine verjüngt und zum anderen eine hochschwangere Frau (37. Woche) auf einem Fußgängerüberweg die Fahrbahn überquert. Beide Autos geraten aneinander, die Reifen des Porsche blockieren, S. schiebt ihn vor sich her, bis der Porsche abhebt und vom Audi getunnelt wird. Der Porsche kracht aufs Dach, die Reifen fliegen durch die Luft und verfehlen die Schwangere nur knapp. N. landet schwer verletzt im Krankenhaus. Der Audi ist zwar auch ziemlich, aber nicht ganz kaputt. S. hat sich nach eigenen Angaben „am Knie wehgetan“, und sein beifahrender Cousin habe auch schon mehr gelacht.

Klarer Sieg für Sergiu S., könnte man jetzt meinen, aber irgendwie fühlen sich beide als Verlierer, weil sie seit jenem Tag ihren Lappen los sind. Tom N. befürchtet zudem berufliche Nachteile, denn in der Investmentbranche wird es schnell als Schande angesehen, sich von einem PS-ärmeren Auto abhängen zu lassen. In der Autoreinigungsbranche sieht man das wohl sportlicher, berufliche Nachteile erwartet S. jedenfalls nicht, aber da er noch bei seinen Eltern wohnt, hat er vermutlich ganz andere Sorgen.

Nichts als Grillen im Kopf

Er habe an jenem Tag nichts als Grillen im Kopf gehabt, beteuert S. vor dem Amtsgericht. Er und sein Cousin hätten nämlich zuvor Proviant für einen zünftigen Grillabend eingekauft und wären im Kleingarten schon sehnlichst erwartet worden. Den Porsche habe er erst bemerkt, als es gekracht habe. Sein einzig Trachten sei gewesen, Bier und Würstel schnell abzuliefern. Ein Rennen habe er nie fahren wollen.

Er auch nicht, sagt N. Er habe bloß ins Fitnesscenter fahren und den Audi nicht überholen lassen wollen, weil da könnte ja sonst jeder kommen. Das fände er heute selbst ein bisschen blöde, aber „damals kam ich mir nicht zu schnell vor“ – und auch nicht zu blöde. Er habe aber auch was gelernt: Seit seinem Beinahe-Salto-mortale sei er nämlich Fußgänger und habe feststellen müssen, dass auch diese Wesen Gefühle haben und „welchen Eindruck ein solcher Sportwagen auf Fußgänger machen kann“ – vor allem dann, wenn diese frontal vom Kühlergrill erwischt werden.

Ganz großer Sport. Und es bleibt weiter spannend. Der Prozess wird fortgesetzt.

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