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Stiller als andere Cafés

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Gekonnt serviert. Und es schmeckt, finden die Gäste im Café Rothschild im Frankfurter Gehörlosen- und Schwerhörigenzentrum.
Gekonnt serviert. Und es schmeckt, finden die Gäste im Café Rothschild im Frankfurter Gehörlosen- und Schwerhörigenzentrum. © Monika Müller

Im Café Rothschild arbeiten Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung.

Schon beim ersten Schritt durch die Tür ist klar, dass das Café Rothschild etwas anders ist als andere Cafés. Für einen Ort der Geselligkeit ist es unerwartet still — zumindest im ersten Moment.

In der Stille surrt einer Kaffeemaschine, Geschirr klappert, Gesprächsfetzen sind zu hören. Musik läuft nicht. Niemand versucht, sich über eine unruhige Geräuschkulisse lauthals Gehör zu verschaffen. Im Café Rothschild ist die Mehrheit der Besucherinnen und Besucher hörgeschädigt. Und auch die Menschen, die es betreiben.

Das schlichte kleine Café im Erdgeschoss des Gehörlosenzentrums in der Rothschildallee 16a wurde 2013 eröffnet. Ziel ist es, einen Treffpunkt für Gehörlose und Schwerhörige zu schaffen, und auch, interessierten Jugendlichen einen Ort zum Lernen zu bieten. Gemeinsam mit Altersgenossen ohne Beeinträchtigung haben sie die Möglichkeit, in einem inklusiven Rahmen Erfahrungen in der Gastronomie zu sammeln. Ein Gebärdensprachkurs ist für alle hörenden Beteiligten Pflicht.

Wie andere Gastronomiebetriebe und Ausbildungswerkstätte blieb auch das Café Rothschild nicht von der Corona-Krise verschont. Mitte März wurde der Betrieb vorübergehend geschlossen. Allerdings bedeutete das nicht nur finanzielle Einbußen: Der Unterricht konnte nicht in seiner üblichen Form stattfinden.

Die Serie

Die Autorin besucht das Fortbildungsprogramm Buch- und Medienpraxis an der Goethe-Universität Frankfurt. Der Beitrag ist im Rahmen eines Kurses entstanden, den FR-Redakteur Florian Leclerc leitet. FR

Unter normalen Umständen betreuen Fachanleiter für Service und Küche, eine Förderlehrerin mit Gebärdenkompetenz und eine Sozialpädagogin persönlich die 18 Jugendlichen. Darunter sind acht Auszubildende sowie zehn Jugendliche, die innerhalb des Projekts eine berufliche und schulische Qualifizierung anstreben. Gemeinsam bereiten sie unter anderem einen hausgemachten Mittagstisch vor, betreiben die Kantine in der Philipp-Holzmann-Schule und versorgen das Café „iZi“, ebenfalls ein Angebot des evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit, mit kulinarischen Angeboten. Hinzu kommen Catering-Aufträge.

Um trotz Kontaktsperre den Austausch aufrechtzuerhalten, entwickelte das Team um Evelyn Rogowski, Leiterin des Lernbetriebs des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit, eine digitale Lernplattform. Ein nicht ganz unkompliziertes Vorhaben: „Nur weil die Jugendlichen Smartphones haben, heißt es noch lange nicht, dass sie automatisch alle nötigen Kompetenzen und Geräte für den digitalen Unterricht zu Hause haben“, sagt Rogowski.

Digitaler Unterricht

Tablets wurden verliehen, Dokumente per Post verschickt und ein Zugang zum Internet gewährleistet, um die digitale Kluft zu überwinden. Für die gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen wurde der Unterricht zudem durch eine Pädagogin in Gebärdensprache übersetzt. Seit Mitte April durften sich zumindest die Auszubildenden im eingeschränkten Rahmen auch wieder praktisch betätigen. Im Café „iZi“ bereiteten sie Lunchpakete vor, die täglich von Montag bis Freitag an bedürftige Kinder verteilt wurden.

Mittlerweile hat das Café Rothschild auch wieder für die Allgemeinheit geöffnet. Allerdings unter Auflagen. Rogowski hofft, dass ab Herbst wieder ein normaler Betrieb möglich sein wird. Für den Lehrplan visiert sie jedoch unabhängig davon eine kleine Änderung an: In Zukunft sollen die digitalen Kompetenzen der Jugendlichen verstärkt gefördert werden —, um sie noch besser auf den modernen Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Einige der Jugendlichen traten erst kürzlich ihre Abschlussprüfungen an. Trotz der widrigen Umstände mit Erfolg: Je fünf Jugendliche durften sich über Gesellenbriefe oder qualifizierte Hauptschulabschlüsse freuen. (Katrin Wollnik)

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