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Frankfurt: Seelsorgerin aus Leidenschaft

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Von: Anja Laud

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Pia Baumann ist seit fast zehn Jahren Pfarrerin in der Evangelischen Gemeinde Bockenheim.
Pia Baumann ist seit fast zehn Jahren Pfarrerin in der Evangelischen Gemeinde Bockenheim. © christoph boeckheler*

In der Gemeinde der Frankfurter Pfarrerin Pia Baumann wird Weihnachten ganz besonders gefeiert. Auf dem Bockenheimer Kirchplatz etwa findet ein Open-Air-Gottesdienst statt, den vor der Pandemie rund 1200 Menschen besuchten.

Ein großer Tannenbaum, noch in einem Netz zusammengebunden, liegt im Vorraum der St. Jakobskirche. Pia Baumann, Pfarrerin der Evangelischen Gemeinde Bockenheim, zieht in ihrem Büro ein an einem roten Band hängendes Glöcklein aus einem Umschlag, in dem sich noch viele dieser Ketten befinden. „Die bekommen die Besucherinnen und Besucher, die sich für unseren Open-Air-Gottesdienst nicht verkleidet haben. Sie sind die Schäfchen“, sagt die 52-Jährige. Gerade erst hat sie ihre Auffrischungsimpfung bekommen, und sie hofft inständig, dass sie wenige Tage vor dem Fest der Feste wegen möglicher Nebenwirkungen nicht noch einen oder gar zwei Tage aus dem Feld geschlagen wird. Wie immer vor jedem Weihnachtsfest ist viel zu tun, daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert.

Allein an Heiligabend werden sie und ihr Kollege Rüdiger Kohl, beide sind öfter in Radioprogrammen des Hessischen Rundfunks zu hören, gemeinsam oder abwechselnd drei Gottesdienste leiten. Der größte wird alljährlich am Nachmittag um 16 Uhr auf dem Kirchplatz vor St. Jakob abgehalten. „Bis zu 1200 Menschen kamen vor der Pandemie zu unserem Open-Air-Gottesdienst“, sagt die Seelsorgerin. So viele dürfen im zweiten Jahr der Pandemie auch an frischer Luft nicht zusammenkommen. Um die 250 können sich zurzeit nur auf dem Kirchplatz versammeln. Wer teilnehmen will, musste sich, wie für die Christvesper um 18.30 Uhr und die Christmette um 23 Uhr, zuvor anmelden. Der Gottesdienst an frischer Luft war binnen zweier Tagen ausgebucht, für die Christvesper gebe es eine Warteliste, erzählt Pia Baumann.

Der Gottesdienst auf dem Kirchplatz ist ein ganz besonderer. In den Jahren vor der Pandemie gab es einen Streichelzoo und Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie Kinder der Gemeinde, insgesamt fast 70 Personen, führten ein Krippenspiel auf, das sie mit einem Theaterpädagogin erarbeitet hatten. An diesem Weihnachtsfest können sie das wegen der Größe ihrer Gruppe und der Nähe, die dadurch unweigerlich entsteht, nicht tun. Doch auf ein Krippenspiel müssen die Gemeindemitglieder nicht verzichten. Bei der Anmeldung für den Open-Air-Gottesdienst wurden sie aufgerufen, verkleidet, etwa als Hirte, Josef oder Maria, zu erscheinen, denn sie werden Teil des diesjährigen Krippenspiels sein.

Mit Theater kennt sich Pia Baumann, im Ruhrgebiet geboren, aus. Bevor sie Pfarrerin wurde, arbeitete sie vier Jahre lang als Schauspielagentin. Ihr Interesse an der Theologie entdeckte sie als Konfirmandin in Seligenstadt (Kreis Offenbach), wohin ihre Familie gezogen war.

Gottesdienste

Wer an Weihnachten in Frankfurt einen evangelischen oder katholischen Gottesdienst besuchen möchte, der kann sich auf der ökumenischen Webseite www.christliches-frankfurt.de über die Angebote in den jeweiligen Stadtteilen informieren.

Auf der gemeinsamen Webseite der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach sowie der Katholischen Stadtkirche Frankfurt findet sich zudem eine nach allen Stadtteilen geordnete Übersicht über die Angebote der evangelischen Gemeinden in Offenbach.

Besuchsregelung: Auf der Webseite wird auch darüber informiert, ob sich Besucher und Besucherinnen für die Gottesdienste anmelden müssen und ob die 2G- (genesen, geimpft) oder die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) gilt.
Online-Angebote: Einige Gemeinden streamen ihre Gottesdienste, so dass sie daheim verfolgt werden können. Die Webseite informiert auch darüber.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) bietet auf ihrer Webseite unter dem Titel „Weihnachten 2021 zuhause feiern“ Anregungen. Dazu gehören Hinweise auf Fernseh- und Radiogottesdienste. lad www.ekhn.de

„Ich hatte ein tolles Pfarrerehepaar, das politisch war“, erzählt sie. Die Friedensbewegung, der Bau der Startbahn West am Flughafen, das alles seien Themen gewesen, über die im Konfirmandenunterricht diskutiert worden sei. Sie entschied sich, dem Beispiel des Paares zu folgen und Theologie zu studieren. Nach ihrem Abitur schrieb sie sich an der Goethe-Universität ein. Als sie ihr Grundstudium absolviert hatte, wechselte sie an die Ruhr-Universität in Bochum und legte ihr erstes Examen ab. Aussichten auf ein Vikariat hatte sie danach nicht. „Es gab Ende der 90er-Jahre eine Pfarrerschwemme“, sagt sie. Ihr wurde eine Wartezeit von vier Jahren prognostiziert.

Da war es gut, dass sie während ihres Studiums Freundschaften mit Schauspielschülerinnen und -schülern geschlossen und so Einblicke in die Welt des Theaters bekommen hatte. Sie bewarb sich bei einer Schauspielagentur und wurde genommen. „Nach vier Jahren hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich entweder eine eigene Agentur hätte aufmachen müssen oder die Arbeit aufgebe“, erzählt sie.

Pia Baumann entschied sich für die Seelsorge, denn das ist ihre Leidenschaft, und bewarb sich um ein Vikariat. Diesmal klappte es. In einer Rüsselsheimer Gemeinde machte sie ihre Ausbildung. Danach ging sie nach Frankfurt, arbeitete in Niederrad und Sachsenhausen, dann wechselte sie nach Bockenheim. Im Mai kommenden Jahres wird sie zehn Jahre Pfarrerin der Gemeinde sein. Im Pfarrhaus wohnt sie mit ihrem Ehemann, zwei Töchtern. „Und einem Kater und fünf Hühnern“, wie sie lachend erzählt.

Das Weihnachtsfest vorzubereiten, sei, so die Pfarrerin, in der Pandemie aufwendiger als sonst. Aber Covid habe auch Entwicklungen beflügelt, die positiv seien, etwa digitale Formate, mit denen mehr Menschen erreicht werden könnten. Die Christvesper an Heiligabend wird beispielsweise auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde live gestreamt, so dass alle, die wegen der Corona-Beschränkungen keinen Platz mehr bekommen, sie zu Hause verfolgen können. Und auch die Arbeit des Kirchenvorstands profitiere vom Digitalen. „Wenn Entscheidungen schnell getroffen werden müssen, geht das gut bei einem Zoom-Meeting“, sagt sie.

Wie alle hofft sie auf ein Ende der Pandemie im kommenden Jahr. Denn etwas lässt sich mit keinem digitalen Format ersetzen. Die Gespräche nach Gottesdiensten, wenn die Gemeindemitglieder bei einer Tasse Kaffee oder hin und wieder bei einem Glas Sekt zusammenkommen.

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