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Frankfurt: Die Angst der Grünen vor der FDP

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Von: Georg Leppert

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Mirrianne Mahn neben OB Peter Feldmann bei ihrer spontanen Rede in der Paulskirche.
Mirrianne Mahn neben OB Peter Feldmann bei ihrer spontanen Rede in der Paulskirche. © dpa

Die Debatte um die Ächtung des N-Wortes zeigt: Koalitionsdisziplin steht im Römer über allem. Eine Analyse.

Frankfurt - Mirrianne Mahn ist krank. Was sie hat, ist öffentlich nicht bekannt, es geht auch niemanden etwas an. Jedenfalls ist die Stadtverordnete der Grünen am späten Donnerstagabend (27.01.2022) nicht bei der Plenarsitzung im Casino der Stadtwerke dabei, als über ihren Antrag diskutiert wird. Vielleicht käme es sonst zu einer Eskalation, vielleicht sogar zu einer echten Koalitionskrise. Das ist Spekulation. Der Schaden für die Grünen ist aber auch so groß genug. Es ist ein Schaden, den sich die Fraktion selbst und vor allem ohne Not zugefügt hat, wie eine Analyse der Ereignisse zeigt.

Eigentlich sind sich alle im Saal einig. Man verwendet keine rassistischen Begriffe wie das N- und das M-Wort für Menschen schwarzer Hautfarbe. Das findet sogar der Vertreter der AfD, der ansonsten eine extrem schlichte Rede hält und von der Ökolinx-Stadtverordneten Jutta Ditfurth gleich als „Nazi“ tituliert wird. Das Problem aber ist der von Mahn gestellte Antrag, die Stadt Frankfurt möge doch bitte rassistische Begriffe wie N- und M-Wort ächten. Davon hält die FDP nichts. Rassismus werde nicht überwunden, indem eine Stadt bestimmte Begriffe ächte, was ohnehin nur symbolische Wirkung habe, hatte FDP-Fraktionschef Yanki Pürsün schon im Dezember der FR gesagt.

Frankfurt: Die Grünen stehen nicht zu ihrem eigenen Antrag

Mahns Antrag, der schon die Unterschriften der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Tina Zapf-Rodriguez und Dimitros Bakakis trug, wurde deshalb im Herbst nach einer emotionalen und zum Teil für Mahn verletzenden Diskussion in der Koalitionsrunde abgelehnt. Damit hätte er in der Versenkung verschwinden müssen, denn wenn sich in der Koalition eine Fraktion querstellt, wird ein Antrag nicht gestellt. So ist die Regel. Doch irgendwie landete die Vorlage bei Nico Wehnemann von der Fraktion „Die Fraktion“, die zwischen Satire, Bierseligkeit und ernsthafter linker Politik beheimatet ist. Dass Wehnemann an den Text kam, ist eine der vielen Indiskretionen, die es in diesem Fall gab. Jedenfalls tat er, was für die Grünen der größte anzunehmende Unfall war. Er stellte den Antrag wortgleich im Namen der „Fraktion“ und kündigte eine namentliche Abstimmung im Stadtparlament an.

Die gab es dann auch. Zwar nicht über den Antrag an sich, sondern um die Frage der Zurückstellung, die die Koalition gefordert hatte und auch mit den Stimmen der Grünen durchsetzte. Die Wirkung aber ist dieselbe: Die Grünen stehen nicht zu ihrem eigenen Antrag.

Frankfurt: Bakakis fühlt sich von Wehemann vorgeführt

Zapf-Rodriguez und Bakakis hatten eine Chance, unbeschadet aus der Sache herauszukommen. Sie hätten der FDP sagen müssen: Hört zu, die Situation ist blöd, aber der Kampf gegen Rassismus zählt zur DNA der Grünen, wir müssen unserem eigenen Antrag zustimmen, wir geben die Abstimmung frei. Damit wäre die Koalitionsdisziplin aufgehoben gewesen, alle Stadtverordneten hätten nach ihrem Gewissen abgestimmt. Der Antrag hätte eine Mehrheit gefunden. Und die Frankfurter Grünen hätten Menschen aus dem linken Spektrum widerlegt, die schon lange behaupten, dass die Partei in Koalitionen ihre Ideale verrät, um irgendwie mitzuregieren. Für sie passt die Debatte ums N-Wort prima zum Verhalten der Grünen etwa im Dannenröder Forst oder beim Bau von Terminal 3.

Zapf-Rodriguez und Bakakis wählten diesen Weg nicht – vermutlich weil die Koalition noch ganz frisch ist und die FDP hochgradig verärgert gewesen wäre. Die neue Taktik legten sie final am Mittwochabend bei einer Fraktionssitzung fest, die hektisch verlief und aus der die FR ständig Informationen von Leuten erhielt, die mit dem Vorgehen nicht einverstanden sind. Die Sprachregelung lautete: Man erweitere den Antrag nur um einige Punkte, die der Koalitionsvertrag in dem Kapitel über Ausgrenzung und Rassismus nennt. So trug es Bakakis auch in seiner Rede vor, in der man seine Wut bis auf die Pressebänke spürte. Der eigentlich sehr ausgeglichene, für einen Fraktionschef sogar recht leise agierende Bakakis war stinksauer, weil er sich vom beständig feixenden Wehnemann vorgeführt fühlte.

Frankfurt: Auch Volt stimmt merkwürdig ab

Doch überzeugend war das alles nicht. Zum einen: Die FDP hatte im Herbst klipp und klar erklärt, dass sie die Ächtung von N- und M-Wort einfach nicht will. Zum anderen: Warum kann man die Ächtung rassistischer Begriffe nicht einfach beschließen und später noch konkrete Maßnahmen gegen Rassismus nachlegen? Der Kreisverband von Volt brachte es in einer Pressemitteilung auf den Punkt: „Dieses Aufschieben des Antrags ist sehr verletzend für Schwarze Menschen.“ Kurioserweise hielt das die eigenen vier Stadtverordneten nicht davon ab, für die Zurückstellung zu stimmen. Koalitionsdisziplin ist derzeit alles im Römer – auch wenn sie Menschen verletzt.

Menschen wie Mirrianne Mahn, die aus Kamerun kam und regelmäßig Rassismus anprangert. Etwa in einem Video, das sie in einem Krankenhaus drehte, wo sie offenbar übel behandelt wurde. Oder bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, als sie in der Paulskirche das Podium stürmte. Mahn dürfte sich jetzt fragen, warum den Grünen im Römer das gute Verhältnis zur FDP wichtiger ist als die eigene Stadtverordnete. Eine Antwort darauf gab es zumindest am Donnerstagabend nicht. (Georg Leppert)

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