Frankfurt: Prozess um „NSU 2.0“ beginnt im Februar

Der mutmaßliche Verfasser der rechtsextremen Drohungen vom „NSU 2.0“ muss sich ab Februar in Frankfurt vor Gericht verantworten. Die Betroffenen wollen den Prozess genau beobachten.
Der mit Spannung erwartete Prozess um die Drohschreiben vom sogenannten „NSU 2.0“ beginnt am 16. Februar vor dem Frankfurter Landgericht. Wie das Gericht mitteilte, werden dem Angeschuldigten, dem 53 Jahre alten Alexander M. aus Berlin, zahlreiche Straftaten vorgeworfen, darunter Bedrohung, Beleidigung in 67 Fällen, Volksverhetzung, öffentlicher Aufruf zu Straftaten, Verstöße gegen das Waffengesetz und ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte.
Für die Hauptverhandlung sind bis Ende April zunächst 14 Prozesstage angesetzt. Das Gericht geht aber offensichtlich bereits davon aus, dass danach weitere Termine nötig sein könnten.
Der Skandal um die mit dem Zusatz „NSU 2.0“ versehenen rassistischen und neonazistischen Drohschreiben hatte im Sommer 2018 mit Morddrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz begonnen. Unter Bezugnahme auf die rechte Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hatte der anonyme Absender, der sich selbst als „SS-Obersturmbannführer“ bezeichnete, Basay-Yildiz rassistisch beleidigt und ihr damit gedroht, sie und ihre kleine Tochter zu ermorden. In der Folge waren über dieselbe E-Mail-Adresse auch andere politisch exponierte Frauen bedroht worden, etwa die Kabarettistin Idil Baydar, die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, und die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke). Für besonderes Aufsehen hat gesorgt, dass in vielen der Schreiben private Daten der Bedrohten genannt worden waren.
Hessischer Polizeiskandal
Bei den Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass diese teils sogar speziell geschützten Daten an mehreren Polizeicomputern abgerufen worden waren, im Falle von Seda Basay-Yildiz im ersten Frankfurter Polizeirevier. Dadurch war der Verdacht aufgekommen, dass Polizeibeamt:innen Teil des „NSU 2.0“ sein könnten. Die Beamtin, die zum Zeitpunkt der Abfrage am entsprechenden Computer eingeloggt war, war zudem Teil einer Handy-Chatgruppe, in der Polizist:innen rassistische und rechtsextreme Inhalte geteilt hatten. Der Skandal um den „NSU 2.0“ hatte sich dadurch zu einem Polizeiskandal ausgeweitet, in dessen Folge zahlreiche rechtsextreme Umtriebe hessischer Polizist:innen bekannt geworden waren und der das Ansehen der Polizei stark beschädigt hatte. In der Folge wurden in der hessischen Polizei zahlreiche Reformen angestoßen.
Anfang Mai war dann Alexander M. in seiner Berliner Wohnung festgenommen worden, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer 120-seitigen Anklageschrift davon aus, dass der 53-Jährige die Drohschreiben des „NSU 2.0“ alleine verfasst hat. Er soll an die privaten Daten der bedrohten Frauen gelangt sein, indem er sich am Telefon als Polizist ausgegeben haben soll. Polizeibeamt:innen sollen ihm die Daten für seine Drohungen nicht bewusst gegeben haben.
Die bedrohten Frauen hatten schon nach der Festnahme des Angeschuldigten öffentlich Zweifel daran geäußert, dass Alexander M. wirklich allein gehandelt haben könnte. Insbesondere sei nicht erklärlich, wie er mit einfachen Telefonanrufen an teilweise gesondert geschützte Adressdaten gekommen sein solle.
Die Linken-Politikerin Janine Wissler sagte der Frankfurter Rundschau am Mittwoch, es sei nur schwer vorstellbar, „dass all diese Daten versehentlich herausgegeben wurden, zumal es sich in einem Fall um eine Polizistin handelt, die Mitglied einer rechten Chatgruppe war“. Das Gericht müsse in dem Prozess klären, wie der Angeschuldigte an die Daten gekommen sei und „ob es eine aktive Zuarbeit oder gar ein Netzwerk innerhalb der Polizei oder anderer Behörden gab“.
Wisslers Parteifreundin Martina Renner sagte der FR, es gehe in dem Prozess um weit mehr als um die Frage, „ob und wie der Haupttäter verurteilt wird“. Die Betroffenen würden in Frankfurt ganz genau beobachten, „wie zu der illegalen Weitergabe von Polizeidaten ermittelt wurde und welche Kontakte der Angeklagte zu anderen Verfassern ähnlicher Drohmails hatte“, so Renner.