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Frankfurt: Predigen mit Musik

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Chorprobe im Saal des Gemeindehauses der Katharinenkirche in der Frankfurter Leerbachstraße. Zwei Konzerte gibt der prominente Kirchenmusikers Nikolaus Graf Münster noch, bevor er zum 1. April in Rente geht.
Chorprobe im Saal des Gemeindehauses der Katharinenkirche in der Frankfurter Leerbachstraße. Zwei Konzerte gibt der prominente Kirchenmusikers Nikolaus Graf Münster noch, bevor er zum 1. April in Rente geht. Bild: Rolf Oeser © Rolf Oeser

Nikolaus Graf Münster ist Theologe mit reichlich Kanzelerfahrung und gleichzeitig Vollblutmusiker – jetzt geht der langjährige Kantor von St. Katharinen in den Ruhestand

Kirchenmusik in Frankfurt ohne Nikolaus Graf Münster – das scheint schwer vorstellbar, wird aber von April an Realität sein. Denn dann geht der umtriebige Kantor von St. Katharinen an der Hauptwache, dem die Stadt unter anderem das sehr erfolgreiche und seit 2004 laufende Format der Bachvespern verdankt, in Rente. Bereits kurz vor Jahresbeginn wurde sein Nachfolger vorgestellt, der aus Borkum stammende Kirchenmusiker Klaus Eldert Müller, der zum 1. April auch die Stelle des Organisten Martin Lücker übernimmt.

Leben wollen Münster und seine Frau künftig in Frankfurt und am Bodensee, wo Münsters Stiefvater, Sohn des berühmten Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, nach dem Zweiten Weltkrieg ein Haus kaufte. Schon als Kind sei er sehr oft dort gewesen, habe segeln gelernt, Partituren studiert und die schöne Landschaft entdeckt, wie er erzählt.

Ideen hat er viele für diese nun ausgiebigere Zeit in Überlingen, nicht nur musikalische. Im Frühjahr heiratet dort erst mal der Sohn, und die evangelische Kirche im Ort hat gerade eine gute neue Orgel erhalten – Konzerttermine sind schon vereinbart. Und dann will Münster unter anderem seine Forschungen am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt zu Rhythmus in der Musik fortsetzen.

Am kommenden Samstag, 4. März, dirigiert der noch 65-Jährige, der im April Geburtstag hat, ab 18 Uhr zum letzten Mal die dann 179. Bachkantate mit dem schönen Namen „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (BWV 106) in der Katharinenkirche und am 5. März ab 17 Uhr in der Marktkirche in Wiesbaden, verbunden jeweils mit einer 30 Minuten davor beginnenden Einführung in das Werk. In der Reihe der Bachvespern, die im Lauf von gut 20 Jahren alle 200 Kantaten des legendären Komponisten aufführt, sind die Werke eingebunden in einen kurzen Gottesdienst. Die Predigt übernimmt stets ein anderer Pfarrer, eine andere Pfarrerin, zu Münsters letzter Bachvesper ist es Kirchenpräsident Volker Jung höchstpersönlich. Dabei könnte Münster auch selbst auf die Kanzel steigen.

Denn der in Stuttgart aufgewachsene ausgebildete Kirchenmusiker und Theologe, der im traditionsreichen evangelischen Stift zu Tübingen studiert hat, war mehrere Jahre lang Gemeindepfarrer in Reutlingen und ist damit sozusagen Doppelprofi mit zwei Berufen. Das gilt kirchenintern auch bundesweit als sehr ungewöhnlich. Wer sich mit ihm unterhält, wird staunen über die geschliffenen, stets pointierten Gedanken zu theologischen wie musikalischen Themen.

Als die evangelische Landeskirche Hessen-Nassau 1996 einen neuen Landeskirchenmusikdirektor suchte, bewarb sich der musikalische Pfarrer – und übernahm 1997 für 14 Jahre den prestigeträchtigen Posten. Die Kirchenmusik in der Landeskirche ist in seiner Amtszeit deutlich ausgebaut worden.

Höher kann man kirchenintern kaum noch auf der Karriereleiter steigen, und es scheint den meisten Menschen fast schon selbstverständlich, dass der Weg immer nur nach oben gehen muss. Dass Münster sich schließlich dafür entschied, wieder ein paar Stufen hinabzusteigen und Kantor an Frankfurts evangelischer Hauptkirche St. Katharinen zu werden, mag manchen verwundert haben.

Er selbst bereute den Schritt nie. „Da begann für mich mit 53 Jahren eine richtige Kunstphase“, berichtet er begeistert. Rund 90 Bach-Kantaten hat er dirigiert, bei etwa genauso vielen mitgespielt. Nur zwei hat er verpasst. Große Konzerte waren in St. Katharinen regelmäßig zu hören, Münster spornte seine Chöre zu Höchstleistungen an, arbeitete eng mit der Hochschule für Musik zusammen. Sein Engagement wird in Frankfurt fehlen.

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