Stadt wie Anwohnerschaft machen sich vermehrt Gedanken, wie sie den nächtlichen Andrang auf Plätze im Nordend begrenzen können.
Frankfurt – Detlef Hentschel hat resigniert. Wenn er in naher Zukunft in den Ruhestand gehe, werde er wegziehen. Zehn Jahre lang habe er als Anwohner des Friedberger Platzes im Frankfurter Nordend jede pragmatische Lösung der Stadt mitgetragen. Doch gebracht habe es nie etwas, „man hat nur an den Symptomen herumgedoktert“, die wahren Ursachen seien nicht angegangen worden. „Es ist hoffnungslos.“ Das Nordend sei ein Wohnviertel und „nicht für solche Menschenmassen gemacht“.
Feiern auf Plätzen im Frankfurter Nordend: Anwohner:innen haben keine Geduld mehr
Gleich zwei Diskussionsforen in der Stadt widmen sich am Montag dem freitäglichen Partyphänomen. In einer Anhörung des Ortsbeirats 3 (Nordend) am Nachmittag machen viele Anwohnerinnen und Anwohner ihrem Ärger Luft. Sie haben kompetente Ansprechpartner. Die Mitglieder des Ortsbeirats versuchen seit Jahren schon, zwischen Party und Anwohnerschaft zu vermitteln.
Zudem sind Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP), die Stabsstelle Sauberes Frankfurt und die Polizei zu Gast. Abends diskutiert die Ordnungsdezernentin dann mit Silke Jungfleisch von der Bürgerinitiative Luisenplatz im Forum des Frankfurter Domkreises im Haus am Dom. Zusammen mit Partymacher Kenzo Römer und Platzbesucher Kay Urban sowie Moderator Florian Leclerc von der FR einigt sich das Podium darauf, dass die Party so nicht weitergehen kann.
Party im Nordend in Frankfurt: Anwohner:innen machen ihrem Ärger Luft
Aber was tun? Die Anwohnerinnen und Anwohner, die noch nicht resigniert haben, sind fast schon in Aufruhr. Viele haben wie Hentschel keine Geduld mehr, darauf zu warten, dass sich die Situation für sie bessert. Im Kern geht es um die Probleme Lärm, Müll, Wildpinkeln, Vandalismus und Sicherheit.
In Spitzenzeiten kommen 4000 Menschen auf dem Friedberger Platz zusammen, 1200 auf dem Luisenplatz, sagt Silke Jungfleisch nüchtern. „Das ufert einfach aus.“ Niemand möchte die Plätze verwaist sehen. Es müsse auch nicht unbedingt um 22 Uhr Schluss sei. Aber einen Schluss müsse es schon geben, sei es um 23 oder 24 Uhr. „Es muss Regeln geben.“
Plätze im Nordend: Vermittlung zwischen Anwohner:innen und Feiernden
Es solle auch keine Hundertschaft der Polizei die Plätze stürmen. Aber die Stadt müsse prüfen, was ordnungspolitisch gehe, fordert Jungfleisch. Der bestehende Katalog an Möglichkeiten sei ein Anfang, den es auszuweiten gelte. Auf alle Plätze des Nordends, nicht nur auf den Friedberger. Wichtig sei außerdem, die Kioske und Gastronomie in das Konzept einzubeziehen. Schließlich gebe es das Recht auf Nachtruhe, auf Sicherheit und auch eine städtische Grünflächensatzung.
Inzwischen wird auch am Luisenplatz gereinigt. Mit dem Ergebnis, dass viele Feiernde auf den Matthias-Beltz- und Merianplatz ausweichen. Ulla Lorenz, die am Beltzplatz wohnt, wünscht sich deshalb, dass das Konzept der Stadt auch vor ihrer Haustüre umgesetzt wird. Umso mehr, da auf dem kleinen Areal an der Friedberger Landstraße täglich laut gefeiert werde, nicht nur freitags. Er könne deshalb seit Jahren nur noch mit geschlossenem Fenster schlafen, sagt Anwohner Uwe Fritzlen. Hilfreich wären mehr Polizeistreifen, wende er sich selbst an Wildpinkler, bekomme er Schläge angedroht.
Dabei sind 80 oder gar 90 Prozent der Menschen, die sich nächtens auf den Plätzen breitmachen, „sympathische Leute“, wie Willi Preßmar sagt, Stadtbezirksvorsteher im Nordend. Er wandelt regelmäßig zwischen ihnen, versucht zu vermitteln. Einen Hoffnungsschimmer glaubt er entdeckt zu haben: Das Problem werde nicht mehr kleingeredet. Das ist auch schwer möglich angesichts der Massen, die sommers unterwegs sind. Und es sich sogar mit der Picknickdecke auf der Straße gemütlich machten, wie ein fassungsloser Anwohner berichtet. (Boris Schlepper, George Grodensky)