Frankfurt: Neuer Elektro-Club eröffnet im Bahnhofsviertel

Der neue Elektroclub Tokonoma im Frankfurter Bahnhofsviertel ist keine Großraumdisko. Vor allem Fans von House sollen hier glücklich werden.
Frankfurt – „Mit einer Anlage kannst du jemandem die Ohren streicheln, aber du kannst auch jemandem die Ohren wirklich langziehen“, sagt Eric Humburg und lacht. Der 46-Jährige steht in einem der vielen kleinen Räume des neuen Elektroclubs Tokonoma im Frankfurter Bahnhofsviertel, der bald eröffnet werden soll. Zur Buchmesse gibt es bereits von Donnerstag bis Samstag einen ersten Einblick in den Club. Bei einer 4D-Sound-Installation haben kanadische Künstler:innen literarische Werke als Klangstücke konzipiert. Überhaupt ist der neue Club gleichzeitig noch ein Verein und soll ein Ort für Kulturveranstaltungen sein.
Schon der Name deutet darauf hin, dass es ein besonderer Club ist. Humburg, der sich nicht so gern als Initiator, sondern lieber als Zirkusdirektor des Clubs bezeichnet, hat zusammen mit Freunden hier viel selbst gebaut: beispielsweise hochwertige Lautsprecheranlagen mit Bob Schweizer und der Klangmanufaktur Frankfurt. „Maßanzüge für Clubs“ nennt es Humburg. Denn der Sound in den Clubräumen soll Tonstudioqualität haben. So könnten sich die Gäste trotz der lauten Musik angenehm unterhalten und sie spürten die Bässe im Körper, aber ohne dass ihnen die Ohren dröhnten.

Frankfurter Bahnhofviertel: Neuer Elektro-Club zwischen Kaiserstraße und Münchner Straße
Das Tokonoma hat eine Fläche von 400 Quadratmetern und befindet sich in den Kellerräumen des Clubs Orange Peel zwischen der Kaiserstraße und der Münchner Straße. Es ist aber keine Großraumdisko, diese Zeiten seien vorbei, versichert Humburg. „Der größte Raum ist 170 Quadratmeter groß, ansonsten gibt es viele kleine Räume. Und noch ein paar geheime“, sagt er. 20 bis 500 Leute könnten je nach Raumgröße zusammen feiern.
„Verschiedene DJs können in verschiedenen Räumen spielen. Es kann aber auch sein, dass alle Räume offen sind und nur in einem Raum gespielt wird, da sind wir variabel“, sagt Humburg, der schon von klein auf eigene Lautsprecheranlagen baut. Seit Anfang der 2000er macht der Autodidakt dies für Clubs.
Die Idee mit den Microclubs hatte Humburg bereits vor zweieinhalb Jahren. Seit Pandemiebeginn habe er allein 5000 bis 6000 Arbeitsstunden in den Club gesteckt. Erst sollte dieser auf der Mainzer Landstraße entstehen, das aber klappte nicht. Dann bekam er die Kellerräume im Bahnhofsviertel angeboten. „Ein japanischer Freund meinte, das seien alles kleine Tokonomas. Ich fragte ihn, ‚Was ist ein Tokonoma?‘ Das Tokonoma war in Japan ein Respektraum im 14. bis 16. Jahrhundert: eine Art Erker, zwei Meter tief, zwei Meter hoch, 50 Zentimeter erhöht, um den Gast respektvoll zu empfangen.

„So kam die Idee, dass wir unseren Club so nennen. Denn unser Hauptanliegen ist es, Respekt der Musik entgegenzubringen“, sagt Humburg. Und gerade deswegen seien die Bars nicht unweit der Tanzfläche wie in anderen Clubs, sondern in separaten Räumen. „Das ist unser Respekt gegenüber der Musik, gegenüber dem DJ, aber auch fühlen sich viele Leute beim Tanzen vom Lärm der Bar gestört.“ Sascha Koza von „Licht An Licht Aus“ kümmert sich mit Humburg um Licht sowie Videoinstallationen, die auf die Musik abgestimmt sind. Unweit von Humburg steht das Mischpult einer kleinen Manufaktur aus Barcelona.
„Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht, weil wir während Corona dastanden: Wie kann ich das alles verwirklichen für relativ wenig Geld? Also habe ich viel recycelt. Sachen, die schon in anderen Clubs waren. Außerdem hat ein Freund mir viel Baumaterial überlassen, das ich umbauen konnte.“ Aus einem 150 Jahre alten Parkett einer japanischen Botschaft ist eine Holztreppe geworden, eine Kirchenorgelverkleidung hat er zu einem Diffusor umgebaut, der zudem auch an der Wand hübsch aussieht. „Der Diffusor sorgt dafür, dass sich der Bass im Raum homogen ausbreitet und nicht in der Ecke stehen bleibt.“ Der Vermieter des Gebäudes, Ömer Yildirim, habe in der langen Lockdownzeit bezüglich der Miete mit ihnen einen Corona-Deal ausgemacht und ihnen so sehr geholfen.
Erster Einblick in den Club
Der Elektroclub Tokonoma in der Kaiserstraße 39 eröffnet offiziell im Dezember.
Als Teil des kanadischen Ehrengastauftritts bei der Frankfurter Buchmesse gibt es aber vorab (vom 21. bis 24. Oktober von jeweils 14.30 bis 22 Uhr jeweils 45 Minuten) eine 4D-Sound-Installation: Namhafte kanadische Künstler:innen haben bei „Transposition“ immersive literarische Werke als Klangstücke konzipiert. Der Eintritt ist kostenlos. Interessierte müssen vorab ein Ticket online buchen: transpositionfrankfurt.eventbrite.com
Infos zu Tokonoma auf: www.facebook.com/Tokonoma.club
Und noch was ist besonders im Tokonoma: Der DJ wird immer in der Mitte und in einem der Räume sogar in einer Art Sandkasten stehen. Das habe die Funktion, dass der DJ nach langem Stehen keine Schmerzen in den Knien habe und man zugleich die Anlage nicht so laut drehen müsse, weil der Sand wie eine Art Stoßdämpfer ungewollte Frequenzen verhindere.
Seit Anfang dieses Jahres mit dabei ist auch Robert Drewek. Der 47-Jährige ist für das Booking der DJs verantwortlich. Denn er ist nicht nur selbst DJ, sondern auch einer der drei Geschäftsführer von DBH Music. „Wir vertreiben 120 Labels weltweit, haben 20 eigene Inhouselabels, das bekannteste ist Rawax. Durch meine Vertriebs- und DJ-Tätigkeit bin ich weltweit sehr gut vernetzt.“ Das Tokonoma sei kein Ort für Fans des harten Technos. Vorwiegend klassischer House, also auch mit Gesang oder R’n’B-Elementen, soll hier gespielt werden. „Ich habe in all den Jahren meines Schaffens die Erfahrung gemacht, dass Menschen glücklicher und zufriedener sind, wenn sie House hören“, sagt Drewek.
Im November wird es erst einmal ein „Soft Opening“ für geladene Gäste geben, wo Ata Macias, der den Offenbacher Robert-Johnson-Club mitbegründete, der Heidelberger Move D und der Darmstädter Thomas Hammann auflegen werden. Für Dezember hat sich Chez Damier, eine der zentralen Figuren der House Musik, angekündigt.

Überhaupt sollen neben nationalen Künstlern auch internationale wie Ron Trent oder Laurent Garnier hier auflegen. Und natürlich Drewek selbst wird auftreten. Wie ist das eigentlich für ihn, dass er plötzlich nicht in der Ecke, sondern mitten auf der Tanzfläche stehen wird, wenn er die Platten wechselt? „Das wird eine neue Erfahrung, da du die Reaktionen der Leute dann rund um dich herum direkt mitbekommst.“
Die erste öffentliche Veranstaltung im Dezember soll eine Hommage an den vor vier Jahren im Alter von 47 Jahren verstorbenen Heiko „MSO“ Schäfer sein. Der DJ, Produzent und Labelbetreiber sei eine große Inspiration gewesen, betont Humburg: „Er war einer der wichtigsten Menschen für die Frankfurter Housemusik. Wir wollen den Menschen das Werk von Heiko näherbringen. Ich kannte niemanden, der der Musik so viel Respekt entgegengebracht hat wie er. Er hat auch die ansonsten verschlossene Elektroszene in Frankfurt zusammengebracht.“
Heiko MSO hängt als Foto auf den Kabinentüren der Herrentoilette. Die Kabinen sind ein Überbleibsel eines alten Sexkinos. Wenn die Herren auf dem Klo sitzen, grinst Heiko MSO sie fröhlich an. (Kathrin Rosendorff)