Kleine Geschäfte kämpfen ums Überleben: Planungsdezernent stellt klare Forderung

In Frankfurt kämpfen vor allem kleine Geschäfte ob der ansteigenden Mieten ums Überleben. Planungsdezernent Mike Josef (SPD) stellt deswegen eine klare Forderung.
Frankfurt - Der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef (SPD) über Wege, Vielfalt im Einzelhandel zu bewahren, neue Hochhäuser in der Innenstadt und seine Vorstellungen für einen Umbau der Hauptwache.
Herr Josef, der Einzelhandel in der Innenstadt ist in einem großen Umbruch. Viele Läden schaffen es auch wegen des wachsenden Online-Handels kaum noch, sich die hohen Mieten zu leisten. Wie beobachten Sie die Situation?
Wir stellen fest, dass der wachsende Online-Handel und die teilweise stark steigenden Mieten dazu führen, dass die Zahl der großen Ketten, die es sich leisten können, mit einem Laden auch mal ein, zwei Jahre keinen Gewinn zu machen, in den Einkaufsstraßen zunimmt. Aber auch Interimsnutzungen und Ramsch- läden sind häufig zu beobachten. Die Gefahr ist groß, dass die Vielfalt des Einzelhandels nach und nach verloren geht.
Frankfurt: Kleine Geschäfte bleiben wegen hoher Mieten auf der Strecke - was tun?
Zuletzt mussten aus verschiedenen Gründen etwa das Buchgeschäft Carolus, Landkarten Schwarz und die Gaststätte Mutter Ernst aufgeben. Besonders kleine inhabergeführte Läden bleiben auf der Strecke.
In der Tendenz haben Sie recht. Die Mieten steigen, die Umsätze wachsen aber nicht im selben Maße. Das führt zu Verdrängung und zur Änderung der Ladenstruktur. Das Problem ist: Anders als beim Wohnraum gibt es keinen mietrechtlichen Schutz. Dabei sind gerade eingesessene Geschäfte und Lokale in den Stadtteilen oft identitätsstiftend.
Was haben Sie denn für Möglichkeiten, um kleinere Läden zu schützen?
Das Planungsrecht gibt uns Möglichkeiten, eine Mischung festzusetzen. Wir können Nutzungen geschossweise definieren. In der jetzigen Situation gibt es zum Beispiel durchaus Anfragen, Häuser in den Zeil-Nebenstraßen, in denen unten Ladenflächen sind, komplett in Wohnraum umzuwandeln. Doch das wollen wir nicht. Die Areale sollen Mischgebiete bleiben. Ich habe im Bauausschuss des Deutschen Städte- tages den Vorschlag eingebracht, dass man mit neuartigen Milieuschutzsatzungen oder mit mietrechtlichen Instrumenten Gewerbeeinheiten schützen könnte.
In Frankfurt kämpfen kleine Geschäfte ums Überleben - Beispiel an Berlin nehmen
Aus Berlin kommt ein Vorstoß für einen Mietendeckel für Gewerbebetriebe. Was halten Sie davon?
Man sollte definitiv darüber nachdenken, wie man mietrechtlich eingreifen kann. Für gewerbliche Einheiten sind Mietanstiegen bislang keine Grenzen gesetzt. Lange galt das als kein Problem. Doch die großen Preissprünge machen klar, dass es in dem Bereich eine Regelungslücke gibt, die es zu schließen gilt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auch für Gewerbeeinheiten die Mieterhöhungen begrenzt, ähnlich den Kappungsgrenzen im Wohnungsbereich.
Auch für Läden oder Lokale?
Gerade für solche Nutzungen. Die Mieten für Lokale in der Innenstadt steigen zum Teil so stark, dass die Betreiber aufgeben müssen. Sie können ja keine Pizza Margherita für 18 oder 20 Euro verkaufen.
Zu hohe Mieten in Frankfurt: Mietendeckel als zu starker Eingriff?
Ein Mietendeckel für Läden und Lokale wäre ein weiterer starker Eingriff in das Eigentumsrecht.
Jede Nutzungsfestlegung ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht. Das ist eine der Funktionen von Stadtplanung. Es ist dann eine Abwägungsfrage. Gerade die Haupteinkaufsstraßen in den Stadtteilen, etwa die Schweizer Straße oder die Leipziger Straße, leben von einer gewissen Vielfalt. Wenn diese schwindet, verlieren die Stadtteile einen Teil ihrer Identität und auch ihrer Funktion zur Deckung der täglichen und wöchentlichen Bedarfe der Bürger. Es ist wichtig, dass es einen Bäcker, einen Metzger, eine Änderungsschneiderei oder auch eine Fahrradwerkstatt in der Nähe gibt. Es fördert übrigens auch die Nahmobilität, das Zu-Fuß-Gehen. Doch die kleinen Stadtteilläden können sich Mieten in Richtung 16 bis 20 Euro pro Quadratmeter nicht leisten. Sie überleben nur, wenn ihnen der Laden selbst gehört.
Andere Städte kaufen selbst Geschäftshäuser auf. Ist das auch für Frankfurt eine Option?
Zum Glück gehören der Stadt und der ABG bereits Läden in der Innenstadt, etwa an der Braubachstraße oder der Fahrgasse. So tragen wir selbst zur Vielfalt bei. Wir diskutieren aber tatsächlich mit ABG und Wirtschaftsförderung eine Art von Ladenmanagement, das heißt Flächen für den Einzelhandel vorzuhalten und auch zu kaufen. Ziel ist es zu erreichen, dass kleinere Läden sich die Mieten leisten können. Die Rendite aus dem restlichen Gebäude muss den fehlenden Ertrag bringen. Solch ein Modell gibt es etwa in Wien.
Mieten in Frankfurt in der Innenstadt: Neue teure Wohnungen entstehen
Wie wird es die Innenstadt verändern, wenn im Hochhausquartier Four und in Hochhäusern an der Stiftstraße mehrere Hundert Wohnungen entstehen?
Entscheidend für die Entwicklung ist, dass die Sockel in den neuen Hochhäusern öffentlich genutzt werden. Da denke ich nicht an ein Fitnessstudio, sondern eher an Geschäfte oder auch ein Kino oder ein Museum oder auch Proberäume, Ateliers, eben lebendige nichtkommerzielle Orte. Die neuen Quartiere müssen eine hohe Aufenthaltsqualität haben, zum Flanieren einladen. Allgemein gilt es, den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass breite Wege für Radfahrer und Fußgänger entstehen. Das kann auch der Wirtschaft nutzen. In Madrid ist die Innenstadt seit einem Jahr fast autofrei. Und der Einzelhandel profitiert davon.
Zum größten Teil entstehen in der Innenstadt sehr teure Wohnungen. Sehen Sie die Gefahr, dass es zu einer negativen Aufwertung der City kommt, wenn noch mehr teure Lokale, exklusive Geschäfte entstehen?
Ich verstehe und ich sehe die Gefahr. Wir wollen eine Durchmischung. Deshalb haben wir als Stadt erfolgreich dafür gekämpft, dass im Four auch geförderte Wohnungen entstehen. Ursprünglich sollten dort nur Büros gebaut werden. Das wäre nicht besser gewesen.
Frankfurt: Neugestaltung der Innenstadt - das sagt der Planungsdezernent
Seit Jahren diskutiert die Politik immer wieder über eine Neugestaltung von Konstablerwache, Hauptwache, der Platzfolge Roßmarkt-Goetheplatz-Rathenauplatz. Wann tut sich etwas?
Bei der Neugestaltung der Hauptwache bin ich der Ansicht, dass wir den riesigen Treppenaufgang nicht für sehr viel Geld überdeckeln sollten. Es bringt nichts, einen neuen Wettbewerb zu veranstalten – und dann irgendwann schon wegen der riesigen Kosten von der Überdeckelung wieder Abstand zu nehmen. Die trennende Wirkung des Lochs lässt sich auch mit geringerem baulichen Aufwand und Zwischennutzungen an der einen oder anderen Stelle mindern. Schon vorher könnte man beginnen, den öffentlichen Raum rund um die Hauptwache umzugestalten. Ich denke etwa an Sitzmöglichkeiten, etwas Begrünung und Spielmöglichkeiten für Kinder.
Interview: Christoph Manus
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