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Frankfurt: Keine Entscheidung über Jury für den Paulskirchenpreis

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Von: Florian Leclerc, Georg Leppert

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Als Fotohintergrund sind Paulskirche und das Denkmal der deutschen Revolution offenbar beliebt. Renate Hoyer
In der Paulskirche wird in diesem Jahr gefeiert. © Renate Hoyer

Eigentlich wollten die Frankfurter Stadtverordneten am Donnerstagabend die Besetzung für das Kuratorium des Europäischen Paulskirchenpreis beschließen. Doch um Mitternacht wurde das Thema nach einer turbulenten Sitzung vertagt.

Es war mitten in der Nacht, als die SPD-Fraktionschefin im Römer, Ursula Busch, nach einer Unterbrechung der Sitzung ans Redepult trat. Die Koalition werde die Vorlage zur Besetzung des Kuratoriums für den geplanten Paulskirchenpreis in dieser Sitzung nicht beschließen, sagte sie. Grund sei die massive Kritik am Verfahren, mit dem das Gremium zusammengestellt wurde. „Wir werden uns das Verfahren jetzt noch einmal ganz genau ansehen“, sagte Busch - und klang dabei ebenso erschöpft wie genervt. Denn auch sie und vor allem die SPD waren in den Stunden zuvor scharf angegangen worden.

Heftig hatte die Stadtverordnetenversammlung über die Besetzung des Kuratoriums für den Europäischen Paulskirchenpreis gerungen. Die Opposition sah demokratische Prinzipien nicht beachtet. Und zwar aus einem formalen Grund. Im Antrag für den Preis hat der Magistrat festgelegt, die Stadtverordnetenversammlung solle die Mitglieder des Kuratoriums auf Grundlage eines gemeinsamen Vorschlags des Präsidiums der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats wählen. Das Präsidium wurde aber nicht gefragt.

Streit über Bäppler-Wolf

„Die Besetzung des Kuratoriums ist ausgekungelt. Das Verfahren unter Einbeziehung des Präsidiums der Stadtverordnetenversammlung wurde nicht eingehalten“, urteilte die Stadtverordnete Jutta Ditfurth (Ökolinx) im Ältestenausschuss, welcher der Stadtverordnetenversammlung vorausging.

Sie kritisierte zudem die Benennung von Thomas Bäppler-Wolf (SPD). „Er hat sich rassistisch geäußert. Er ist der Falsche für das Kuratorium, daran ändert auch seine Entschuldigung nichts“, sagte Ditfurth. Hintergrund ist Bäppler-Wolfs Vergleich von Migrant:innen mit Affen im Zusammenhang mit den Vorfällen während der Berliner Silvesternacht. In der Diskussion am späten Abend sagte Falko Görres (Die Partei) über Bäppler-Wolf: „Nur wer Rassismus verinnerlicht hat, sagt so etwas.“ Pearl Hahn (Linke) sagte, durch Bäppler-Wolfs Berufung ins Kuratorium werde „Rassismus belohnt.“

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Busch sprang ihrem Parteifreund im Ältestenausschuss zur Seite. „Es ist schwierig, jemanden als Rassisten zu bezeichnen. Bäppler-Wolf hat einen Fehler gemacht, dafür hat er sich entschuldigt.“

Linke: „Preis droht zur Farce zu werden“

Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner (Grüne) kritisierte Busch: „Rassistische Äußerungen sollte man nicht als Fehler bezeichnen, das ist eine Verharmlosung.“ Ursula Busch daraufhin: „Ich räume ein, der Begriff Fehler ist an dieser Stelle nicht zutreffend.“

Bäppler-Wolf äußerte sich im Plenarsaal nicht. Auf Facebook schrieb er während der Debatte: „Ich vergesse niemals etwas, keine Handlung, keinen Namen und kein Gesicht (Agatha Christie).“ Ob ein Zusammenhang zur Diskussion bestand, blieb unklar.

„Dieser Preis droht zur Farce zu werden“, urteilte Michael Müller (Linke). „Niemand stellt den Preis infrage, wir wollen ihn retten“, sagte Müller. Er bemängelte aber, das Präsidium hätte einbezogen werden müssen. Das sah auch Nils Kößler so: „Das beschlossene Verfahren wurde nicht eingehalten“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Bürgerrechtler:innen, Historiker:innen, politische Persönlichkeiten fehlten in der Jury bislang. Auch sei der bisherige Zeitplan nicht zu halten. Kößler schlug wie Jutta Ditfurth eine erste Preisverleihung im kommenden Jahr vor. Dann sollte das Kuratorium neu zusammengesetzt werden.

Bürgermeisterin hält an Preisverleihung in diesem Jahr fest

Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) hielt daran fest, den Preis erstmals am 21. Mai im Rahmen der 175-Jahr-Feier der deutschen Nationalversammlung zu verleihen. Das Kuratorium nehme im März seine Arbeit auf. Sie habe davon geträumt, einen würdigen Preis zu verleihen. „Genau in diesem Jahr wollen wir ein Signal für Menschenrechte setzen“, sagte die Bürgermeisterin. Die Jury sei für die Zukunft nicht in Stein gemeißelt, erklärte Eskandari-Grünberg. Sie hätte sich gewünscht, dass die SPD jemand anderen als Bäppler-Wolf nominiert.

Die Grünen hielten fest, sie hätten mit Rainer Forst einen renommierten Philosophen und mit Virginia Wangare Greiner eine Trägerin des Frankfurter Integrationspreises und des Bundesverdienstkreuzes vorgeschlagen. Volt wiederum habe die Tony-Sender-Preisträgerin Eleonore Wiedenroth-Coulibaly nominiert. Diese Vorschläge würden dem Stellenwert des Preises gerecht und seien nicht parteipolitisch gefärbt.

Vierzig Minuten Unterbrechung

In das Kuratorium soll der Banker Rüdiger von Rosen einziehen. Er würde den Platz von Nils Kößler einnehmen, der nicht mehr mitwirken möchte. Doch wenige Momente, bevor über diese Zusammensetzung im Stadtparlament beschlossen wurde, stand der Fraktionschef der Grünen, Dimitrios Bakakis, auf und forderte eine 15-minütige Unterbrechung der Sitzung. „Wir haben Beratungsbedarf“, sagte er. Offenbar hatte die vorangegangene Diskussion über Bäppler-Wolf und das nicht eingehaltene Verfahren insbesondere den Grünen zugesetzt.

Aus der beantragten Viertelstunde wurden dann fast 40 Minuten, in denen auf den Fluren hektisch und intensiv diskutiert wurde. Dann gab Ursula Busch die Zurückstellung der Magistratsvorlage bekannt. Die Stadtverordneten stimmten der Vertagung zu, und Vorsteherin Hilime Arslaner (Grüne) rief den nächsten Tagesordnungspunkt auf. Es ging um ein Toilettenkonzept für Frankfurt.

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