Frankfurt: Koalition sagt Haushaltsdebatte ab

Das Stadtparlament fällt fast komplett aus, weil die Stadtverordneten auf die Antikriegsdemonstration wollen.
Es sollte die wichtigste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in diesem Jahr werden, die Einbringung und erste Diskussion zum Haushaltsentwurf, aber die Sitzung war die kürzeste und kurioseste seit geraumer Zeit. Minuten vor Beginn der Stadtverordnetenversammlung beschloss die Koalition im Ältestenausschuss, die Sitzung wegen des Kriegs in der Ukraine zu verkürzen, damit Stadtverordnete auf eine Antikriegsdemonstration um 18.30 Uhr gehen können. Der Haushaltsentwurf wurde nur formal eingebracht. Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne) redete nicht dazu. Und die Opposition kam ebenfalls nicht zu Wort.
„Wir haben uns das nicht leichtgemacht“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Busch. Viele im Saal seien erschüttert und emotional sehr berührt und nicht in der Lage, sich so auf die Kommunalpolitik einzulassen, wie es nötig wäre. In den Ausschüssen werde über den Haushalt diskutiert.
Opposition hätte gerne diskutiert
„Es ist eine gute Sache, gegen den Krieg zu demonstrieren. Aber wir wurden gewählt, um hier Stadtpolitik zu machen“, sagte Falko Görres (Die Partei). Wenn es Einzelne gebe, die ihren Willen auf einer Demonstration ausdrücken wollten, sollten sie das tun. „Sie sollten das Parlament nicht abhalten, ihre Arbeit zu tun.“ Es sei eine Unart, dass die Koalition den Parlamentsbetrieb immer weiter beschneide, ergänzte Nico Wehnemann (Die Partei).
„Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, den Stadtverordneten die Teilnahme an der Demonstration zu ermöglichen“, kritisierte auch CDU-Fraktionschef Nils Kößler: „Wir hätten uns heute auf einen ersten Austausch zum Haushalt einigen sollen. Das wurde mit einem Federstrich beiseitegewischt.“
Haushalt
Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne) hat den Haushaltsentwurf am Donnerstag im Stadtparlament nur formal eingebracht. Eine Haushaltsrede hielt er nicht. Es gab auch keine ersten Stellungnahmen von Koalition und Opposition zum Haushalt.
Wie Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner-Gölbasi (Grüne) ausführte, sei eine informatorische Lesung in den Fachausschüssen von 14. März an geplant. Die Ortsbeiräte und die Kommunale Ausländerinnen- und Ausländervertretung (KAV) hätten bis 8. April Zeit, um Stellung zu nehmen.
Die Fraktionen müssten ihre Etatanträge bis 6. Mai einreichen. Eine zweite Lesung des Haushalts sei in den Ausschüssen von 23. Mai an geplant. Der Haushalt 2022 soll in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 9. Juni beschlossen werden.
Der Haushaltsentwurf ist 1822 Seiten lang. Hinzu kommt ein zusammenfassender Vorbericht, der 137 Seiten lang ist. fle
Tina Zapf-Rodriguez (Grüne) kämpfte mit den Tränen. „Es geht nicht, hier Business as usual zu machen“, sagte sie. Einige im Saal, darunter Pearl Hahn (Linke), reagierten mit einem langgezogenen „Ooohhh“, wofür Hahn von Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner-Gölbasi (Grüne) gerügt wurde. Sie rügte auch Jutta Ditfurth (Ökolinx), die sich zur Resolution zur Ukraine äußern wollte. Auch ein „Halt die Klappe“ von Ditfurth wurde gerügt. „Wir sind hier nicht in der Kneipe“, sagte Arslaner-Gölbasi. Um 17.07 Uhr beschloss die Koalition, die Tagesordnung zu kürzen. Dagegen stimmten Ökolinx-ELF, Die Fraktion, CDU, AfD, BFF-BIG.
Stadtparlament endet frühzeitig
Zuvor hatten sich die Stadtverordneten mit sehr großer Mehrheit im Ältestenausschuss auf eine Resolution zum Ukraine-Krieg geeinigt. Sie trägt den Titel: „Entschlossen und solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Förderation“. In der dreiseitigen Erklärung verurteilen Stadtverordnete und Magistrat den russischen Einmarsch sowie Wladimir Putins Rede zur Ukraine vom vergangenen Montag. Auch eine weitaus kürzere Resolution von Ökolinx-ARL, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt, wurde angenommen, mit Stimmen von Grünen, SPD und Volt im Römer. Frankfurt soll sich demnach darauf vorbereiten, Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen.
Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) ließen die ukrainische Flagge am Rathaus aufziehen. Feldmann sagte: „Europa hat genug Leid und Verderben gesehen – deswegen stehen wir eng an der Seite jener, die unter dem Krieg zu leiden haben.“ Eskandari-Grünberg sagte, die Solidarität gelte den 2300 Ukrainer:innen, die in Frankfurt lebten.
Der Ring politischer Jugend, in dem Jugendorganisationen der großen Parteien vertreten sind, zeigte sich „entsetzt über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“. Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) sagte, die Stadt bereite sich darauf vor, demnächst Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen.
Um 17.49 Uhr war die Stadtverordnetenversammlung beendet. Die Vorsteherin stellte fest, es seien zu wenige Stadtverordnete da, um beschlussfähig zu sein.