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Adventszeit in Frankfurt: Einst war Lametta – heute ist Black Friday

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Von: Stefan Behr

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Dieser Weihnachtsplunder ist nicht nur Deko, man kann ihn auch kaufen.
Dieser Weihnachtsplunder ist nicht nur Deko, man kann ihn auch kaufen. © Michael Schick

Weihnachtsdeko in der Frankfurter Innenstadt? Diesmal ist das ein Totalausfall!

Frankfurt - Es begab sich aber zu der Zeit, dass die soundsovielte Welle übers Land wogte, da machte sich auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Da aber ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschützt würde, und ein Beherbergungsverbot hing über Haus und Hof und Stall, da zogen beide weiter, und man hat nie wieder von ihnen gehört.

So muss es wohl gewesen sein. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Innenstadt in Frankfurt frei ist von jeglicher Weihnachtsdekoration. Und das, obwohl die Adventszeit kurz vor der Tür steht. Das gab’s noch nie. Während der Einzelhandel sonst jedes Jahr schon im Frühherbst seine Schaufenster mit Nikoläusen, Rentieren und Kinderkulleraugen aufrüstet, dass einem schwindlig wird, herrscht in diesem Jahr in dieser Hinsicht eine fast schon blasphemische Ödnis.

Frankfurt: Black Friday löst den Heiligen Abend ab

Offenbar ist der Heilige Abend durch einen neuen Feiertag namens „Black Friday“ abgelöst worden. Klingt gruselig und ist es wahrscheinlich auch. Für den findet sich an so gut wie jeder Ladentür ein Hinweisschild. Etwa dieses an einem Klamottenladen auf der Zeil: „Für Member startet der Black Friday bereits am Vortag.“ Geschieht den doofen Membern ganz recht, denkt sich der Gottesfürchtige und eilt beschwingt zum Dom, in der Hoffnung, dort einen Hinweis zu finden, dass der Heilige Abend für Member heuer schon am Morgen beginne, aber da ist nichts. Absolut nichts. Nicht mal Weihnachtsdeko.

Die einzigen Läden, die Weihnachtliches im Fenster haben, sind solche, die den Plunder auch verkaufen, und das gilt nicht. Selbst Galeria Kaufhof, sonst ein Garant für vorweihnachtlich entgleiste Schaufenster, übt sich diesmal dermaßen in Diskretion, dass man den Mummenschanz der vergangenen Advente fast schon vermisst.

Frankfurt: Opa Hoppenstedt bleibt einiges erspart

Immerhin: In My Zeil treiben ein paar aus Draht gefertigte Riesentiere ihr Unwesen, die bei einem Rorschachtest durchaus als Rentiere durchgehen könnten. Immerhin, möchte man fast loben, aber die Monstertiere haben eine ganz eigene Geschichte, die My Zeil leider auch preisgibt: „Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte eine Herde Hirsche und Rehe den sehnlichen Wunsch, sich in wundervolle, prachtvolle Fantasiewesen zu verwandeln. Ihre einzige Chance war es, durch das Auge der My Zeil zu springen“, was sie denn auch taten, „und nun leben sie glücklich und zufrieden in der My Zeil“. Und wenn sie bis dahin nicht gestorben sind, tun sie das vermutlich auch noch am „Black Friday“. Diese Geschichte ist zwar nicht herz-, dafür jedoch zumindest hirnerweichend. Aber Hand aufs Herz: Ein echter Ersatz für die Weihnachtsgeschichte ist sie nicht, die hatte doch deutlich mehr Schmackes.

Vor My Zeil erwarten den Besucher beim Verlassen dann ganz andere Tiere, die aber gar nicht glücklich und zufrieden aussehen, sondern einen eher vorwurfsvoll anstarren. Es sind auch gar keine echten Tiere, sondern maskierte Demonstranten, die gegen Massentierhaltung protestieren. So richtig weihnachtlich wird einem dabei auch nicht zumute.

„Früher war mehr Lametta“, hat sich Opa Hoppenstedt einst zu Recht beschwert. Aber da war wenigstens noch Lametta. Ach, wenn der wüsste! Gott sei Dank bleibt ihm das erspart. (Stefan Behr)

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