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Zwangsversteigerungen in Frankfurt - Gesichter der Justiz

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Von: Oliver Teutsch

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Rechtspflegerin Judith Malinowski kümmert sich um Zwangsversteigerungen.
Rechtspflegerin Judith Malinowski kümmert sich um Zwangsversteigerungen. © Christoph Boeckheler

Rechtspflegerin Judith Malinowski leitet am Amtsgericht Zwangsversteigerungen von Millionenobjekten. Start der Reihe „Gesichter der Justiz“.

Es ist der Auftritt der Judith Malinowski. Auf dem Programm steht an diesem Vormittag die Zwangsversteigerung eines sanierungsbedürftigen Einfamilienhauses in Griesheim. Im Saal haben sich etwa zwei Dutzend Menschen eingefunden. Ernsthafte Interessent:innen, die Angebote für das Haus in sechsstelliger Höhe abgegeben werden und Schaulustige, die sehen wollen, wie so ein Haus unter den Hammer kommt.

Malinowski erklärt den Anwesenden das Procedere, dann leitet sie die gut halbstündige Versteigerung, bis das Haus an ein junges Paar geht, das gut 300 000 Euro dafür berappen will. Wie viele Zwangsversteigerungen Malinowski am Amtsgericht Frankfurt in den vergangenen 20 Jahren verantwortet hat, weiß sie nicht: „Irgendwann hört man auf zu zählen.“

Zwangsversteigerung in Frankfurt: Animation zu weiteren Geboten

Sicherlich aber gehört jede Menge Erfahrung dazu, eine Zwangsversteigerung so charmant und souverän leiten zu können wie im Falle des sanierungsbedürftigen Hauses in Griesheim. Die Rechtspflegerin animiert die Bietenden zu weiteren Geboten: „Ich sehe es Ihnen an, Sie wollen nochmal überbieten“ oder „was ist mit Ihnen?“

Ein seit Jahren leerstehenden Haus zu versteigern, ist laut Malinowski unkompliziert. Es gibt aber auch problematische Fälle, bei denen sich eine launige Moderation verbietet, etwa wenn ein Haus noch bewohnt ist und eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Eine besondere Motivation, den Kaufpreis in die Höhe zu treiben, hat die Rechtspflegerin nicht. „Meine größte Motivation ist es, die Akte vom Tisch zu bekommen“, sagt Malinowski lakonisch.

Zwangsversteigerungen in Frankfurt werden auch mal beim Termin verhindert

Denn von der Antragsstellung bis zum Termin einer Zwangsversteigerung vergeht in der Regel rund ein Jahr, in dem es zahlreiche Schriftwechsel gibt, zumal, wenn eine Partei versucht, die Zwangsversteigerung zu verhindern. Das kann auch im Termin selbst noch passieren. „Neulich hat jemand einen Befangenheitsantrag gestellt, aber damit gehe ich ganz gelassen um“, sagt Malinowski.

Für den Beruf der Rechtspflegerin braucht es laut Hessischem Justizministerium „Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfreudigkeit und ein hohes Maß an sozialem Verständnis“. Zwangsversteigerungen gehören zu den schwierigsten Geschäften und verlangen umfassende Kenntnisse des Vollstreckungs- und Grundbuchrechts.

Zwangsversteigerungen in Frankfurt: früher eine Männerdomäne

„Man hat im Grunde richterliche Befugnisse“, erklärt Malinowski ihre Arbeit. Daher sei sie auch „so ein bisschen ehrfürchtig“ gewesen, als sie im Jahre 2001 gefragt wurde, ob sie sich einen Wechsel in die Zwangversteigerungsabteilung vorstellen könne. „Das war bis dahin immer eine Männerdomäne.“ Die Ehrfurcht ist schon vor langer Zeit einer großen Freude gewichen. „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, findet Malinowski.

Einer Freundin hat sie es wohl zu verdanken, überhaupt an diesen Ort im Amtsgericht Frankfurt gekommen zu sein. Denn als sie 1992 in Fulda ihr Abitur gebaut hatte, wusste sie noch nicht so recht, welche Ausbildung sie anfangen wollte. Eine Freundin, die in einer Anwaltskanzlei jobbte und von der Justiz angetan war, wies sie dann auf den Beruf der Rechtspflege hin.

Zwangsversteigerungen in Frankfurt: Was ist eine Rechtspflegerin?

„Was ist denn eine Rechtspflegerin?“, fragte sich Malinowski, konnte sich dann aber nicht zuletzt dafür begeistern, weil die Ausbildung am Amtsgericht nebst dualem Studium an der Hessischen Hochschule für Finanzen und Rechtspflege im eher ländlichen Rotenburg auch „die große weite Welt Frankfurt“ für die Abiturientin bedeutete.

Im Amtsgericht arbeitete die junge Rechtspflegerin zunächst im Nachlass. Denn auch für Testamentseröffnungen sind Rechtspflegerinnen wie Malinowski zuständig. „Nur in Filmen machen das Notare in irgendeinem Zimmer mit Kamin“, so Malinowski.

Zwangsversteigerungen in Frankfurt: Judith Malinowski singt im Justiz-Chor

In jenen gut 20 Jahren, seit Malinowski in der Zwangsversteigerungsabteilung arbeitet, hat sich einiges geändert. Früher durften Interessent:innen eine zu erbringende Sicherheitsleistung in bar mitbringen. „Da kamen dann wirklich welche mit einer Lidl-Tüte voll Geld“, erinnert sich Malinowski. Nachdem 2005 eine Zwangsversteigerung im Berliner Amtsgericht Lichterfelde überfallen wurde, erfolgen die Sicherheitsleistungen heute bargeldlos. Auch die Gebotsbefeuerung durch Banken, die dadurch einen Kaufpreis in die Höhe treiben wollten, gibt es heute nicht mehr.

Jene große weite Welt, in die Malinowski auszog, ist heute ihre Heimat. Gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt Malinowski in Bergen-Enkheim. Dort trainiert die ehemalige Handball-Spielerin heute auch die Kleinsten in ihrer Sportart. 2014 hat sie zudem den Justiz-Chor mitgegründet, in dem die Alt-Stimme auch heute noch leidenschaftlich mitsingt und organisiert.

Mehr „Gesichter der Justiz“ finden Sie hier.

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