Frankfurt im Wandel

Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Main-Gebiet diskutieren über die Entwicklung in Stadt und Region.
Eines kann man den Bundestagabgeordneten aus dem Rhein-Main-Gebiet sicher nicht vorwerfen: fehlende Begeisterung für ihren Wahlkreis.
Ob Deborah Düring (Grüne) oder Janine Wissler (Linke), ob Armand Zorn (SPD), Björn Simon (CDU) oder Thorsten Lieb (FDP) – sie alle sagten am Dienstagabend bei der Podiumsdiskussion im Haus am Dom, wie viel ihnen Frankfurt bedeute. Oder aber wie viel ihnen der Kreis Offenbach bedeute. Denn für diesen sitzt Björn Simon im Bundestag. Die Frankfurter CDU ist in dem Parlament nicht vertreten.
„Was Abgeordnete aus Rhein-Main in Berlin für Rhein-Main bewirken wollen“ – unter diesem Titel stand die Diskussion, zu der der Frankfurter Domkreis Kirche und Wissenschaft eingeladen hatte. Und der Abend, den der Journalist Matthias Drobinski moderierte, begann mit einer Bestandsaufnahme und der Erkenntnis, dass außer Simon keine:r der Bundestagsabgeordneten in seinem oder ihrem Wahlkreis geboren wurde.
Deborah Düring, mit 27 Jahren eine der jüngsten Parlamentarier:innen, kommt aus Bayern und liebt Frankfurter Kioske – insbesondere Kioske, die nach 20 Uhr noch offen haben und zu Treffpunkten werden.
Thorsten Lieb sieht Frankfurt als „kleinste Metropole der Welt“ – von der er aber als junger Mann eigentlich nur das „Dorian Gray“ kannte. Lieb nämlich verbrachte die Schulzeit in Bad Kreuznach, doch samstägliche Ausflüge in die berühmte Flughafen-Disco ließ er sich nicht nehmen.
Janine Wissler, geboren in Langen und mittlerweile Bundesvorsitzende der Linken, hob hervor, wie oft von Frankfurt ein Aufbruch ausgegangen sei. Etwa 1968 bei der Bewegung der Studentinnen und Studenten, aber auch 2006, als sich die Frankfurter:innen letztlich erfolgreich gegen Studiengebühren wehrten. Armand Zorn, der mit zwölf Jahren aus Kamerun nach Deutschland gekommen war, stellte heraus, dass es in Frankfurt eben noch die Kontakte zwischen dem Banker und der Kassiererin gebe. Und Simon, der Mann aus dem Landkreis Offenbach, betonte die Vielfalt seines Wahlkreises.
Schöne heile Welt im Rhein-Main-Gebiet also? Können die Abgeordneten sich darauf beschränken, den Status quo zu sichern?
Mitnichten, findet Janine Wissler. Natürlich sei das Rhein-Main-Gebiet eine reiche Region. „Aber der Reichtum ist ungerecht verteilt“, sagte die Politikerin der Linken. Die Schere zwischen Reich und Arm werde immer größer.
Ähnlich äußerte sich Armand Zorn. Er sieht das Rhein-Main-Gebiet, und insbesondere Frankfurt, an einem Wendepunkt. Nun entscheide sich, ob sich die Stadt wie Paris oder New York entwickele oder einen anderen Weg finde. Von entscheidender Bedeutung sei dabei die Wohnungspolitik. Auch in Frankfurt müsse es bezahlbaren Wohnraum geben. Dabei lobte Zorn seinen Parteifreund, den Planungsdezernenten Mike Josef, der sich für mehr Wohnraum einsetze.
Wobei noch mehr Wohnungen gebaut werden könnten, wenn es die Belange des Klimaschutzes nicht gäbe. Doch Deborah Düring stellte klar: Krisen sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Thorsten Lieb warnte vor zu viel Schwarzmalerei. Das Rhein-Main-Gebiet sei nicht „die ärmste Gegend der Welt“. Björn Simon sagte: „Wir müssen immer aufpassen, dass wir das Rhein-Main-Gebiet, das prosperierend ist, das wirtschaftlich stark und erfolgreich ist, was auch ein Aushängeschild des Landes Hessen ist, nicht als Feigenblatt benutzen für Kommunen, die wirtschaftlich und finanziell nicht so gut dastehen. Das ist dann etwa bei der Stadt Offenbach der Fall.“
Transparenzhinweis: Ursprünglich hatten wir im letzten Absatz geschrieben, Simon habe davor gewarnt, die Region nur als Einheit zu betrachten. Das Rhein-Main-Gebiet zähle zu den prosperierenden Gegenden, die Stadt Offenbach hingegen nicht. Simon hält diese verkürzte Darstellung für irreführend. Deshalb haben wir sein komplettes Zitat veröffentlicht.