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Frankfurt: Gleichermaßen Ärger wie Verständnis für Mega-Streik

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Ein Ansturm auf die fahrenden Busse blieb aus
Ein Ansturm auf die fahrenden Busse blieb aus © Christoph Boeckheler

Bundesweit hat die Gewerkschaft Verdi den öffentlichen Nahverkehr lahmgelegt. In den leeren Bahnhöfen äußern die Fahrgäste Gegenvorschläge, Wut und Verständnis über den Protest.

Schwarzfahren sei der bessere Streik. Roland Weitzel steht an diesem Montagmorgen an der Konstablerwache in Frankfurt und schaut frustriert auf die Monatskarte in seiner Hand. „Zweimal konnte ich diesen Monat schon nicht fahren, es nervt“, sagt er. Natürlich sei alles teurer geworden, das streikende Personal solle da nicht auf der Strecke bleiben. Aber „der Streik trifft die Falschen“, beklagt der 64-Jährige den Ausstand im öffentlichen Verkehr, der U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen in Frankfurt lahmlegt. Er hat einen konkreten Gegenvorschlag an die Gewerkschaften: „Lasst die Kontrolleure streiken, dann trifft es die Richtigen, die Arbeitgeber.“

Am Bahnsteig schräg gegenüber steht ein Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF), umkreist von fünf Seniorinnen und Senioren. „Und wie komme ich jetzt hier weg?“, fragt eine von ihnen aufgeregt. Die Gruppe fand sich spontan zusammen und berät sich nun untereinander. Denn die einzigen Busse, die hier heute fahren, sind der M30 und der M36. Ersterer macht ausgerechnet jetzt eine zweistündige Pause – die ist im Fahrplan auch ohne Streik vorgesehen und wird heute nicht geändert. Zusatzbusse fahren dennoch an anderen Stellen. Zum Beispiel zum Flughafen, der ebenfalls bestreikt wird.

Gebot der Stunde: warten

Der Ruhe ausstrahlende VGF-Mitarbeiter verrät nicht seinen Namen, aber das Gebot der nächsten Stunden: „Da müssen Sie leider weiterhin auf den Bus warten“, sagt er in Richtung der Gruppe, mehr könne er gerade nicht tun. „Ich hätte nicht gestreikt, ich hatte aber auch keine Wahl“, erklärt er. Zwar habe er Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen. Einen Warnstreik in dieser Dimension in einem so frühen Verhandlungsstadium hält er jedoch für überzogen.

Das sehen manche Fußgänger:innen anders, die vereinzelt über die ungewöhnlich leergefegten Bahnhofsplätze und Haltestellen schlendern. Paul Döbert unterhält rund zehn kleine Kinder in Warnweste, die auf einer Bank vor dem Südbahnhof sitzen. „Der Streik ist wichtig, sie haben das Recht darauf“, verkündet der junge Erzieher gut gelaunt. Er habe sich mit seinen Kolleg:innen vorbereitet und für heute keine größeren Ausflüge geplant. Den einen Tag stemmten sie problemlos ohne einige Kolleg:innen, die wegen des Streiks nicht aus Bayern kommen konnten.

Gabriele, 69, die gerade für eine ältere Frau einkaufen geht, sieht es wie Paul Döbert: „Der Streik war lange angekündigt und gut kommuniziert“, sagt sie. Man hätte sich bei dringenden Terminen mit Fahrgemeinschaften Abhilfe verschaffen oder aufs Homeoffice umschwenken können. Klar sei aber auch, dass es einige Personen und Berufe schwerer hätten. „Das Krankenhauspersonal muss natürlich zur Arbeit kommen“, nennt sie als Beispiel. Für solche Spezialfälle müssten unabhängig vom Streik Lösungen gefunden werden; das müsse vielleicht auch eine Aufgabe von Verdi sein. Sie selbst ist jetzt einfach zu Fuß unterwegs.

Alternativ greifen einige heute zu elektrischen Rollern, Leihrädern oder rufen das Taxi. Miroslav Zovo entsperrt ein Leihfahrrad, radelt dem Sonnenschein entgegen und merkt an: „Wir sind immer gewöhnt, dass alles so läuft, wie es muss.“ Die paar Wochen mit vielen Streiks müsse man aushalten, findet Zovo, es handele sich schließlich um ein Grundrecht.

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