Frankfurt Fashion Week: Models erobern den Eisernen Steg

Mit sehr außergewöhnlichen Eröffnungsshows startet die Frankfurt Fashion Week: Während der Jung-Designer Samuel Gärtner seine Models wie Gina-Lisa Lohfink über den Eisernen Steg laufen lässt, zeigt der international bekannte Designer René Storck seine Kollektion in der Börse.
Es wirkt wie eine Filmszene, als der Eiserne Steg kurz vorm Sonnenuntergang am plötzlich recht windigen Abend zum Laufsteg wird: Doris Days „Que Sera“ ist, mit Elektrobeats unterlegt, in Dauerschleife zu hören, als Models, die kaum diverser sein könnten, von der Dragqueen Maxima Love bis zu Ex-Germany’s Next Topmodel-Kandidatin Gina-Lisa Lohfink (mit brandneuen Brüsten und Po und nun schwarzen Haaren) im knallbunten 60er-Jahre-Look über den Eisernen Steg laufen.
Ein sportlicher Weg für alle, denn die 44 Models laufen am Sonntagabend mehrmals die 173 Meter über den Main hin und zurück. Auf 280 weißen Stühlen sitzen geladene Gäste, für alle 330 reichen die Stühle nicht, ein paar müssen Stehplätze einnehmen. Ein Anwohner auf der Sachsenhäuser-Seite, der bestimmt schon viel gesehen hat, ist so abgelenkt, dass er vergisst, dass er eigentlich auf dem Balkon seine Pflanzen gießt, und gibt ihnen wohl zu viel Wasser.
Ein paar Passant:innen beschweren sich bei der Polizei, weil der Eiserne Steg an dem Abend für eine Eröffnungsshow der Frankfurt Fashion Week gesperrt ist. Eine, die aber vom Ordnungsamt genehmigt ist. Die Idee, eine Fashion Show auf dem Eisernen Steg zu veranstalten, hatte der Frankfurter Jung-Designer Samuel Gärtner, der hier seine neue Kollektion, eine Hommage an die 60er-Jahre, präsentiert. Zu kaufen gibt es diese erst im Herbst.
Auch Model, Schauspielerin und Rapperin Sara Dastjani aus L.A. ist dabei und hat die Haare als Beehive (Bienenkorb-Frisur) voluminös mit bunten Bändern nach oben gesteckt. Sie trägt ein knallpinkes Kleid aus Filz mit auffälligem Design. „Meine Inspiration für das Kleid kommt von der 60er-Serie Familie Feuerstein“, sagt Gärtner. Außergewöhnliche Orte sind sein Ding: Der 23-Jährige hatte schon Shows im Senckenberg-Museum und im Palmengarten. „Es war eigentlich eine Schnapsidee, als ich vor drei Monaten ins Büro von Oliver Schwebel, dem Chef der Wirtschaftsförderung, ging und ihm sagte, dass ich eine Show auf dem Eisernen Steg machen will. Ich hätte nicht geglaubt, dass das wirklich möglich sein wird.“ Gärtner selbst trägt ein Shirt, auf dem hinten „Staff“ (Personal) steht. Er und seine Mutter Barbra seien als Orga-Team „die Mädchen für alles“.
Seine Schwester Chantal begleitet die Gäste auf dem Spaziergang zu ihren Stühlen. Gärtners Vater Klaus erzählt, dass sie schon morgens um 10 Uhr angefangen hätten aufzubauen „Nein, niemand hat versucht, einen Stuhl zu klauen“, sagt der Vater und lacht.
Der Aufbau begann noch bei Publikumsverkehr. Denn erst um 19.30 Uhr bis knapp 22.30 Uhr wird der Eiserne Steg an diesem Abend gesperrt. Bis kommenden Sonntag sind mehr als 100 Veranstaltungen bei der Frankfurt Fashion Week geplant. Die meisten Shows gibt es zu sehen bei der Frankfurt Fashion Lounge, die auch im Karmeliterkloster jungen wie etablierten Designer:innen eine Plattform gibt. Im Mittelpunkt soll das Thema Nachhaltigkeit stehen.
Die Modemesse Premium hatte Anfang dieses Jahres bekanntgegeben, dass sie von Frankfurt zurück nach Berlin geht. Erst 2020 ist sie nach Frankfurt gezogen, coronabedingt wurde sie aber nie wie geplant veranstaltet. Ob die Frankfurt Fashion Week regelmäßig stattfinden wird, stand zuletzt noch nicht fest. Die kreativen Akteur:innen werden diesmal von der Stadt stärker finanziell unterstützt.
Ein Kontrastprogramm zu Gärtners knallbunter, diverser Show ist die offizielle Eröffnungsshow des international bekannten Frankfurter Designers René Storck im Handelssaal der Börse. Gäste werden vorab gebeten, „bitte jetzt gleich die Beine nicht zu überkreuzen“. Nein, nicht, weil das Unglück bringen könnte, sondern damit die Models, die in schönen, sehr klassischen Schnitten und gedeckten Farben die neue Kollektion präsentieren, nicht stolpern. Denn es ist alles sehr eng, als die Models unweit der Aktienkurse-Tafel laufen. Der Designer erzählt nach der Show, er habe gleich begeistert „Ja, ganz toll“ gesagt, als ihm die Börse als Ort für seine Show angeboten wurde.
Er betont aber auch: „Frankfurt ist keine ,Red Carpet` -Stadt, sondern eine, in der eben gearbeitet wird“. Deswegen sei seine Mode eben eine, die ins Business-Leben passt. Dass Frankfurt keine etablierte Modestadt ist, wertet er als Vorteil. „Frankfurt kann man als Modestadt frisch bespielen.“
Etwas frisch, aber auch romantisch wird es nach Sonnenuntergang auf dem Eisernen Steg, Gäste streifen sich Jäckchen über, als plötzlich eine Braut über den Eisernen Steg läuft. Zwei Männer-Models tragen ihren sehr langen Schleier. Die Braut heißt Julia Schneider. „Sie hat gestern geheiratet. Ich habe ihr Brautkleid genäht“, so Gärtner. Seine Kollektion zeigt er nochmal am Samstag (16 Uhr). Dazu benötigt man keine Einladung, wenn die Rolltreppe vom Myzeil zum Laufsteg wird.


